Hallo zusammen,
hab jetzt endlich geschafft, meine etwas länger geratene Meinung über dieses Werk fertigzustellen.
Lange hat es gedauert, doch die Wartezeit wurde belohnt und wieder war es ein riesengroßer Genuss, den neuesten historischen Roman von Rebecca Gablé in den Händen halten und lesen zu dürfen. Es war nicht nur lesetechnisch ein Hochgenuss, sondern auch wieder layout-technisch, die Ehrenwirth-Hardcover sind einfach wunderschön gestaltet, feines, nahezu weiches Papier aber eben auch wieder diese von mir so sehr geliebten Extras wie Stammbäume, Personenregister und langes Nachwort der Autorin. Da geb ich das Geld wirklich gerne für aus!!!
Bei jedem anderen Buch von Rebecca Gablé käme jetzt der Satz „Der Einstieg in das Buch fiel mir sehr leicht“, aber hier war es dann doch eher so, dass ich das Buch nach 20 Seiten an die Wand pfeffern und nicht weiterlesen wollte. Zunächst musste ich ja nur leise schniefen, dann wurde das Schniefen immer lauter, dann musste ich erstickungsähnlich schluchze. Das wurde selbst in Gegenwart einer sehr sehr guten Freundin langsam peinlich und so hatte ich schon ein Tempo in der Hand und wollte leise vor mich hinbrabbeln, dass ein Buch doch nicht SO anfangen kann. Raus kam aber kein leises Vorsichhinbrabbeln, sondern ein hysterischer, schriller Schrei "SO KANN DOCH KEIN BUCH ANFANGEN", schrill, laut und hysterisch, total unkontrolliert...und dabei war John doch noch nicht mal mein Liebling, das war doch Raymond...wie sollte das bloß weitergehen, das Buch hat doch noch über 1100 Seiten und auch wenn ich in Geschichte kein Ass war, so weiß ich doch, was mit den Rosenkriegen in England so alles auf uns Leser zukommen würde.
Letztenendes habe ich das Buch natürlich nicht zur Seite gelegt, wie auch, ich hab mich ja schließlich zwei lange Jahre auf diesen dritten Teil der Waringham-Trilogie gefreut. Und wie gesagt zu recht gefreut, denn das Buch war im Gegensatz zu den anderen Büchern von Rebecca Gablé erfrischend anders. Wo man zwischen „Das Lächeln der Fortuna“ und „Die Hüter der Rose“ vielleicht noch zu viele Parallelen gefunden haben kann, so sind hier doch einige wesentliche Punkte unterschiedlich und ein absoluter Plus-Punkt dieses Romans. Durch die Wirren der Rosenkriege ist das Buch sehr geschichtlich und politisch geworden und die Geschehnisse in Waringham, dem Gestüt und dem Dorf treten ein wenig in den Hintergrund, sind allerdings keineswegs vergessen. Vermutlich ebenso bedingt durch die Wirren der Rosenkriege fehlt in meinen Augen die dominierende hochadelige Hauptfigur, wie John of Gaunt oder Kardinal Beaufort, am ehesten schlüpft vielleicht der Earl of Warwick in diese Rolle, aber er dominiert lange nicht so wie ein John of Gaunt, aber wer kann schon gegen den „anstinken“.
Auch die männliche Hauptfigur auf Seiten der Waringhams ist im Gegensatz zu seinem Großvater Robin und Vater John doch mit ziemlich vielen Ecken und Kanten ausgestattet, es dauert, bis er erkennt, warum seine Ahnen Lancasterianer waren und er selbst sich dazu bekennt. Aber diese Unentschiedenheit, die in ihm deutlich wird, die Tatsache, dass er in Henry VI einen schwachen und geisteskranken Mann auf dem englischen Königsthron erkennt und vermutlich ein wunderbarer Freund für den späteren Yorkistenkönig Edward IV hätte werden können, ist gering im Gegensatz zu seinem Verhalten gegenüber seiner Frau. Himmel, bis kurz vor Schluss hätte ich Julian in seinen Allerwertesten treten können, so bescheuert hat er sich da teilweise verhalten. Seine Verhaltensweisen machen ihn manchmal zu einem Buch mit sieben Siegeln und das macht ihn soooo spannend, wenn auch nicht zwingend sympathisch. Es ist erfrischend, dass er mal kein so ein Waringham-Held ist, wie Robin oder John. Klar, auch John und Robin hatten ihre Fehler, aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich einen von ihnen mal so richtig bescheuert fand. Ich finde, dass Julian am realistischsten von allen Waringhams gezeichnet ist … John und Robin, na und vor allem Raymond hab ich immer gleich alles wieder verziehen. Aber Julian...neee, der ist echt ein anderes Kaliber! Ich glaub ich bin ein wenig auf diese schwierigen und vor allem "Nicht-Schwiegersöhne-Typen" gepolt. Julian ist einfach so spannend.
Eine weitere Neuheit war die zweite Hauptrolle auf Seiten der Waringhams, die durch Julians Zwillingsschwester Blanche verkörpert wurde und mit ihr ist Rebecca Gablé eine absolut tolle Figur gelungen. Blanche hab ich mit ihrem ersten Auftreten liebgewonnen und das hat gehalten bis zu Schluss, auch wenn ich extreme Angst um sie hatte! Das schöne hier ist, dass wir nicht nur eine zweite Hauptfigur auf Seiten der Waringhams haben, sondern dass diese auch mal weiblich sein darf, denn bislang kennen wir bei Gablé ja nur männliche Helden.
Bei den wichtigen Nebenfiguren, wenn man sie überhaupt als Nebenfiguren bezeichnen kann, haben mir vor allem Jaspar Tudor und Lucas Durham gefallen. Jaspar Tudor ist mindestens mal so klasse wie seine Vater Owen *hach* und dass Rebecca Gablé eine Verbindung zu den Durhams aus „Der König der purpurnen Stadt“ hergestellt hat, dafür werde ich ihr für immer und ewig dankbar sein. Mir kommt es hier so vor, als ob sie nochmal alle liebgewonnenen Nebenfiguren aus Teil 1 und 2 mit ihren Nachkommen auf die Bühne holt um den Kreis zu schließen. Mit Julians Rittern (Algernon Fitzroy, Lucas Durham und Frederic of Harley) wurden Edward Fitzroy und Leofric nochmal "lebendig", mit Lucas wie gesagt Jonah und dann lernen wir auch noch Mortimer Welles kennen, ein Nachfahre von Mortimer Dermond bzw. eher seinem Sohn, den wir Gablé-Leser ja viel lieber mochten als seinen Vater.
Aber auch bei den noch kleineren Rollen sind einige dabei, die ich wirklich mag, u.a. Annabel und Kates Sohn Roland, aber gut, der ist ja auch wieder ein Waringham *hach*, aber der hat wirklich einen ganz tollen Charakter und ein großes Herz!!!
Neben den vielen Nachkommen der liebgewonnenen Charaktere aus „Das Lächeln der Fortuna“ und „Die Hüter der Rose“, hat mir besonders gut gefallen, dass Rebecca Gablé auch andere „Kleinigkeiten“ aus diesen Büchern wieder an Tageslicht geholt hat, so beispielsweise eine Nachricht John of Gaunts an Robin oder Mortimers Gedichteband. Das war herrlich, ebenso der alte Baum im Kloster St. Thomas, der Robin bei seiner Flucht und jetzt Julian so nützlich war. Und dann hat Julians Sohn Robin auch noch wie sein Urgroßvater an Dreikönig das Licht der Welt erblickt.. Ach ja, irgendwie schließt sich der Kreis, auch wenn ich es nicht so richtig wahrhaben will, dass jetzt erst mal mit den Waringhams Schluss sein soll. Ich bilde mir ein, das eine oder andere offene Hintertürchen in dem Buch gefunden zu haben und vielleicht kehrt die Autorin ja doch irgendwann wieder zu den Waringhams zurück. Es wäre so schön, denn irgendwie ist Waringham wie ein zweites Zuhause für mich und die Familie ein Teil der Familie geworden. Und außerdem will ich nur mal eins anmerken, der alte Bergfried von Waringham ist NICHT hässlich, auch wenn die Bewohner das immer wieder standhaft behaupten. Aber wer wissen will wie die Burg aussieht sollte mal bei Rebecca Gablé auf der Homepage nachschauen, da gibt es weitere schöne Extras!
Es ist ein wunderbares Buch, das mir viele Nächte meinen Schlaf geraubt hat und ich hätte wirklich nichts gegen eine Roman zur Zeit der Tudors, vielleicht mit einem Robin junior, der von all unseren Lieblingen ganz viel mitbekommen hat:
Den Namen vom Uropa, er kämpft auf dem Feld wie sein Opa John, er versteht die Wirren der Politik wie sein anderer Opa, Bischof Beaufort, er ist ein Herzensbrecher wie Raymond *hach* und und er wird wohl als Ältester Waringham erben. Und wenn Edward dann noch im Dienste Seiner Majestät Seefahrer spielen darf, dann würde ich mich echt auf eine Wiederlesen freuen, aber was auch immer die Autorin in den nächsten Jahren angehen will: ich freu mich drauf!!!
Bewertung:
lg
kathrin