Adam Davies - Goodbye Lemon

Es gibt 3 Antworten in diesem Thema, welches 2.313 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

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    Über den Autor:


    Adam Davies, 1971 in Louisville, Kentucky, geboren, arbeitete nach seinem Literaturstudium an der Syracuse University als Lektoratsassistent beim Verlag Random House, New York, danach als Dozent für Englische Literatur an der University of Georgia und am Savannah College of Art & Design. Heute pendelt er zwischen Brooklyn, New York, und Savannah, Georgia. Nach seinem fulminanten Roman-debüt, ›Froschkönig‹, stellte er mit dem Roman ›Goodbye Lemon‹ sein Erzähltalent ein weiteres Mal unter Beweis.




    Klappentext:


    Hätte Jack Tennants Familie einen Schlachtruf, es wäre gemeinsames jahrelanges Schweigen ... über ein tragisches Familiengeheimnis. Aber jetzt droht Jacks neue Liebe Hahva, ihn zu verlassen, wenn er sie nicht einweiht. Und sein verhasster, seit einem Schlaganfall stummer und gelähmter Vater droht das Geheimnis mit ins Grab zu nehmen; er ist der Einzige, der weiß, was damals wirklich geschehen ist. Jack muss handeln – und zwar schnell. Ein berührender, urkomischer und mit schwarzem Humor gespickter Roman über Trauer, Erinnern und Vergebung.




    Meine Meinung:


    Nachdem ich “Goodbye Lemon” innerhalb von zwei Tagen gelesen hatte, war meine erste Reaktion mich zu fragen, welcher arme Praktikant für dieses Werk den Klappentext schreiben durfte, ohne es gelesen zu haben. Von “Jacks neuer Liebe Hahva” ist da Rede, die “droht ihn zu verlassen, wenn er sie nicht einweiht”. Auch von seinem Vater wird gesprochen, “der droht das Geheimnis mit ins Grab zu nehmen”, weil “er [ist] der Einzige ist, der weiß, was damals wirklich geschehen ist”, aber sich nicht mehr äußern kann. Warum? Seit einem Schlaganfall ist er gelähmt und stumm, kann sich nur über’s Augenzwinkern mitteilen bzw. über ein Gerät namens Dynovox kurze, knappe Befehle geben, die seine Grundbedürfnisse befriedigen sollen.


    Was nach einer Familie klingt, die ein Familiengeheimnis hütet, welches sich um den verstorbenen Bruder Dexter, genannt Lemon, rankt, ist ein einziges Verwirrspiel, in dem Realität und Scheinrealität durchmischt werden. Für den Protagonisten Jackson richtet sich sein ganzer Hass, seine ganze Trauer, seine Aggressivität, die daraus entsteht, und die Hilflosigkeit gegen seinen Vater, gegen dessen Alkoholismus, insgesamt gegen seine Existenz. Für ihn ist klar, sein Vater, der zum Zeitpunkt des Todes seines Bruders die Aufsichtspflicht hatte, hat diese vernachlässigt und deswegen ist er ertrunken. Außerdem hat er die universitäre Karriere des älteren Bruders Press auf dem Gewissen, genauso Alkoholiker wie sein Vater; genauso eine gebrochene Existenz, die noch im Hause seiner Eltern wohnt, der kein eigenes Leben führen, keinen Job machen und keine Beziehung halten kann. Dazu gehört noch die kontrollsüchtige, neurotische Mutter, die ihren Söhnen hinterher wischt, hinterher räumt und im Eigentlichen keine eigenen Wünsche und keine Ideale hat. An all diesen Umständen ist der Vater Schuld - Er muss dafür büßen, dass er der Familie das schöne Leben zerstört und den kleinen Bruder Dexter ums Leben gebracht hat… glaubt zumindest Jackson.


    Es geht eigentlich weniger um den Bruder als vielmehr um die nicht aufgearbeitete Trauer, die nicht aufgearbeiteten Probleme und Konflikte innerhalb der Familie, die dazu führen, dass der Protagonist Jackson sich eine Wahrheit zimmert, die mit seinen Kindheitserfahrungen konform geht. Kein anderer, außerhalb dieser Familie, weiß von dem Geschehen und so ist die neue Freundin Hahva, die ihn im übrigen nicht die Wahrheit durch emotionale Erpressung entreißen will, ein Störfaktor - Sie stellt unangenehme Fragen, versucht hinter die Fassade zu kommen und dringt in Jacks Welt ein, die er so fest versucht hat vor ihr zu verbergen.


    Die sprachliche Aufbereitung erinnerte mich mit dem spritzigen, ab und an sehr flapsigen Stil an Nick Hornby. Die Trauer ist trotz der „urkomischen Geschichte“, wie amazon-Rezensentin Helga Kurz es nennt immer präsent, immer liegt ein leichter, melancholischer Schatten über dem Erzählten, trotz der leichten Erzählweise. Wie ein Krimi lässt sich dieses Werk lesen – Man findet einen Täter, den Vater vor; man sucht nach den Hintergründen und vor allem nach den Ursachen, wie eine ganze Familie so emotional gestört, ja, zerstört werden konnte. Oder aber man liest dieses Buch wie eine Fallstudie. Eine Fallstudie über zerstörte Existenzen – wie sehr Alkoholismus den Menschen, nicht körperlich, auch psychisch, nachhaltig schädigt und wie sehr am Ende Angehörige und Bekannte darunter leiden.


    Eine lohnende Lektüre, eine spannende Lektüre.
    Sowohl handwerklich als auch inhaltlich spannend, mit vielen Geheimnissen umwobene, skurrile Geschichte mit liebevoll, gezeichneten, schrägen Charakteren.


    Ich sage nur noch eines: Wer dieses Werk lesen möchte, sich dafür interessiert, den heiße ich wie Jackson „willkommen im Sellbstmordpalast“.




    Bewertung:


    5ratten

  • Autor: Adam Davies
    Titel: Goodbye Lemon
    Verlag: Diogenes
    Seiten: 352
    erschienen: September 2008


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    Den Inhalt hat Desdemona bereits wiedergegeben, deshalb hier nur meine Meinung:


    Ich bin mit relativ hohen Erwartungen an die Lektüre gegangen, schließlich wurde "Goodbye Lemon" in vielen Besprechungen hoch gelobt. Der Klappentext las sich auch recht vielversprechend.


    Positiv sind mir sofort die recht kurzen Kapitel aufgefallen und die kryptischen Titel der Selbigen. Trotz der schönen Sprache fand ich nicht so leicht in die Handlung hinein. Anfangs erschienen mir einige Kurzkapitel (die teils sogar nur 1/2 Seite lang waren) sogar völlig verwirrend und nicht zur Handlung gehörend. Dieses Gefühl legt sich allerdings relativ schnell, sobald man sich auf die Schreibweise eingelassen hat.
    Die Handlung hat zwar verwandt, allerdings nicht unmittelbar mit den auf dem Klappentext geschilderten Ereignissen zu tun. Adam Davies arbeitet die Familiengeschichte aus der Sicht von Jack, dem mittleren Sohn von insgesamt dreien auf. Jack kehrt nach jahrelanger Abwesenheit nach Hause zurück und das nur, weil seine Freundin ihn dazu drängt. Jacks Vater hat einen Schlaganfall erlitten und nun soll die Familie zusammenhalten. Im Elternhaus ist jeder so mit sich selbst beschäftigt, dass eigentlich niemand auf den jeweils anderen achtet. Jeder strickt sich die Umgebung und die Wahrnehmung des Geschehens so zusammen, wie es ihm passt. So dauert es nicht lange, bis sich die ersten Probleme auftun und Jack immer tiefer in seine Vergangenheit hineintaucht. Er beginnt sich mit der lange nicht ausgesprochenen Familientragödie auseinanderzusetzen und verliert sich dabei fast selbst.


    Am besten in diesem Buch gefielen mir die letzten 50 Seiten. Vorher habe ich mich die ganze Zeit mehr oder minder gefragt, was mir Adam Davies eigentlich sagen will. Ich kam nicht gut mit dem Plot zurecht und meine hohen Erwartungen kann dieses Buch leider nicht erfüllen. Aber wie eben schon erwähnt, die letzten 50 Seiten versöhnen mich etwas, weswegen ich Davies wohl auch noch einmal mit einem anderen Roman eine Chance geben werde.


    Fazit: Ein wahrer Tripp mit dem benzingetränkten Schlüpfer zur Hölle, wie es in diesem Buch so schön heißt. :breitgrins:


    2ratten und :marypipeshalbeprivatmaus:


    Viele Grüße,
    Muertia

    :lesen: Rebecca Gablé - Der dunkle Thron<br />SuB: 6 (+16 bereits bestellte Bücher, um den SuB mal ein wenig aufzuwerten)

  • Jack hatte seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Familie, er wollte vor allem nichts mehr mit seinem verhassten Vater zu tun haben. Er gibt ihm nicht nur die Schuld am Tod seines damals 5jährigen Bruders, sondern auch eine große Teilschuld daran, dass sein eigenes Leben so miserabel gelaufen ist und er, statt Karriere zu machen, sich nur mit diversen Nebenjobs über Wasser halten kann. Als sein Vater nach einem Schlaganfall fast vollständig gelähmt ist, lässt er sich dazu überreden "ein letztes Mal" nach Hause zurückzukehren, hauptsächlich von dem Wunsch seiner Freundin getrieben, die endlich seine Familie kenne lernen will. Sie hat Probleme mit seiner Zurückhaltung, damit, dass Jack freiwillig praktisch keine privaten Informationen von sich gibt und hofft, über den Umweg seiner Eltern und seines (lebenden) Bruders mehr über sein Inneres zu erfahren. Doch stattdessen zieht Jack sich mehr und mehr zurück.


    „Goodbye Lemon“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie das Leben einer ganzen Familie verpfuscht wird und das hauptsächlich durch Sprachlosigkeit. Man sieht das ganze Buch hindurch alles nur durch Jacks Augen, teilt seine Meinung, doch am Ende, wenn so einige Wahrheiten herauskommen, ist man entsetzt darüber wie groß die Irrtümer und Missverständnisse waren und wie glücklich die Familie vielleicht doch hätte sein können, wenn nicht jeder seine Gefühle versteckt hätte, sondern die Familienmitglieder einfach mal offen miteinander geredet hätten.


    Leider ist Jack in seiner Verbohrtheit keine angenehme Person, ich konnte kein Verständnis für sein Verhalten entwickeln und dadurch war das Buch für mich manchmal recht sperrig und keine wahre Freude zu lesen – interessant war es allerdings durchaus.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Jack Tennant ist Anfang dreißig und blickt auf ein Leben zurück, das im wesentlichen aus einer Aneinanderreihung von Misserfolgen besteht (die er größtenteils aber nicht selbst verschuldet hat). Eigentlich hatte er sich geschworen, nie wieder nach Hause zurückzukehren, aber auf Drängen seiner Freundin Hahva hin tut er es doch, als sein Vater einen schweren Schlaganfall erleidet und zwar aus dem Koma wieder erwacht, sich aber weder bewegen noch verständlich machen kann.


    Die Rückkehr nach Maryland katapultiert Jack zurück in die Vergangenheit, und das mit einer Wucht, die ihn ziemlich aus der Bahn wirft. Seine Mutter ist noch genauso zwanghaft ordentlich, sein Bruder Press immer noch ein versoffener Loser, und auch daran, dass niemand je über Dexter spricht, den Mittleren der drei Söhne, der als Kind im See ertrunken ist, hat sich nichts geändert. Der einzige Beweis, dass es Dex überhaupt gegeben hat, ist einer seiner orangefarbenen Flipflops, den Jack wie einen Schatz hütet. Heimlich, versteht sich. Nicht einmal Hahva weiß davon - aber die weiß auch nicht, dass Jack ursprünglich einmal zwei Brüder hatte.


    Mit all der Heimlichtuerei muss endlich Schluss sein und er muss sein Leben auf die Reihe kriegen, findet Jack. Dazu trinkt er erst einmal gemeinsam mit seinem Bruder jede Menge Schnaps und tut auch einige andere mehr oder weniger bescheuerte Dinge, die nicht unbedingt hilfreich sind bei der Auseinandersetzung mit seiner Familie und ihren Geheimnissen, bis ihm klar wird, worauf es ihm eigentlich wirklich ankommt.


    Der Prolog macht neugierig auf das Buch. Jack beschreibt seinen Bruder, ganz so, als könne er sich detailliert an ihn erinnern, nur um ein paar Zeilen später zu schreiben, vielleicht sei er ja auch ganz anders gewesen und traurig festzustellen, dass er kaum noch etwas weiß über seinen Bruder. Die Macht der Erinnerungen, aber auch deren Unzuverlässigkeit oder ihr gänzliches Fehlen sind ein Hauptthema des Buches, in dessen Mittelpunkt der tragische Verlust eines Kindes steht, den keiner der Familienmitglieder je aufgearbeitet hat.


    Leider gefiel mir das Ganze lange nicht so gut wie erhofft. Die Ansätze der Geschichte versprachen viel, aber die Charaktere waren mir zu stark überzeichnet, die Gags zu grell und auch mit der Sprache wurde ich nicht so recht warm (letzteres kann aber auch gut an der Übersetzung gelegen haben). Etwas weniger Alkoholkonsum oder Kneipengerangel hätten sicher auch nicht geschadet. Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, was genau mich gestört hat, aber irgendwie war das Gesamtbild des Buches für mich nicht stimmig. Vielleicht lag es daran, dass Jack auf mich eher wie ein verquerer Teenager wirkte als wie ein Mann Mitte 30.


    Schade eigentlich, denn Potential hätte der Plot durchaus gehabt (und wurde auch immerhin zu einem überzeugenden Ende gebracht).


    3ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





    Einmal editiert, zuletzt von Valentine ()