Wie schön, dass du so schnell durch den ersten Abschnitt "gerauscht" bist, obwohl du ja eigentlich gar keine Zeit hattest. Das nehme ich mal als großes Kompliment für das Buch
Ich hab mir im Internet einige Bilder von Lüneburg angesehen - wirklich eine sehr hübsche Stadt! Genau so wie beschrieben: zum Teil Mittelalter, zum Teil Moderne!
Ich habe von 2000 bis 2003 als Ärztin in Bad Bevensen gearbeitet und bin täglich mit dem Zug nach Hamburg gependelt. Hinter Lüneburg kommt dann Bienenbüttel und dann Bad Bevensen und noch eine Station weiter ist dann Uelzen. Manchmal bin ich auch mit dem Auto gefahren, wenn ich Urlaub hatte und es sich nicht lohnte, eine komplette Monatskarte zu kaufen. Die Gegend kenne ich also ziemlich gut. In Lüneburg ist auch eine große Nervenklinik, die schon damals existierte, die war mit unserer Klinik in Bad Bevensen im Weiterbildungsverbund, sodass ich zweimal im Monat auch in Lüneburg zur Fortbildung war. Lüneburg ist schon eine schöne Stadt, da gibt es heute noch historische Stadtführungen von historisch gewandeten Stadtführern. Lohnt auf jeden Fall einen Besuch. Der große Westbahnhof ist heute ein Spielcasino, der kleine Ostbahnhof der normale Bahnhof.
Auf alle Fälle gefällt mir Luise - auch wegen ihrer Aussagen wie "Die Fantasie ist oft viel schlimmer als die Wirklichkeit!" Eine zeitlos kluge Aussage!
Luise ist ein hochintelligentes Mädchen. Zu ihr schreibe ich später noch mehr in den weiteren Abschnitten, um nicht zu spoilern.
Und dann ist da noch die hochschwangere junge Frau, die Zeugin eines Selbtmordes wurde. Ist dieses Trauma die Ursache für ihr beharrliches Schweigen? Und dann bekommt sie einen Sohn mit dunklerer Hautfarbe. Gleichzeitig ein dunkelhäutiger Mann in der Gegend? Ich fürchte ein Sammelsurium an Vorurteilen... und den daraus resultierenden Taten.
Vor allem war ein dunkelhäutiges Kind damals eine echte Schande - unehelich und dann auch noch die falsche Farbe - die Frauen, denen das passierte, waren komplett gesellschaftlich ruiniert - sogar in der Unterschicht. Denen hat man keine Arbeit mehr gegeben, die konnten höchstens noch als Prostituierte klar kommen. Gruselig, aber so war das damals.
Richtig amüsant fand ich übrigens das Abendessen. Das Gespräch zwischen Wolfgang und der Gouvernante - Fräulein Wermut. Da musste ich wirklich laut auflachen!
Trotzdem dachte ich da noch, dass dieses Fräulein Wermut - untypisch für Melanies Geschichten - wirklich allen Vorurteilen und Klischees entspricht, die wir so von Gouvernanten dieser Zeit haben können. Deshalb war ich dann wirklich froh, dass sich dieses Fräulein Wermut von der spießigen Frau zu einer klugen und unprätentiösen Frau verwandelt.
Fräulein Wermut hat sich einfach so in die Geschichte reingeschummelt - die war gar nicht geplant. Eigentlich sollte Luise nur von ihrer Gouvernante nach Lüneburg gebracht werden - aber Fräulein Wermut war einfach ein spannender Charakter, dem ich dann in der Entwicklung beim Schreiben völlig freie Hand gelassen habe. Und natürlich fernab der Klischees, auch wenn man das anfangs denken mag. Es soll so ein bisschen zeigen, wie oft der erste Eindruck auch mal täuschen kann.
Aber es interessiert mich, ob dieses Gut ein reales Vorbild hat? Es war ja nicht wirklich die Zeit, in der kranke Menschen respektvoll behandelt wurden. Grausamkeiten waren da eher an der Tagesordnung. Dr Meinharts System ist revolutionär!
Es gab damals "landwirtschaftliche Irrenkolonien". Ochsenzoll in Hamburg war ursprünglich auch sehr modern und so geplant. Das lief solange gut, bis die Nazis kamen. Was dann in Ochsenzoll passierte, habe ich ja in "Im Lautlosen" beschrieben. Die kleine Nervenklinik von Dr. Meinhardt ist allerdings fiktiv, aber es gab genau diese Ansätze zur Behandlung psychisch Kranker und Behinderter schon in vielen Landesteilen. Es gab eben beides - moderne Psychiatrie und Grusel-Psychiatrie. Und noch sind die Nazis ja nicht da.
mir ist nicht ganz klar, welche Rolle unsere unbekannte Schwangere bei dem Selbstmord gespielt hat. War sie eine Augenzeugin im Zug? Oder war sie auch auf den Gleisen? Bei der Toten? Was wollte sie da?
Sie wurde an den Gleisen aufgegriffen. Bislang weiß selbst die Polizei nicht, was sie da gemacht hat. Sie ist zunächst einmal Zeugin. Im Zug war sie nicht, sie war draußen, dort, wo die andere Frau vom Zug erfasst wurde.