F.M. Dostojewskij - Schuld und Sühne (6. Teil & Epilog)

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  • Kapitel 1 bis 6:


    Diese Kapitel handeln fast ausschließlich von Swidrigailow. Während ich mich im 5. Teil noch darüber mokierte, dass immer mehr Personen mit eigenständigen Geschichten und Schicksalen in dem Roman vorkommen, finde ich diesen Aspekt inzwischen sehr interessant. Meine Ansicht, dass diese Figuren zwei bestimmte Aufgaben haben, ist unverändert. So sollen sie 1) Rodjas Charakter und Ansichten aufzeigen und 2) die Missstände etc. der damaligen Zeit verdeutlichen.


    Erst jetzt ist mir auch aufgefallen, dass diese Figuren fast nichts Positives erfahren dürfen. Selbst scheinbar glückliche Menschen, wie Rasumichin, sind davon betroffen. Jede dieser Figuren muss Armut, Dreck, Verwahrlosung oder Einsamkeit, schlicht Unglück und Leid in jeder erdenklichen Form erfahren. Bemerkenswert finde ich dabei, dass dabei selbst "hässliche" Charaktere, wie Swidrigailow und seine Vorliebe für Kinder (sogar Luschin mit seinen Heiratsabsichten), als menschlich, oft sogar sympathisch erscheinen. Dadurch, dass Dostojewskij auch das Innenleben dieser Personen (ihre Gedanken, Ängste, Hoffnungen etc.) zeigt, kann ich sogar für Swidrigailow Mitleid empfinden.


    Noch bemerkenswerter ist allerdings, dass sich scheinbar jede Figur im Roman auf irgendeine Art und Weise schuldig gemacht hat. Interessant ist dabei auch, dass viele von ihnen ihre Schuld am Ende bereuen (Sonjas Eltern, Swidrigailow, sogar Porfirij - Luschin andererseits, der nicht bereut, habe ich schon beinahe vergessen, während ich mich an die Anderen noch deutlich erinnern kann). Einzig Rodja hat mit keiner Silbe erwähnt, dass er sich schuldig fühlt. Bis jetzt haben nur andere gesagt, dass er Schuld empfindet und Rodja hat nicht widersprochen, er hat es sich wohl auch eingestanden - aber gesagt hat er es (noch) nicht.


    Inzwischen wissen ja schon einige von Rodjas Verbrechen und schützen ihn, weil sie ihn lieben (Sonja & Dunja) und schätzen (Porfirij & Swidrigailow). Wird sich Rodja am Ende sogar stellen, nur um von den geliebten Menschen die Last des Wissens und die Schuld des Schweigens zu nehmen? Ich bin gespannt.


    Liebe Grüße,
    bimo :winken:

  • Ende



    Einzig Rodja hat mit keiner Silbe erwähnt, dass er sich schuldig fühlt. Bis jetzt haben nur andere gesagt, dass er Schuld empfindet und Rodja hat nicht widersprochen, er hat es sich wohl auch eingestanden - aber gesagt hat er es (noch) nicht.


    Wird sich Rodja am Ende sogar stellen, nur um von den geliebten Menschen die Last des Wissens und die Schuld des Schweigens zu nehmen? Ich bin gespannt.


    Spannend blieb es in dieser Beziehung bis zum Ende: Rodja hat bis zum Schluss geleugnet, dass er für die Tat selbst (moralische) Schuld trägt und ist anscheinend nur aus persönlichen Gründen ins Gefängnis gegangen und nicht, weil es richtig wäre. Als ich das Buch beendet hatte, war ich erst einmal etwas enttäuscht ob diesem Ende. Inzwischen habe ich die Geschichte einige Tage sacken lassen und bin nicht mehr enttäuscht, sondern empfinde den Schluss eher unbefriedigend - aber nur weil Rodjas Schuldanerkennung, Wiedergeburt etc. in einigen wenigen Abschlusssätzen angedeutet wird und ich gern mehr darüber gelesen hätte (ja, ja, die weibliche Neugier :zwinker:). Aber wie Dostojewskij selbst schrieb, das ist wieder eine andere Geschichte...


    Naja, trotzdem denke ich, dass Rodja sich 1) aus Liebe zu Sonja und Dunja und 2) wegen seiner Gewissensbisse gestellt hat. Er leugnet dies zwar bis zum Ende, aber seine Gedanken und Handlungen sprechen ja für sich (so erhofft er sich mit dem Geständnis Ruhe - es steht nicht im Buch, aber für mich bedeutet dies 'Ruhe für sein Gewissen').


    Am Ende hatte Dostojewskij sogar noch ein paar Überraschungen parat. Ich war ziemlich überrascht, dass Rodja - ohne Rücksicht auf sein Leben und sein Wohlergehen - anderen das Leben gerettet hat. Solche Taten hätte ich ihm wirklich nicht zugetraut. Dostojewskij hat diese Information wirklich geschickt bis zum Ende verborgen, vielleicht um dem Leser damit nicht zu früh zu verraten, dass Rodja am Ende doch das Richtige tun wird...


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    Mir ist erst ziemlich spät aufgefallen, eigentlich erst nach Beenden der Lektüre, dass Rodja immer weniger Platz in dem Roman einnimmt. Während die ersten Kapitel fast ausschließlich seine Gedanken wiedergaben, ist dies immer mehr in den Hintergrund gerückt und andere Handlungen/Personen standen im Vordergrund. Das ist so unauffällig geschehen, dass mir das erst nach Beenden des Buches aufgefallen ist. So beschäftigen sich die ersten Kapitel mit den wirren Gedanken und (Schuld-)Gefühlen des Täters, während danach die rationalen Meinungen (bezüglich der Tat) von anderen Personen immer mehr im Vordergrund stehen und der Leser erst durch sie die ganzen Ausmaße und Zusammenhänge des Verbrechens und des Verbrechers erfährt.


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    Das Nachwort meiner Ausgabe (Winkler) habe ich nur überblättert (ich fand es tatsächlich schwieriger zu lesen als den ganzen Roman :rollen:). Ein paar Punkte fand ich jedoch ziemlich interessant: Dostojewsij wollte keine Kritik an den Verantwortlichen üben (das Straflager hat ihn in dieser Hinsicht kuriert), sondern nur die Missstände aufzeigen. Die einzige Kritik gilt der "Vätergeneration", die versagt hat (als Beispiel wird Rodjas Vater und die Episode mit dem Pferd genannt und dass fast ausschließlich junge Leute im Roman vorkommen) und die die "Jungen" hilf- und ziellos zurückgelassen hat - darum auch die Betonung auf das Russische, die russische Tradtion, die als einzige gut ist. Die verschiedenen Titel - Schuld und Sühne und Verbrechen und Strafe - verweisen auf Sonjas und Porfirijs Ansichten zu der Tat. Swidrigailow fungierte als Rodjas "andere Möglichkeit". Und, was mich am meisten überrascht hat, die gesamte Handlung findet innerhalb von 15 Tagen statt - mir sind es wie Monate vorgekommen...



    So, das sind meine wichtigsten Gedanken und nun fällt mir nix mehr ein.


    bimo :winken:

  • Soo,...netterweise weist mich selbst der Thread gerade darauf hin, dass hier seit 120 Tagen nichts geschrieben wurde und fragt mich, ob ich sicher bin, dass ich etwas schreiben will.
    Ja ich bin sicher,...ich bin nämlich fertig.


    Ich habe mich lange gefragt, wie das Ende aussehen würde. Es bestand ja auch die Möglichkeit, dass Rodja sich umbringt. Klar war nur, dass es so nicht weiter gehen konnte. Er war ja ständig geistig abwesend und irrte durch die Strassen ohne zu wissen wo er war.


    Das Gespräch mit Swidrigailow verlief so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Auch das es ihm um Dunja geht, war irgendwie klar. Aber dass er Raskolnikow am Ende nicht verrät, hat mich doch überrascht. Ich habe Swidrigailow für einen viel hinterhältigeren und gemeineren Menschen gehalten, als er eigentlich ist. Ich war der festen Überzeugung, dass Dunja ihn abweist und er darauf hin aus Rache Raskolnikow verrät.
    Er ist der erste Charakter in diesem Buch, der mich mit seiner Handlung wirklich überrascht (abgesehen von Raskolnikow selbst).



    Erst jetzt ist mir auch aufgefallen, dass diese Figuren fast nichts Positives erfahren dürfen. Selbst scheinbar glückliche Menschen, wie Rasumichin, sind davon betroffen. Jede dieser Figuren muss Armut, Dreck, Verwahrlosung oder Einsamkeit, schlicht Unglück und Leid in jeder erdenklichen Form erfahren.


    Das ist mir auch aufgefallen. Die Armut ist ein sehr großes Thema. Die gesammte Geschichte hat insgesammt etwas deprimierendes, man weiß nie wer als nächstes ins Unglück stürzt. Ich hatte die ganze Zeit Angst um Dunja, da man nie wissen konnte zu was sie aus Liebe zu ihrem Bruder fähig ist. Das Elend nimmt kein Ende. Selbst die Hochzeit von Rasumichin und Dunja wird als traurig beschrieben.


    Am Ende stellt sich Rodja, aber er empfindet keine Reue. Ich kann auch nicht sicher sagen, ob ich den Teil mit der "Wiedergeburt" als Anflug von Verstehen und Reue deuten soll.
    Ich bin noch sehr verwirrt darüber. Ich schließe mich hier Bimo an,...ich finde dieser Teil hätte um ein paar Seiten länger sein können. Immerhin haben wir lange 700 Seiten mit Raskolnikow seine Verwirrungen und Qualen durchlitten.


    Liebe Grüße
    Nina

    &quot;Bücher sind Spiegel: Man sieht in ihnen nur, was man schon in sich hat&quot;<br />Carlos Ruiz Zafón<br />:lesen: