In seinem sechsten Fall bekommt es Commissario Brunetti aus allen Richtungen mit der Kirche zu tun. Eine junge Nonne verlässt ihren Orden, weil sie hinter einigen Todesfällen in einem Seniorenheim Morde vermutet. Kurz darauf kommt sie bei einem Verkehrsunfall beinahe ums Leben – Zufall? Brunetti glaubt das nicht und macht sich an die Ermittlungen. Einfach ist das nicht, denn in den Kreisen der Kirche schweigt man gern und beruft sich auf Schweigegelübde. Der Commissario gibt dennoch nicht auf und gerät immer tiefer in die Machenschaften von Geheimbunden und korrupten Kirchenmännern.
Wie immer bei Commissario Brunetti sind es weniger actionreiche Szenen, die das Buch ausmachen, sondern das venezianische Flair in dem er sich auf die Suche nach Verbrechern macht. Völlig unerwartet wird er dieses Mal in den Fall verwickelt und lange ist kein Täter in Sicht. Dafür gibt es aber einen zum Teil erschreckenden Einblick in die kircheninternen Abläufe und Hierarchien. Brunetti und sein treuer Sergente Vianello stoßen permanent auf taube Ohren und verschlossene Menschen.
Im Gegensatz zu den bisherigen Büchern der Reihe bleibt der kriminalistische Anteil hier recht gering, da lange nicht klar ist, ob es überhaupt einen Fall gibt. Brunetti, der mit seiner besonnenen Art aber auch scheinbar Unwichtiges nicht aus den Augen verliert, findet nach und nach seinen Weg in und durch das Chaos. Bis zur letzten Seite ändert sich die Ratlosigkeit Brunettis nicht, was schließlich zu einem ungewöhnlich offenen und irgendwie achselzuckenden Ende führt. So richtig glücklich macht das nach etwa 340 Seiten zwar nicht, aber ich kann durchaus damit leben.
Immerhin ist auch die übliche Rahmenhandlung, die das Leben der Familie Brunetti mit allen kleinen und größeren Problemen beschreibt, wieder mit von der Partie und vermittelt beim Lesen das Gefühl, nach Hause zu kommen. Paola, Raffi und Chiara sind mir in den ersten fünf Bänden schon so ans Herz gewachsen, dass ich mich unabhängig von der Ermittlung auch immer darauf freue, sie wieder zu „treffen“.
Auch wenn das Buch nicht mit einem großen kriminalistischen Anteil daher kommt, unterhält es wieder einmal wunderbar und weckt genau wie seine Vorgänger meine Neugier auf Venedig.
Meine Wertung: +