John Ajvide Lindqvist - So ruhet in Frieden

Es gibt 26 Antworten in diesem Thema, welches 8.348 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Bluebell.

  • @Annabas: Die Abschnitte mit Mahler und seinem Enkel fand ich auch ziemlich hart. Zugleich fand ich diesen Teil der Geschichte sehr ausdrucksstark. Ich bin gespannt auf deine Eindrücke. :winken:

    Liebe Grüsse Hanni 8)

  • John Ajvide Lindqvist – So ruhet in Frieden
    Übersetzer: Paul Berf


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    Inhaltsangabe: (dem Buch entnommen)


    Stockholm, 13. August 2002: Nach einer extremen Hitzewelle legt sich ein elektrisches Feld über die Stadt. Lampen können nicht mehr gelöscht, Geräte nicht mehr ausgeschaltet werden. Die Menschen leiden unter mörderischen Kopfschmerzen, ein Chaos droht. Doch plötzlich ist alles wieder vorbei. Oder doch nicht? Irgendetwas ist anders als vorher. Als der pensionierte Journalist Gustav Mahler einen Anruf aus dem nahegelegenen Krankenhaus bekommt, will er nicht glauben, was man ihm berichtet: Die Toten seien erwacht ...


    Der erste Satz:


    „Salud, comandante.“


    Meine Meinung zum Buch:


    Bei diesem Buch fällt mir eine Gesamtwertung schwer.


    Sehr gut ist auf jeden Fall der Ausgangspunkt der Geschichte: Die Toten erwachen, aber nicht alle Toten, sondern nur diejenigen, die innerhalb eines bestimmten, nicht sehr lange zurück liegenden Zeitraumes, gestorben sind. Damit ist auch die „Gegenseite“ interessant, denn bei den Angehörigen ist die Trauer noch sehr frisch – und damit auch ihre Hoffnungen und ihr Festhalten an dem „Wunder“. Diese beiden Pole machen die Faszination in meinen Augen aus, und der Autor beschreibt sehr eindrücklich und nachfühlbar, was in den Angehörigen vorgeht. Ein unbedingter Pluspunkt für das Buch!


    Mir hätte dieser Punkt aber schon ausgereicht, um vom Buch fasziniert zu sein. Leider schiebt der Autor das Buch unnötigerweise in den Horrorbereich, d. h. er beschreibt teilweise äußerst genau den nicht immer ganz frischen Zustand der Toten (das können sich die Leser doch selbst denken, meine ich) und die Anstrengungen manches Angehörigen, dieses Zustand wieder „aufzufrischen“. Das fand ich hin und wieder etwas widerlich – wie gesagt, in meinen Augen waren diese bildhaften Beschreibungen völlig unnötig, denn die Geschichte an sich ist so gut, dass sie das nicht so plakativ gebraucht hätte.


    Der Autor lässt die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählen, auch das fand ich sehr gelungen. Da ist einmal der ehemalige Journalist Mahler, der kürzlich seinen Enkel verloren hat und sich verzweifelt an die Hoffnung klammert, dass alles so wird wie es einmal war – und alles dafür tut. Dann gibt es noch David, dessen Frau gerade bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist – und die sofort nach der Todesnachricht wieder „erwacht“. Schließlich sind da noch Flora und ihre Großmutter Elvy, die vor nicht allzu langer Zeit den Großvater bzw. Ehemann verloren haben, und deren erweiterte Wahrnehmungsfähigkeit dem Leser interessante Einblicke in das Geschehen geben. Man erfährt von den Personen eigentlich nicht so viel – aber der Leser kann sie über die Art, wie sie mit den Geschehnissen umgehen, sehr gut kennenlernen und ihre Handlungen und Gedanken verstehen. Besonders interessant ist natürlich die Beschreibung, wie unterschiedlich die Personen mit den Geschehnissen umgehen.


    Die erwachten Toten sind keineswegs die Zombies, wie wir sie aus den alten Filmen kennen – auch das ist ein Pluspunkt des Buches. Es sind einfach mitleiderregende Wesen, die mit ihrem Zustand auch nicht zurecht kommen, die nur nach Hause wollen und deren Verwirrung beim Leser Mitleid erregt.


    Das Buch war spannend zu lesen, wenn auch in der Mitte die Handlung eine Zeit lang vor sich hin dümpelt und nicht allzu viel passiert. Aber das war nicht so schlimm, dass ich das Buch hätte abbrechen wollen. Interessant fand ich, dass der Autor auch ausschnittweise Medienberichte und Gesprächsprotokolle eingefügt hat – das beschreibt gut den Blick von außen auf die Ereignisse.


    Mit dem Schluss konnte ich mich gut anfreunden, der war für mich zwar nicht außergewöhnlich überraschend, aber völlig in Ordnung. Allerdings habe ich eine Sache nicht kapiert (vielleicht auch überlesen):

    Vielleicht kann mir jemand die Stelle nennen, wo das erklärt wird? Oder bleibt dieser Punkt offen?


    Meine Bewertung: 3ratten:marypipeshalbeprivatmaus:


    Viele Grüße von Annabas :winken:

  • Inhalt:
    In Stockholm gehen merkwürdige Dinge vor sich: Es ist ein heisser Sommer, der Luftdruck ist nahezu unerträglich und zu allem Übel lassen sich auch noch die elektrischen Geräte plötzlich nicht mehr ausschalten. Auf dem Höhepunkt dieser Anspannung wird plötzlich alles still, etwas hat sich verändert. Bald stellt man fest, dass die kürzlich Verstorbenen in Leichenschauhäusern und auf Friedhöfen beginnen, sich zu regen...


    Meine Meinung:
    An diesem tragenden Erzählstrang hängt ein geniales Buch. Ja, ich würde sogar behaupten, Ajvide Lindqvists bestes Buch. Nach So finster die Nacht dachte ich, das sei genial, eines meiner bislang absoluten Lieblingsbücher. Nach Im Verborgenen dachte ich, dass dies offenbar so nicht stimmen kann, denn die Genialität... dann las ich Menschenhafen und erklärte es zu meinem Lieblings-Ajvide Lindqvist, weil ich es noch besser fand, als die beiden anderen.


    Und tatsächlich gibt es eine Szene in So ruhet in Frieden, die mich sehr stark an Menschenhafen erinnerte: Eine kleine Insel, eine Ferienhütte, eine Person darin gefangen und von aussen bedroht. Nur, dass es dieses Mal kein Mann, sondern eine Frau ist, die sich gegen das Übel, das in ihr Häuschen eindringen will, verteidigen muss. Was ich, möglicherweise auch, weil ich selbst eine Frau bin, noch genialer finde. Und so dachte ich während dem ganzen Buch.


    Es ist gar nicht so leicht, eine Rezension dazu schreiben, denn ich habe während dem Lesen mehrmals gedacht, dass es da gar nichts darüber zu sagen gibt, ausser dass es halt eben genial ist. Doch ich versuche trotzdem mal, noch etwas aussagekräftiger zu werden.


    Zum Beispiel ist die Frau aus erwähnter Szene mir als Charakter äusserst unsympathisch, trotzdem finde ich die Szenen mit ihr irgendwie faszinierend. Plötzlich wollte ich bei ihr sein. Und bei all den anderen Charakteren sowieso. Die Figuren und Ortsbeschreibungen sind eingängig und erzeugen eine gewisse Sehnsucht, obwohl man rational eigentlich froh sein kann, wenn man nicht dort ist. Trotzdem hatte ich dieses gewisse Bedürfnis, Anna auf die einsame Insel zu folgen, Flora auf „die Heide“ (in Englisch „The Heath“, den im deutschen Roman verwendeten Begriff weiss ich jetzt nicht) zu begleiten, mit David in seiner Küche einen zu heben.


    Wie das kommt, kann ich nicht sagen. Nur was ich bestimmt sagen kann, ist, dass dies nicht die einzigen Aspekte sind, die mich John Ajvide Lindqvist vergöttern lassen. Immer wieder schlägt er Querbezüge innerhalb des Romans, macht Andeutungen, die grosse Fragezeichen vor dem inneren Auge aufblitzen lassen, beschreibt Details, die zunächst unwichtig scheinen mit dieser gewissen, ihm eigenen Signifikanz und führt das alles am Schluss schön zusammen.


    Weiter fasziniert haben mich die „philosophisch-moralischen“ Überlegungen der Charaktere, wenn man das so nennen kann. Sie machen sich teilweise intensive Gedanken über die Ethik, die sie selbst vertreten und über das Leben um sie herum. Da dringt stellenweise wieder dieses Gesellschaftskritische durch, das mich schon bei den Erzählungen aus Im Verborgenen begeistert hat. Da gibt es zum Beispiel eine Szene, in der erwähnt wird, dass die ganzen Ereignisse für die Comedians nur eines zu sein scheinen: Ein Scherz. Das hat meiner Meinung nach etwas.


    Ausserdem schafft Ajvide Lindqvist es, selbst in der für die einen Charaktere emotional anstrengendsten Sequenz vor deren absolutem Spannungshöhepunkt immer noch einen Witz einzubauen. Die Witze sind mir in diesem Buch übrigens auch mehr aufgefallen, als in den anderen dreien.


    Gut, ich gebe zu, ich bin nicht mehr objektiv in Bezug auf Bücher von John Ajvide Lindqvist. Aber wann ist man das schon? Bücher sind ja bekanntlich Geschmackssache und für meinen hat So ruhet in Frieden oder - was ich als Titel irgendwie passender finde - Handling The Undead


    5ratten und ein :tipp: verdient.



    Auch wenn man dazu sagen muss, dass manche Szenen etwas, naja... schwer nachzuvollziehen sind. :breitgrins:

  • Zum Inhalt werde ich nichts mehr schreiben, siehe vorangegangene Postings.
    So restlos begeistert wie Hanni und Stormcrow bin ich zwar nicht, aber ein guter Lindqvist-Einstieg war So ruhet in Frieden allemal. :daumen:


    Es gibt keinen dezidierten Protagonisten, sondern die Erzählperspektive wechselt kapitelweise. Dabei stehen jeweils andere Angehörige im Fokus - sehr unterschiedliche Charaktere, die auch ganz unterschiedlich damit umgehen, dass ihre kürzlich Verstorbenen plötzlich wieder „da“ sind.


    Überhaupt scheint mir genau das das zentrale Thema des Buches zu sein: wie die Menschen mit solch einer völlig unvorhergesehenen Herausforderung umgehen, sowohl im kleinen privaten Maßstab als auch im großen politischen. Wir erfahren nämlich auch, wie Regierung und Exekutive auf diesen Ausnahmezustand reagieren und etwas unbeholfen versuchen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.


    Der Horroraspekt ist zwar eindeutig da (manche Szenen … urgs), aber das Buch lässt sich keinesfalls darauf reduzieren. Faszinierend fand ich auch, wie nachvollziehbar und glaubwürdig sich die Figuren verhalten – sehr lebensecht!


    Allerdings muss ich zugeben, dass mir streckenweise doch zu wenig passierte. Und gegen Ende hin wurde es mir teilweise zu abgehoben, da tauchten plötzlich christliche und sonstige esoterische Motive auf, mit denen ich nichts anfangen konnte.


    Fazit: Ungewöhnliche Aufbereitung eines uralten Themas, trotz kleiner Abstriche lesenwert.


    4ratten

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  • Wir erfahren nämlich auch, wie Regierung und Exekutive auf diesen Ausnahmezustand reagieren und etwas unbeholfen versuchen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.


    Dazu finde ich eine Erzählung ("Die Entsorgung") aus Im Verborgenen eine super Ergänzung. Habe es zwar in der Monatsrunde schon erwähnt, aber ja, da es nunmal irgendwie auch zum Buch gehört, schadet es sicher nicht. ;)


    Im Nachwort des erwähnten Buches erklärt der Autor nämlich Folgendes:

    Zitat

    Die Entsorgung schrieb ich vor allem, um Verwendung für die grandiose Schlussszene zu haben, die mir für So ruhet in Frieden vorgeschwebt hatte, dort aber nicht mehr Platz fand. Ich dachte an eine kurze Erzählung von ungefähr dreissig Seiten, die dann jedoch etwas aus dem Ruder lief. Was im Übrigen nur konsequent ist, wenn man bedenkt, dass der Roman So ruhet in Frieden ursprünglich auch nur eine Erzählung werden sollte.


    Und da ist die Politik dann nicht mehr der unbeholfene Lenkungsapparat, sondern Werkzeug für ein paar Wahnsinnige. Aber ich sollte nicht zu viel verraten. Was ich aber verraten möchte ist, dass es auf jeden Fall total spannend ist, die beiden Geschichten in einem Zusammenhang zu sehen. Das gibt einem zwar ein noch mystischeres, mit Bluebells Worten abgehobeneres (;)) Bild des Ganzen, ist aber in gewisser Weise auch nicht ganz abwegig. Wer diese gewisse Art von "Abgehobenheit" gut verträgt oder gar mag, dem kann ich es nur ans Herz legen. :zwinker: Wer nicht; behaltet die positive Erinnerung. :zwinker:



    Allerdings muss ich zugeben, dass mir streckenweise doch zu wenig passierte. Und gegen Ende hin wurde es mir teilweise zu abgehoben, da tauchten plötzlich christliche und sonstige esoterische Motive auf, mit denen ich nichts anfangen konnte.


    Ich denke, es passiert halt auch vieles im Innern der Charaktere, wo dann die Action etwas in den Hintergrund gestellt wird, damit das mehr wirken kann.


    Oder auch die Szene ganz am Anfang, wo David das Bild der Supermarkt-Lady betrachtet (übrigens die erste und imo stärkste dieser Metaphern, die du in der Monatsrunde erwähnt hast). Da geht eine Menge ab in ihm, denn ihm wird sein "halbfertiges" Leben, sein Gefühl, nicht so richtig zu leben, dieses Gefühl von "Tod", das er empfindet dadurch so richtig bewusst. Er macht es ja auch absichtlich, vermutlich gerade deswegen.


    Ja, diese fast schon ein bisschen metaphilosophischen Sachen muss man glaube ich einfach mögen oder nicht. ;)

  • @Stormcrow: Danke für deine Ergänzungen, das macht meine Rezi noch irgendwie "runder"! :smile:

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