Hallo liebe Atwood-Mitlesende,
endlich bin ich auch zum Lesen gekommen, war gar nicht so leicht in den letzten Tagen.
Ich habe bis VI/14 gelesen.
Mir gefällt die Sprache, in der das Buch geschrieben ist sehr gut. Sie kommt ohne überflüssige Wörter aus, Gefühlsbeschreibungen kommen nicht vor - so spiegelt die Sprache genau die Umstände und die beklemmende Atmosphäre der Handlung.
Zufällligerweise habe ich mich in den letzten Tagen mit dem Werk eines französischen Anthropologen beschäftigt, der in den 80-er Jahren auf Papua Neu-Guinea eine ethnische Gruppe untersucht hat, die streng hierarchisch aufgebaut ist (es gibt Hierarchien zwischen den Männern, die Big Men stehen über den "normalen" Männern und generell stehen alle Männer über den Frauen). Es wird der Frage nachgegangen, warum Unterdrückung so oft scheinbar keiner Gewalt bedarf, warum sich die Unterdrückten wie die Komplizen der Herrschenden verhalten und ihre Ausbeutung als legitim akzeptieren, sie nicht hinterfragen und sich nicht auflehnen. Er sagt, damit eine Herrschaft lange aufrecht erhalten werden kann, enthält sie zwei Elemente: die Gewalt der Herrschenden über die Beherrschten und die Zustimmung der Beherrschten zu ihrer Beherrschung, wobei das zweite Element viel wichtiger sei. Die Beherrschten stimmen ihrer Unterdrückung und Ausbeutung demnach zu, weil sie die Ideen der Herrschenden teilen und ihnen das Unterdrückungsverhältnis aus Austausch von Diensten zwischen Herrscher und Beherrschten dargestellt wird. Sie legitimieren somit den Status Quo.
Vielleicht kann man das auf das Buch auch umsetzen?
Ja das klingt auch ein bisschen so - allerdings ist mir bisher noch nicht klar wie das alles so kommen konnte, weiß nicht ob das in einem der hinteren Kapitel noch erklärt wird oder nicht.
Eine Alternative scheinen die Frauen nicht zu haben - einmal wurden die Kolonien mit den Unfrauen erwähnt, was nicht so wirklich verführerisch klingt. Ich bin sehr gespannt, was das für ein Ort ist. Und frei sind die Männer in dieser Gesellschaft auch nicht.
Interessant ist wirklich diese Unterscheidung in Freiheit zu (die einen aktiven Beigeschmackt hat, Freiheit zu haben, etwas zu tun, Selbstbestimmen können, Autonomie haben) und Freiheit von (mit einem eher passiven Beigeschmack, befreit zu werden von etwas, Fremdbestimmung).
So kommt es mir auch vor - dass Ihnen wohl außer den Tod oder ein noch schlimmeres, (feieres?) Leben zu wählen, keine Alternative bleibt.
Alles in allem, ein sehr spannendes, beklemmendes Buch.
Liebe Grüße
nikki