Elfriede Jelinek – Macht nichts. Eine kleine Trilogie des Todes

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  • Grundsätzlich glaube ich aber nicht an Männer/Frauen Literatur. Wo ist die Grenze?


    Jedoch haben sie sicherlich einen anderen Zugang, denn Malina ist nicht eine Geschichte über eine Frau alleine, sondern ein Roman über Innenwelten. Ich glaube schon, da würde ein Mann anders interpretieren und vielleicht sogar sich zeitweise entnervt zurücklehnen.


    Und bei Jelinek würde sich der Eine oder Andere persönlich angegriffen fühlen.


    Widersprichst Du dir da nicht gerade selber?

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Nein, sandhofer, denn ich bezog meine Meinung auf Malina und Jelinek


  • Nein, sandhofer, denn ich bezog meine Meinung auf Malina und Jelinek


    Mit andern Worten: Grundsätzlich gibt es keine Gender-Literatur, aber Bachmann und Jelinek haben welche geschrieben? :confused:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Auch nicht so.


    Gibt es sicherlich für die Fachwelt, nur ich, ich persönlich trenne nicht und sehe keine Unterschiede.

  • ich persönlich trenne nicht und sehe keine Unterschiede.


    Hm ... wenn das:


    Ich glaube schon, da würde ein Mann anders interpretieren und vielleicht sogar sich zeitweise entnervt zurücklehnen.


    Und bei Jelinek würde sich der Eine oder Andere persönlich angegriffen fühlen.


    keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen macht, was dann? :confused:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Mäuschen? Was bezweckst Du?


    Ich habe die zwei Schriftstellerinnen als AUSNAHME gesetzt. Grundsätzlich glaube ich nicht an Männer und Frauenliteratur, denn eine Simone de Beauvoir wird sicher auch gerne von Männern gelesen. Jedoch denke ich, dass Männer und Frauen sich andere Zugänge zur Literatur schaffen.
    Vielleicht, das ist nur eine Annahme.

  • Jedoch denke ich, dass Männer und Frauen sich andere Zugänge zur Literatur schaffen.


    Wie eine gute Freundin von mir zu sagen pflegt: Ich halte das für ein Gerücht. :zwinker:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Okay, probieren wir es aus...


    Hast du, "Sie kam und blieb" gelesen? Wenn nicht,bitte ich dich darum es zu lesen. Ist viel, aber muss ja nicht in den nächsten Wochen geschehen und dann erzählst du deine Sichtweise über den Inhalt. Abgemacht?

  • Geh, wo bliebe denn da die Repräsentativität? Ich schlage vor: Das ganze Forum liest "Sie kam und blieb" und dann reden wir über die möglicherweise verschiedenen genderbedingten Betrachtungsweisen. :breitgrins:

  • Leicht übertrieben. Aber, ich hab eine andere Idee...wartet ab.

  • Inzwischen verrät der Rowolt Verlag dem geneigten Leser etwas mehr:


    Zitat

    "Erlkönigin", "Der Tod und das Mädchen" und "Der Wanderer" - drei neue Stücke von Elfriede Jelinek, geschrieben mit Sprachgewalt und gerechtem Zorn. In "Erlkönigin" wird eine berühmte, aber tote Schauspielerin einer alten Sitte entsprechend dreimal um das Burgtheater getragen. Im Zweiten Weltkrieg hat sie die Macht erfahren, sie durfte mit- und vorspielen, durfte diese Macht über ihr Publikum ausüben, auch als dieser beendet war ... "Der Tod und das Mädchen" ist ein Zwischenspiel, der Dialog eines Jägers mit Schneewittchen. Das Mädchen ist auf der Suche nach dem Wahren, Guten und Schönen, auf das sich viele in der Kunst gerne berufen. Der Jäger erschießt es ... "Der Wanderer" ist - ähnlich wie in "Sportstück" - der Schlußmonolog des Vaters der Autorin, eines geisteskranken Mannes, der nichts als wandern kann.


    Beim ersten Text hätte man - mit einer großen Portion guten Willen - meinen Unmut noch auf mein Unwissen schieben können, schließlich wusste ich nicht, von welcher Schauspielerin die Rede ist und welcher Skandal dort verarbeitet wird. Doch mit fortschreitendem Lesen wurde immer deutlicher, dass es egal ist, ob die Jelinek über Wahrheit, Schönheit oder Opfer schreibt. Ich mag es einfach nicht lesen. Dieser verbitterten Sicht der Dinge, ausgedrückt durch eine Aneinanderreihung leerer Floskeln und verstümmelter Redewendung, kann ich nichts abgewinnen. Für mich zeigt sich darin keine Virtuosität beim Umgang mit Sprache.
    Mag sein, das Macht nichts nicht die beste Einstiegslektüre war, trotzdem brauche ich keine weiteren Versuche, um mich mit Jelineks Stil anzufreunden.


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Zitat

    ... schließlich wusste ich nicht, von welcher Schauspielerin die Rede ist und welcher Skandal dort verarbeitet wird.


    Ich wollte erst mal nichts zu den Stücken sage, nur soviel: Jelineks Theater-Monologe sind, meiner Ansicht nach, als Einstiegslektüre äußerst ungeeignet, obwohl sie einen doch sehr gut einen Eindruck geben, wie vielschichtig ihre Texte sind - sie verarbeitet klassische Texte (Aischylos (wie in "Bambiland" z.B.), Sophokles) mit der Sprache der Massenmedien, mit der Sprache "der breiten Masse" bzw. verwendet sie diese nicht bloß als Skript, sondern sie dröselt die Wörter auf, gibt ihnen neue Konzepte, verwendet sie in anderen Kontexten und verbindet das mit Themen, wie der nationalsozialistischen Vergangenheit (z.B. im "Burgtheater", wovon "Die Erlkönigin" sozusagen einen Epilog darstellen könnte), der wiederauflammende Rassismus und Antisemitismus (vor allem in Österreich), Gewalt gegenüber dem Menschen (z.B. in "Lust") und die Normalität dieser Gewalt in der Gesellschaft (z.B. im "Sportstück", wo sie die Verbindung zwischen Sport und Gewalt untersucht).


    Thematisiert wird übrigens in "Die Erlkönigin" die sehr widersprüchliche Figur der zur Zeit des Nationalsozialismus bekannten Schauspielerin Paula Wessely (siehe siehe Wikipedia) - im Jahr 1938 hatte sie sich als Werbeikone für die, von den Nationalsozialisten nachträglich veranstaltete Volksabstimmung zum österreichischen "Anschluss", hergegeben hatte mit der Aussage: "Ich freue mich, am 10. April 1938 das Bekenntnis zum großen volksdeutschen Reich mit ‚Ja’ ablegen zu können ..." . Im Jahr 1941 wirkte sie zusätzlich noch in dem Propagandafilm "Heimkehr" von Gustav Ucicky mit, in dem sie eine von der polnischen Mehrheit unterdrückte, deutschstämmige Frau spielt, deren Mann vom wütenden Mob (nachdem sie das Singen der polnischen Nationalhymne verweigern) schwer verletzt wird und an den Verletzungen stirbt (siehe dazu den folgenden Artikel der Welt: Ein NS-Film rechtfertigte den Überfall auf Polen).


    Und fast eine Doppelbedeutung bekommt Paula Wessley mit dem zweiten Monolog "Der Tod und das Mädchen" (meiner Ansicht nach, ich weiß nicht, ob Frau Jelinek da nicht auch solche Figuren wie Leni Riefenstahl im Auge hatte, die ihr Engagement im und auch nach dem Nationalsozialismus damit erklärt haben, dennoch nach dem Richtigen und Guten gehandelt zu haben und im Geheimen, Privaten niemals an diese Ideologie geglaubt haben. Allerdings kann das auch sehr weit hergeholt sein...), wenn man bedenkt, dass sie 1938 die weibliche Sprechstimme in Walt Disneys "Schneewittchen und die sieben Zwerge" bekommt....


    Ach ja, zur Musikalität: ist jemandem aufgefallen, dass alle Titel der Monologe von Musikstücken Franz Schuberts entnommen sind?
    Der Erlkönig (Op. 1)
    Der Tod und das Mädchen (Streichquartett Nr. 14 d-Moll D 810)
    Der Wanderer (Opus 15 (D.760))

    Einmal editiert, zuletzt von Desdemona ()

  • Vielen Dank für die Hintergrundinformationen, Desdemona! :winken:

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Dazu passt folgendes Zitat (zu Roberto Bolaños 2666, zitiert hiervon: http://www.slate.com/id/2203471)


    "According to Proust, one proof that we are reading a major new writer is that his writing immediately strikes us as ugly. Only minor writers write beautifully, since they simply reflect back to us our preconceived notion of what beauty is; we have no problem understanding what they are up to, since we have seen it many times before. When a writer is truly original, his failure to be conventionally beautiful makes us see him, initially, as shapeless, awkward, or perverse. Only once we have learned how to read him do we realize that this ugliness is really a new, totally unexpected kind of beauty and that what seemed wrong in his writing is exactly what makes him great."


    Etwas verkürzt übersetzt: "Nach Marcel Proust ist ein Beweis dafür, dass wir etwas völlig Neues lesen, dass wir sofort für hässlich halten. [...] Wenn ein Schriftsteller tatsächlich etwas Eigenes schafft, dann scheint es erst formlos, seltsam oder pervers zu sein. Erst, wenn wir verstanden haben, wie wir es zu lesen haben, verwandelt sich die Hässlichkeit in eine völlig unerwartete Form von Schönheit und das, was uns bisher falsch erschienen ist, macht es erst tatsächlich großartig."


    *winke*
    Marcel

  • Ich finde, Jelinek bleibt hässlich, aber diese Hässlichkeit bleibt auch faszinierend. Zumindest für mich. Das Buch mochte ich und als Wienerin wusste ich natürlich gleich, dass es sich am Anfang um die Wessely (Burgschauspielerin) handelte. Interessante Sache war das. Wirklich. Das Buch ist toll. Muss ich wieder Mal lesen!