Heute war der Prozeß um den Plagiatsvorwurf an Andrea Schenkel. Peter Leuschner, der vor einigen Jahren das Buch Hinterkeifeck geschrieben hat, warf Frau Schenkel vor, von seinem Buch abgekupfert zu haben. Nun, ich habe beide Bücher gelesen und kann nur sagen: wenn man Hinterkaifeck gelesen hat wird die Lektüre von Tannöd zu einem ziemlich öden Ereignis.
Den Prozeß habe ich mir angesehen. Nun, ich bin kein Anwalt und kann somit nur meine persönlichen Eindrücke schildern. Die Parteien betraten den Saal und nahmen Platz. Peter Leuschner war, wie man ihn kennt - ein grundsolider Bursche, der es nicht nötig hat, sich bei einer Frau Schenkel auf das Trittbrett zu stellen. Frau Schenkel selbst lächelte nett in die Kamera und gibt ein kurzes Interview fürs Radio. Neben ihr postierte sich ihr Verleger mit einer seltsam zotteligen Friseur, eine solche, wie Künstler sie gerne tragen - z.B. Mr. Love, der Herrn Bohlen das Wasser ins Gesicht schüttete. Würde hier die Sympathie entscheiden dürfen, dann fliegt, zumindest meine, eindeutig auf die rechte Seite des Gerichtssaals.
Das Gericht betritt den Saal und beginnt, darzulegen, worum es nun eigentlich geht. Es geht in diesem Prozeß nicht um den Vorwurf, dass Frau Schenkel abgeschrieben hat. Nein, nicht wortwörtlich. Es geht auch nicht darum, dass Frau Schenkel Peter Leuschners Buch als Vorlage für ihren Roman verwendet hat. Es geht darum, dass in Frau Schenkels Roman Textstellen auftauchen, die Peter Leuschner in journalistischer Freiheit seinem Sachbuch literarisch hinzugefügt hat. Die Textstellen werden verlesen: das Kind spielt Hoppe hoppe Reiter auf dem Schoß, der Mechaniker sieht einen Schatten vorbeihuschen, als er sich nach einer Schraubenmutter bückt (die Schraubenmutter steht in den Akten), die Kühe stehen mit ruhigen Leibern, die Magd spürt einen Luftzug - insgesamt sind es 18 Textstellen, die verlesen werden. Dann legt der Richter dar, dass dies jedoch nicht ausreichen würde, um von einer Urheberrechtsverletzung zu sprechen. Denn die Stimmung sei durch die Faktenlage sehr genau bestimmt und die Anteile der Übereinstimmungen deshalb zu gering, da es sich hierbei nicht um tragende Teile des Handlungsstranges handeln würde. Meine Meinung ist hierzu eine andere. Es sind nicht die Handlungen alleine, die ein Buch ausmachen. Vielmehr sind es die Stimmungen, die Eindrücke die ein Autor vermitteln möchte. Und diese vielen Kleinigkeiten gehören eindeutig dazu., das wurde auch in dem Urteil zum historischen Roman die Päpstin dargelegt. Die Stimmung, die Peter Leuschner in seinem Buch aufgezeigt hat, ist eine denkbare, aber sie könnte auch noch ganz anders ausgesehen haben. Frau Schenkel jedoch hat die Stimmung direkt übernommen. Das Problem ist, dass die meisten Fakten natürlich durch das Aktenmaterial bestimmt sind und somit juristisch nicht aufgegriffen werden können.
Zur großen Überraschung taucht die Reihenfolge des Mordes nicht in diesen Textstellen auf. Die Reihenfolge des Mordes steht bis heute nicht fest - es gibt lediglich Indizien, die auf eine eventuelle Reihenfolge hinweisen. Der Richter legt dar, dass die Reihenfolge auch bereits in anderen Schriftstücken auftaucht und frei gesagt deshalb nicht als Leuschners Leistung gewertet wird. Auch die Darlegung des Anwalts auf Klägerseite, dass selbst der Polizist, der den Fall 1981 nochmals untersuchte, drei Jahre nach dem Erscheinen von Leuschners ersten Ausgabe von Hinterkaifeck, nicht mehr sagen könne, ob er zu der Mordreihenfolge von selbst kam oder durch die Ausführungen von Peter Leuschner, ändern daran nichts. Bei der Frage um die Reihenfolge meldete sich dann Frau Schenkel selbst zu Wort - glücklicherweise hatte sie in irgendeinem Archiv eine Unterlage ausgegraben in der etwas zu der Reihenfolge gestanden hatte. Glaubt man ihren öffentlichen Aussagen, dann muß sie dieses Schriftstück nach Erscheinen des Buches gefunden haben, denn sie selbst sagte ja sinngemäß in einem Fernsehinterview, dass man sich die Recherche in den Archiven sparen kann, wenn man so eine hervorragende Vorlage hat, wie Leuschners Buch.
Das Gericht strebte einen Vergleich beider Parteien an, zum einen, weil die Textstellen nicht ausreichen, zum anderen aber, wie der Richter meinte, weil die Aussagen zur Entstehung von Tannöd von Frau Schenkel schon sehr durcheinander und widersprüchlich seien - mehr als glaubwürdig ist. Er implizierte, dass ziemlich eindeutig ist, dass Frau Schenkel abgekupfert hat. Man könne zum Beispiel Peter Leuschner einen größeren Platz in dem Roman Tannöd einräumen. Die Stellungnahme des Schenkelschen Anwalts dazu war blamabel. Natürlich könne man in der nächsten Ausgabe daran denken, aber diesen Vorschlag macht er natürlich nur unverbindlich.
Als Fazit nehme ich eines mit: man darf bei uns abkupfern. Man darf eine Stimmung kopieren und so tun, als hätte man eine eigene literarische Arbeit geschaffen. Man darf sich der Bilder anderer Autoren bedienen und sogar sehr nah an deren Sprache entlang hangeln. Und dafür kassiert man dann den Krimipreis. Man braucht nur die richtigen Fürsprecher.
Das Urteil wird am Mittwoch, dem 21. Mai 2008 gesprochen. Und auch, wenn Frau Schenkel weiterhin ihr Buch so auf dem Markt lassen darf, geht sie doch hoffentlich mit weniger Beachtung aus diesem Prozedere heraus. Dass es jedoch auch anders geht zeigt Tobias O. Meißner in "Hiobs Spiel".