Guten morgen!
Da gestern wirklich schlechtes Wetter war, hatte ich viel Zeit zum Lesen und bin im letzen Drittel des Buches.
Mir ist Kara's Oheim ziemlich ans Herz gewachsen. Er ist einerseits auch voller Zweifel über die fränkische Art zu malen, aber gleichzeitig ist er auch voller Bewunderung für diese. Er weist darauf hin, dass auch die zur damaligen Zeit herrschende Schule nicht frei von fremden Einflüssen ist. "Es gibt nichts Reines. [...] Wann immer in der Illustration, im Bild Wunder geschaffen werden, wann immer in einer Buchmalerwerkstatt etwas Schönes entsteht, das mir die Augen feucht werden und die Haare zu Berge stehn läßt, weiß ich, daß sich dort zwei verschiedene, bis dahin einander fremde Dinge vereint und ein neues Wunder hervorgebracht haben. " (S.217)
Die Schönheit der gesamten persischen Malerei verdankt man der Vermischung arabischer und mongolisch-chinesischer Bilder. Auch die Farbe Rot kam von außen (eine weitere Anspielung auf den Titel?). Die Angst vor fränkischer Malerei geht von der Annahme aus, man werde Allah verdrängen, vergessen und den Menschen in den Mittelpunkt stellen. "Es ist Allah, der das Nichtseiende ins Sein ruft, der das Leblose belebt. Niemand darf sich mit ihm messen. Daß die Maler sich unterfangen, Sein Werk zu tun, und behaupten, auch sie würden gleich Ihm erschaffen, ist die größte Sünde." meint der Mörder.
Und dann passiert das Schreckliche: der Oheim wird umgebracht und ich habe wieder das Gefühl, der Mord passiere aus einem unkontrolierbaren Impuls heraus. Der Mörder hat sich zwar mit dem Gedanken des Mordes gespielt, aber er war sich bis zum Schluss nicht sicher. Welcher der drei Illustratoren ist der wankelmütigste und impulisvste von allen? Das ist die Spur, die ich in etwa verfolge - neben den Pferdenüstern. Ist das nicht wunderbar, den alten Meister Osman bei dem Durchblättern all der alten Bücher erleben zu dürfen?
Saltanah, Kara heißt "schwarz" auf türkisch und der Sultan wird in der deutschen Ausgabe manchmal Sultan, aber meisteins Padischah genannt.
Es ist witzig, ich habe gestern mit meinem Freund über das Buch geredet ohne Dein Posting gelesen zu haben finsbury. Er hat es vor ein paar Wochen gelesen und hatte genauso wie Du das Gefühl in einem Kaffeehaus zu sitzen und den sich wechselnden Erzählern zuzuhören.
Seküre gegenüber hege ich gemischte Gefühle. Einerseits bewundere ich ihre Selbständigkeit, v.a. wenn man den historischen und kulturellen Kontext bedenkt. Andererseits gefallen mir ihr Hochmut und ihre Launenhaftigkeit überhaupt nicht. Kara ist zwar naiv und voll des kindlichen Glückes ob dieser Heirat, vielleicht braucht er eine harte Hand, die ihn führt - aber hin und wieder geht sie zu weit.
Zum Beispiel wenn sie ihn bewusst mit ihren Worten verletzt, indem sie sagt, die Heirat war nur notgedrungen und ihn dann auch verdächtigt, Schuld an dem Tod ihres Vaters zu sein. Und im nächsten Moment küsst sie ihn leidenschaftlich und findet alles wunderbar.
Das Buch gefällt mir immer besser. Anfangs hatte ich kurz Zweifel, aber die sind schon längst verflogen. Ich glaube das lag daran, dass ich das Buch zwischendurch immer wieder ein bisschen gelesen habe. Es verdient aber die volle Aufmerksamkeit.
Liebe Grüße
nikki