Inhalt (Klappentext)
Berlin, 1896: Für die junge Fabrikantentochter Amely bricht eine Welt zusammen, als sie erfährt, dass ihr Vater sie mit einem deutlich älteren Verwandten verheiraten will. Kilian Wittstock ist märchenhaft reich – und er lebt am anderen Ende der Welt. Als einer der mächtigsten Kautschukbarone beherrscht er das Amazonasgebiet. Schweren Herzens macht sich Amely auf die Reise über den Ozean. In Manaus erwartet sie ein fremdes, exotisches Leben voller Luxus und ein ebenso exzentrischer wie brutaler Ehemann. Erst als ein dramatisches Ereignis sie mit dem Indianer Aymáho zusammenführt, erfährt Amely, was Liebe bedeutet. Aymáho weckt in ihr tiefe Gefühle und nie geahnte Leidenschaft. Doch ihr gemeinsames Glück ist bedroht durch ein Geheimnis, das Aymáho in sich trägt.
Eigene Meinung
Der Roman ist neben einem Prolog und einem Epilog gegliedert in drei größere Abschnitte. Im ersten Teil lernt der Leser die Berliner Fabrikantentochter Amely kennen und begleitet sie von Berlin quer durch den tropischen Dschungel in die laute und schrille Stadt Manaus, die zur Blütezeit des Kolonialismus das „Paris der Tropen“ genannt wird. Die Autorin zeigt mit sehr bildhaften Beschreibungen die Schönheit und Intensität des tropischen Amazonasgebietes und im Kontrast dazu die Auswüchse einer unglaublichen Dekadenz der gehobenen Kreise, die sich durch den unermesslichen Reichtum der Kautschukbarone entwickelt hat. Amely spürt sehr schnell den Widerspruch von Sein und Schein. In der besseren Gesellschaft kommt es nur darauf an, seinen Reichtum möglichst aufdringlich zu präsentieren, während menschliche Werte eine unbedeutende Rolle spielen. Isabel Beto ist in diesem Teil des Buches sehr gesellschaftskritisch und zeigt die unwürdigen Lebensbedingungen der ärmeren Bevölkerung schonungslos auf, die im Dienste der Kautschukbarone ausgebeutet werden und ein Sklavendasein fristen.
Im Mittelteil des Romans werden wir entführt zu einem Indiostamm der im Dschungel im Einklang mit der Natur lebt. Aber auch da ist nicht alles erfreulich, manche Eigenheit oder mancher Ritus erscheint uns sehr brutal und auch unmenschlich. Im Nachwort schreibt Beto, dass die geschilderte Alltagskultur des fiktiven Stammes der Yayasacu dem Stamm der Yanomani nachempfunden ist mit nur wenigen Ergänzungen, die der schriftstellerischen Freiheit entspringen.
Dennoch hatte ich beim Lesen den Eindruck, dass dieser Indiostamm sämtliche Klischees erfüllt, die ich irgendwann mal über Indios aus dem Amazonas gehört oder gelesen habe. Das ist allerdings mein rein subjektives Empfinden.
Ich habe mich beim Lesen dieses Teiles etwas schwer getan. Einerseits empfand ich viele Abschnitte als sehr langatmig aufgrund ausschweifenden „Liebesgesäusels“, andererseits war mir manches einfach zu abgefahren.
Im dritten Teil kehrt Amely zu ihrem Ehemann „in die Zivilisation“ zurück. Leider konnte dieser Teil nicht mehr an die Glaubwürdigkeit und die Atmosphäre des ersten Teils anknüpfen. Die Dialoge wirkten für mich aufgesetzt und unnatürlich. Das für Amely und ihre große Liebe glückliche Ende konnte mich nicht wirklich überzeugen.
Sprachlich hat mir der Roman sehr gut gefallen. Er ist angenehm flüssig und abwechslungsreich geschrieben. Manchmal schockiert die Autorin mit Ausdrücken wie „Neger“ und „Wilde“, andererseits beschwört sie fast märchenhafte Bilder herauf, die aber gleich wieder kontrastieren mit Gewalt und Brutalität. Mit sehr viel Sorgfalt wird die Geräuschkulisse aufgebaut. So meint man im Hintergrund Grillenzirpen oder Aras zu hören und fühlt förmlich das bedrohliche Rascheln im undurchdringlichen Unterholz.
Die Charakterisierung der Personen hat mir leider weniger gut gefallen. Amely macht zwar durchaus eine Entwicklung durch, sie blieb mir aber bis zum Schluss unnahbar und ich fand ihr Handeln teilweise nicht nachvollziehbar. Das gleiche gilt für die männlichen Protagonisten, die für mich mit Ausnahme meines Lieblingscharakters, des Herrn Oliveira, zu eindeutig auf der Schwarz/Weiß Skala einzuordnen sind.
Obwohl ich mich nach dem ersten Drittel etwas durch dieses Buch durchkämpfen musste, haben mir einzelne Aspekte sehr gut gefallen. Mir wurde ein weiterer Mosaikstein der deutschen Kolonialgeschichte eindrücklich näher gebracht. Einen Extrapunkt gibt es für die gesellschaftskritischen Aspekte, die mich zum Nachdenken gebracht haben. Ich sehe bei der ausbeuterischen Gewinnung des Rohkautschuks durchaus Parallelen zu heutigen menschenunwürdigen Zuständen in Coltan-Minen im Kongo, bei der Produktion von Billigkleidung in Asien und in manch anderem Bereich.
Von mir eine eingeschränkte Leseempfehlung mit und