Ich hatte mich auf dieses Buch wirklich gefreut, hatte Lust auf eine große Portion Herzschmerz, und große Erwartungen wegen der ganzen positiven Meinungen. Ungefähr bis zur Hälfte hat es mir auch unheimlich gut gefallen, und ich konnte die ganze Begeisterung nachvollziehen. Auch ich konnte es kaum aus der Hand legen, habe mir sogar ein weiteres Moyes Buch gekauft.
Aber ab der Mitte wurde es schwierig und für mich unglaubwürdig. Ich hab mich jetzt nicht weiter mit Jojo Moyes beschäftigt, und warum sie den Roman ausgerechnet in diesem Rahmen angesiedelt hat. Ich frage mich aber, warum ein Autor ohne persönlichen Hintergrund überhaupt darüber schreiben soll/will. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Autorin einmal mit der Pflege eines Menschen in Berührung gekommen ist. Außer zur Buch-Recherche, damit ihr kein Fauxpas passiert. Mir kam es so vor, als wollte sie eine möglichst romantische Geschichte schreiben. Und benutzt dafür gewollt ein möglichst tragisches Schicksal.
Es sind romantische Vorstellungen, Hilflosigkeit (beiderseits), Klassenunterschied, das sarkastische Ekelpaket im Rollstuhl wird besänftigt, die harte Schale geknackt, erotische Spannung durch die wenigen körperlichen Momente („sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt“)... Pretty Woman, Die Schöne und das Biest, Stolz und Vorurteil.
Aber abgekauft hab ich es ihr schlussendlich nicht. Am Schluss musste ich nicht weinen, obwohl ich sonst gerne mal losheule. Sondern war eher verärgert. Umso mehr, als ich den Nachtrag gelesen habe, in dem auch noch extra darauf hingewiesen wird, wie toll all diese Betroffenen dieses Buch gefunden haben sollen. Als wollte man einer eventuellen Empörung schon vorweg greifen.
Über Sterbehilfe war mir das Buch viel zu trivial, und als Liebesgeschichte zu heikel. Diese gewollte Mischung fand ich zum Schluss sogar ein bisschen geschmacklos. Zuviel Pathos, ich konnte mich nicht darauf einlassen.
Ungefähr bis zur Hälfte fand ich es auch ganz hinreißend, romantisch und den Wortwitz wirklich komisch. Lou und ihre Familie wirken ehrlich und herrlich authentisch. (mein Liebling ist eindeutig Großvater! ) Wills Wandel vom Arschloch zum Charmebolzen ist unterhaltsam. (die Strumpfhosen waren süß, aber ab da wurde es mir zu gönnerhaft) Für mich hat es nicht funktioniert und mMn hat Moyes diese steile Kurve nicht gepackt. Kein Vergleich zu Filmen wie „Ziemlich beste Freunde“ oder „Das Meer in mir“, oder Bücher wie „Dienstags bei Morrie“.
Und bei aller Güte, wenn man sich als Autor dieses sensible Thema aussucht, finde ich es merkwürdig, dass man ausgerechnet diese Filme nicht gesehen bzw. die Geschichten dahinter nicht kennen will. Oder nicht wenigstens davon gehört hat. („Schmetterling und Taucherglocke“ kennt sie ja anscheinend auch)
Ich hätte auch noch ein paar Fragen für einen Lesezirkel:
- Wie romantisch wäre die Geschichte mit einer querschnittgelähmten Frau?
- Ist Sterbehilfe für depressive, nicht-behinderte Menschen legitim?
- Warum ist Hilflosigkeit romantisch? (eine Frage, die ich mir seit dem Bella-Edward-Phänomen stelle)
- Warum ist der Verzicht auf körperliche Liebe für Lou automatisch kein Thema, während es für Will mit ein Grund zum Selbstmord ist?
- Würde ein Samuel Koch dieses Buch ernst nehmen können?
Moyes kann kurzweilig und sehr unterhaltsam erzählen, hat ein schönes Gespür für Situationen und Dialoge. Aber von allzu schweren Themen sollte sie die Finger lassen. Ich könnte mir vorstellen, dass ich mich an einem anderen Buch weit weniger stoße, aber den Hype kann ich nicht nachvollziehen. "P.S. Ich liebe dich" hat mir besser gefallen.