Miep Gies - Meine Zeit mit Anne Frank

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 2.662 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kaluma.

  • „Das Tagebuch der Anne Frank“ ist eines der wichtigsten Dokumente über den zweiten Weltkrieg. Seine Leser haben sich wohl oft gefragt, wie das Leben ausserhalb des Hinterhauses verlaufen ist. Miep Gies, einer der Personen, die die Familie Frank versteckten, beantwortet mit ihrem Buch „Meine Zeit mit Anne Frank“ einige dieser Fragen.


    Miep Gies stammte ursprünglich aus Wien, wurde aber nach dem ersten Weltkrieg zur Erholung nach Holland geschickt, wo sie schließlich blieb. Sie war von Anfang an eine Gegnerin des Nationalsozialismus und hatte deshalb auch keine Vorbehalte, in der Firma des Juden Otto Frank zu arbeiten und - als die Situation für die Familie Frank unerträglich wurde – ihn zu verstecken. Anne Frank, die sie schon von Kind auf kannte, wuchs ihr in dieser Zeit besonders ans Herz. Miep Gies beschreibt ungeschminkt den Druck, dem die „Untertaucher“ ausgesetzt waren, die Enge, die persönlichen Konflikte, die Angst vor Verrat – und schließlich die Entdeckung.


    Anders als Anne Frank, die ja von der Aussenwelt abgeschnitten war, kann Miep Gies aber auch von der allgemeinen Lage in Amsterdam berichten. Viele kleine Begebenheiten illustrieren anschaulich, wie es im besetzten Holland war: Mieps jüdische Vermieterin, die verzweifelt einen Unterschlupf sucht; eine Nachbarin, die Miep vor der Deportation ihre Katze schenkt; die Schikanen durch die deutschen Soldaten; aber auch der Gemüsehändler, der erkennt, dass Miep „Untertaucher“ versteckt und ihr ungefragt mehr Ware mitgibt.


    „Meine Zeit mit Anne Frank“ ist ein bewegender, z.T. trauriger, aber nie verbitterter Zeitzeugenbericht. Eine wichtige Ergänzung zum „Tagebuch der Anne Frank“, aber auch unabhängig davon sehr zu empfehlen.


    4ratten


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links

    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Ich persönlich finde auch, daß dieses Buch eine tolle Ergänzung zum Tagebuch ist. So eindrücklich das Tagebuch auch das Leben im Versteck schildert, kann es doch wenig über das Leben draußen erzählen.


    Miep Gies beschreibt, wie sich das Leben einer ganzen Nation verändert und man bekommt einen Eindruck von dem großen persönlchen Druck, dem sie und ihr Mann ausgesetzt waren. Alleine schon die Schwierigkeit unter Essenszuteilungen zusätzliche Lebensmittel für die Versteckten aufzutreiben...eine enorme Verantwortung, vor denen sich sicherlich viele andere gescheut haben.


    LG :blume:
    Bianca

  • Ich find das Buch auch sehr empfehlenswert. Ich habe es schon vor einigen Jahren gelesen und habe mir deswegen die halbe Nacht um die Ohren geschlagen (ich glaub, bis um 4 oder 4.30 Uhr - aber es waren ja Ferien :breitgrins: ) und habe es am Stück verschlungen. Es ist wirklich sehr schön als Ergänzung zu Annes Tagebuch, aber auch für sich ist es ausgesprochen lesenswert.

  • Miep wird 1909 in eine arme Wiener Familie geboren. Die finanzielle Situation ist dermaßen angespannt, dass ihre Eltern ihre Tochter kaum ernähren können. Als 1920 Mieps Schwester geboren wird, leidet Miep bereits an einer schweren Unterernährung und daraus resultierenden Mangelerscheinungen. Auf ärztlichen Rat entscheiden sich ihre Eltern die Elfjährige im Zuge eines von Arbeitern organisierten Kindererholungsprogrammes nach Holland zu schicken. Ursprünglich ist ihr Aufenthalt für 3 Monate geplant - Miep wird aber bis auf Kurzbesuche nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren.
    1933 beginnt sie für Otto Frank in der Firma Travies und Co zu arbeiten. Frank ist vor kurzem aus Deutschland emigriert. Schnell entwickelt sich eine distanzierte Freundschaft zwischen Miep und Frank. 1938 vollzieht Österreich den Anschluss an Deutschland. Kurz darauf muss Miep ihre Aufenthaltsgenehmigung in ihrer Wahlheimat verlängern lassen. Zwar fühlt sie sich schon seit vielen Jahren als Holländerin, sie hat sich aber noch nicht um die passende Staatsbürgerschaft gekümmert. Zu ihrem Entsetzen muss sie nun feststellen, dass ihr alter Pass eingezogen wird und sie statt dessen einen neuen deutschen Pass ausgestellt bekommt.

  • Mieps Situation wird drängend. Kurz nachdem sie ihren deutschen Pass erhielt, bekam sie Besuch von der Leiterin der hiesigen NS-Frauenschaft. Da Miep bereits zu diesem Zeitpunkt die Nazis verabscheute, weigerte sie sich beizutreten. Nach der Annexion Hollands wird ihr Pass deswegen für ungültig erklärt. Sie muss binnen drei Monaten ihr geliebtes Holland verlassen. Um ihren Verlobten Henk heiraten zu können und damit offiziell Holländerin zu werden, braucht sie aber einen gültigen Pass.


    Mich fasziniert, dass Miep durch eine Laune des Schicksals in Holland gelandet ist. Mit ihr wurden 1920 sicher hunderte Kinder nach Holland zur Erholung geschickt, sie ist aber nicht mehr nach Wien zurück gekehrt. Ihre Pflegeeltern lehren sie politisch zu denken und eine eigene Meinung zu vertreten. Wie anders wäre ihr Leben wohl in Wien verlaufen? Wer weiß, vielleicht hätte sie sich in einem Paralleluniversum in Wien über den Anschluss an Nazi-Deutschland gefreut und wäre eine begeisterte Nazi geworden. Wie sehr beeinflussen Umwelt und Erziehung wirklich die charakterliche und soziale Entwicklung eines Menschen?

  • "Eine Heldin bin ich nicht" sagt Miep Gies über sich selbst. Dabei hat sie in der schwärzesten Zeit des zwanzigsten Jahrhundert acht versteckte Juden mit allem Nötigen versorgt - Essen, Kleidung, Bücher und vor allem menschliche Wärme. Man erfährt, wie sie an Lebensmittelkarten für die "Hinterhäusler" kam und wie schwierig es wurde, jeden Tag aufs Neue Essen für zehn Personen aufzutreiben. Sie achtet dabei nicht auf die Gefahr, in der sie selbst schwebt. Um die Wohnung und die persönlichen Gegenständen ihrer jüdischen Vermieterin, die auch in einem Versteck lebt, für diese zu sichern, lässt sie sich mit ihrem Mann als neue Besitzer eintragen - obwohl dies verboten ist, denn jüdische Wohnungen werden von den Nazis zuerst ausgeräumt und danach an verdiente Parteimitglieder weiter gegeben. Später verstecken sie in dieser Wohnung auch noch einen jungen Holländer und Henk schließt sich dem holländischen Widerstand an. Als die Franks verraten werden, versucht Miep vergeblich, ihre Freunde im Hauptquartier der Gestapo frei zu kaufen.
    "Meine Zeit mit Anne Frank" ist die beeindruckende Lebensgeschichte einer mutigen Frau, die bis an ihr Lebensende überzeugt war, nichts besonderes getan zu haben, sondern nur das, was aus Menschlichkeit sein musste.


    5ratten

  • Ich kann mich den positiven Beurteilungen nur anschließen. Ich habe das Buch vor ca. 15 Jahren mit großem Gewinn gelesen und erinnere mich immer noch gern daran. Es war sehr interessant, einmal die Außensicht auf die Familie Frank und die übrigen Versteckten, die man aus Anne Franks Tagebuch kennt, sowie die sonstigen Begleitumstände zu gezeigt bekommen. Und Miep Gies ist (bzw. war) eine beeindruckende Persönlichkeit.

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.