Es gibt sie, diese Bücher, die so schön sind, dass man sie am Liebsten gar nicht rezensieren würde, aus Angst, ihnen ihren Zauber zu nehmen. David Levithans jüngstes Werk fällt definitiv in diese Kategorie. Schon mit "Nick und Norah - Soundtrack einer Nacht" war Levithan und seiner Co-Autorin Rachel Cohn ein sehr außergewöhnliches, emotionsschwangeres Buch gelungen, dessen Verfilmung unzählige Jugendliche ins Kino gelockt hatte. "Das Wörterbuch der Liebenden" ist Levithans erstes Buch für eine erwachsene Leserschaft und wartet mit einem völlig neuartigen Konzept auf: Ein Wörterbuch über die Liebe, zu jedem Begriff eine kurze Erzählung, eine Momentaufnahme, eine fundamentale Feststellung. Alphabetisch sortiert, aber nicht chronologisch, erhält man so immer mehr Einblicke in das Beziehungsleben eines New Yorker Paares irgendwo Anfang 30: Das Kennenlernen über eine Onlineplatform, die ersten Dates, der Beschluss zusammenzuziehen, das erste "Ich liebe dich", Spaziergänge im Schnee und Regen, Sex als Aggressionskompensation, ein fataler Ausrutscher. Über alldem der Schleier der Weisheit, den Levithan nutzt, ohne dabei belehrend zu wirken. "Das Wörterbuch der Liebenden" bringt uns all die Dinge bei, die wir über die Liebe wissen sollten - schafft es aber auch, all die Dinge in ein paar wichtige Sätze zusammenzufassen, die wir niemals prägnant auf den Punkt bringen könnten.
Man mag dem Buch vorwerfen können, eine unvollständige Geschichte zu erzählen, aber sein wir doch ehrlich: Es bedarf nicht aller Hintergrundinformation, es bedarf nicht der ganzen Vita der beiden namenlosen Hauptprotagonisten, um diese Geschichte zu etwas Ganzem, Kompletten, Komplexen werden zu lassen, zu etwas, das in sich schlüssig ist und durch eine kreative, neue Idee besticht. Es bedarf bloß Leviathans wunderschöner Worte, die von Andreas Steinhöfel stimmig ins Deutsche übersetzt wurden. "Wir haben die Oberflächlichkeit des Einanderwollens hinter uns gelassen und befinden uns nun in den Untiefen des Einanderbrauchens" schreibt der Autor bei einer Erzählung zum Thema Elegie die fließende Entwicklung in der Beziehung der beiden Protagonisten.
Es bleibt Levithan zu wünschen, dass sein Buch nicht ein Geheimtipp bleibt, eines dieser kleinen, leisen, weisen Bücher, das eine handvoll Leser zu schätzen weiß - was auch der Grund ist, dass es wichtig war, diese Rezension zu schreiben, obgleich sie dieses perfekte Buch nicht wirklich passend umschreiben kann: Der Wunsch, vielen Liebenden etwas zu geben, an dem sie sich festhalten können. Dann, wenn die Liebe keimt und so schön ist, dass man Angst hat, sie könne gar nicht real sein. Aber auch dann, wenn all das, was man sich aufgebaut hat, mit einem mal auseinanderzubrechen und einzugehen droht.
Einziger Wermutstropfen: Das Buch umfasst nur 211 Seiten. Kaum dass man die letzte Seite erreicht hat, steht man vor einer schwierigen Entscheidung: Jammern, dass es vorbei ist - oder von vorne anfangen und nach Details und Weisheiten suchen, die man beim ersten Lesen vielleicht gar nicht so sehr wahrgenommen hat. Auch schade ist, dass das doch recht dünne Buch für einen Preis 18 Euro erhältlich ist - obwohl das, was man zu lesen bekommt, Gold wert ist, wären 16 Euro mehr als ausreichend gewesen. Auf die Taschenbuchausgabe hätte ich nämlich nicht warten wollen, so sehr hatte mich schon die Leseprobe in ihren Bann gezogen.