[Pakistan] Mohammed Hanif – Eine Kiste explodierender Mangos

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    Inhalt: Der Luftwaffen-Unteroffizier Ali Shigri weiß, daß er ein Problem hat, als sein Stubenkamerad Obaid morgens nicht in seinem Bett liegt. Und tatsächlich wird er befragt und gerät darüber in die Mühlen zwischen Militär und Geheimdienst, denn Obaid hat ein Flugzeug gestohlen, Shigris Kennung benutzt und wurde abgeschossen, wie man Shigri berichtet, der sich in der zweifelhaften „Gastfreundschaft“ von General Akhtars Männern wiederfindet. General Akhtar ist der zweitmächtigste Mann Pakistans hinter dem Militärdiktator Zia ul-Haq, und dieses „zweit“ stört ihn zunehmend. Zia ul-Haq wird nach Jahren an der Macht zunehmend paranoid, nur zu seinem persönlichen Leibwächter hat er noch so etwas ähnliches wie Vertrauen. Zias betonte Religiösität irritiert im Militärapparat auch viele hochrangige Leute, aber man nimmt es hin, solange es nicht als Gefahr empfunden wird. Der amerikanische Botschafter Arnold Raphel hat vor allem die Aufgabe, die pakistanische Unterstützung für die afghanischen Mudschahids gegen die Russen zu sichern. Bei einer Panzervorführung in der Wüste finden alle diese Menschen zusammen, bis auf Shigri besteigen sie alle das gleiche Flugzeug, die Pak One, für die Rückkehr nach Islamabad, und dieses Flugzeug stürzt kurz nach dem Start ab. Unfall? Attentat? Ein Fluch? Die Mangos?



    Meine Meinung: Der Roman beginnt mit Shigris Rückblick auf diesen schicksalhaften Tag des Absturzes, daher weiß man von Beginn an, daß keiner der Flugzeuginsassen überlebt, und daß Shigri selbst nicht an Bord war, obwohl er das Flugzeug betrat. Von hier aus entwickelt sich rückblickend in zwei Erzählsträngen die Geschichte, wie es dazu kam. Während ein auktorialer Erzähler die Ereignisse um Zia ul-Haq, seinen Leibwächer, General Akhtar, den Botschafter usw. berichtet, erzählt Shigri seine Geschichte selbst, und dies wiederum auf zwei Zeitebenen: vor und nach Obaids Verschwinden. Dadurch mußte ich mir manches Mal bewußt klar machen, in welchem zeitlichem Verhältnis zueinander die berichteten Ereignissen standen, aber das war in Ordnung. Denn zum einen bekommt man auf diese Weise einen recht runden Überblick über die Gesamtgeschichte, aber die Zusammenhänge enthüllen sich nur stückchenweise und es gab immer noch mal wieder eine Wendung, die ich so nicht unbedingt auf der Rechnung hatte.


    Weniger amüsant waren jene Szenen, die wahrscheinlich bei Romanen, deren Handlung unter solchem Regime angesiedelt ist, unvermeidlich sind: Verhaftung, Folter und Demütigung. Insgesamt nahm es hier aber bei weitem keinen so zentralen Raum ein, wie zum Beispiel in Sinan Antoons Irakische Rhapsodie, daher tat es dem Lesevergnügen auch keinen Abbruch, sondern war einfach etwas, das an dieser Stelle passend und in dieser Form zu erwarten war. Insgesamt hat Hanif mit diesem Roman eine herrliche Satire über eines der bis heute ungeklärten Rätsel der jüngeren pakistanischen Geschichte vorgelegt. Oder vielleicht ist es gar keine? Mir persönlich würde ja der Fluch als Grund am besten gefallen. Oder die Mangos. Aber was war es denn nun? Das verrate ich natürlich nicht :zwinker:


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()


  • dieses Flugzeug stürzt kurz nach dem Start ab. Unfall? Attentat? Ein Fluch? Die Mangos?


    :lachen: Okay - um dieses Buch bin ich schon lange rumgeschlichen, aber nach diesen Fragen bleibt mir wohl nichts anderes mehr übrig, als es zu lesen.

    Wir sind irre, also lesen wir!


  • aber nach diesen Fragen bleibt mir wohl nichts anderes mehr übrig, als es zu lesen.


    :breitgrins:


    Es lohnt sich wirklich. Es stand auf der Longlist für den Man Booker Prize 2008 und hat außerdem dieses Jahr den Commonwealth Writers' Prize als Best First Book gewonnen. Ich kenne zwar die drei anderen Regionalsieger des CWP dieses Jahres nicht, aber völlig falsch kann die Entscheidung für diesen Roman m. E. nicht gewesen sein.

  • Nein, für die Weltreise hatte ich schon Schwarze Notizen von Saadat Hassan Manto gelesen, und zwischen diesen war ich noch zwei weitere Male in dem Land. Aber für die 1 Jahr=1 Land-Challenge bei den Bookcrossern brauche ich ja auch immer fünf Bücher. Der (vorerst) letzte Autor aus Pakistan wird wohl Tariq Ali werden.

  • Wieder mal ein Buch, dass sich auf meine Wunschliste geschlichen hat :rollen: Aber Pakistan habe ich noch nicht bereist, also ist das schon ok so. Ich werde dann wohl auf die englische Ausgabe zurückgreifen müssen, 22,80€ kann ich mir beim besten Willen nicht leisten :ohnmacht:


    Korrigierst du vielleicht noch den Namen im Betreff, da hat sich im Vornamen ein n eingeschlichen!

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de


  • Korrigierst du vielleicht noch den Namen im Betreff, da hat sich im Vornamen ein n eingeschlichen!


    Danke für den Hinweis, hab's gerade korrigiert.


  • Nein, für die Weltreise hatte ich schon Schwarze Notizen von Saadat Hassan Manto gelesen, und zwischen diesen war ich noch zwei weitere Male in dem Land. Aber für die 1 Jahr=1 Land-Challenge bei den Bookcrossern brauche ich ja auch immer fünf Bücher. Der (vorerst) letzte Autor aus Pakistan wird wohl Tariq Ali werden.


    Machst Du eine neue? Ich war gerade auf Deinem BC-Profil und habe nichts gefunden :gruebel:




    Wieder mal ein Buch, dass sich auf meine Wunschliste geschlichen hat :rollen:


    :fluch: das ist ein :herde:

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa

    Einmal editiert, zuletzt von Bettina ()


  • Machst Du eine neue? Ich war gerade auf Deinem BC-Profil und habe nichts gefunden :gruebel:


    Neue? Es gab 2006 die 5-5-5-Challenge, die aber zeitlich auf das Jahr beschränkt war. Daß ich davon erzählt habe, war der Auslöser für die hiesige Weltreise. Die 1 Jahr-1 Land-Challenge zählt alle Bücher, die ab 2007 gelesen wurden, da gibt's aber eine eigene Website für: http://tanjaweb.opwiki.org/

  • Aha, mich hatte der Satz irritiert Aber für die 1 Jahr=1 Land-Challenge bei den Bookcrossern brauche ich ja auch immer fünf Bücher. Da dachte ich an Wilderes und eine Neuauflage des Projekts.

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa

  • [quote



    Wieder mal ein Buch, dass sich auf meine Wunschliste geschlichen hat :rollen:


    :fluch: das ist ein :herde:
    [/quote]


    Da kann ich mich Bettina nur anschließen - schon wieder was für die Wunschliste und wer ist schuld?? :breitgrins: :fluch:

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Zum Glück (auch für meinen Geldbeutel) haben wir nicht so oft den gleichen Geschmack :zwinker:

    Liebe Grüße JaneEyre

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    Theodor Fontane

  • Zum Inhalt gibt es gar nicht mehr zu sagen, den hat Aldawen schon sehr schön zusammengefasst.


    Ali Shigris Erzählstrang fand ich fast durchweg amüsant und interessant zu lesen. Er erzählt von seinem Vater, seiner bisherigen Laufbahn in der Armee, aber auch von den Ereignissen, die dem Verschwinden seines Zimmergenossen Obaid folgen. Seine Geschichte erzählt er selbst und dies tut er in einem durchwegs ironischen Tonfall. So hat man - obwohl die Geschichte alles andere als lustig ist - doch immer wieder was zu lachen.


    Den zweiten Erzählstrang um General Akhtar, den Diktator Zia und andere Personen, die noch irgendwie an der Geschichte und dem Flugzeugabsturz beteiligt sind, habe ich hingegen eher ungern gelesen. Ich hatte nicht erwartet, dass das Militär so sehr im Mittelpunkt der Geschichte stehen würden. Es hat mich unendlich gelangweilt, dem Tagesablauf eines paranoiden, fanatischen Diktators beizuwohnen und die Intrigen und Machtspielchen um ihn herum bis ins kleinste Detail zu verfolgen.


    Auch die Erzählstruktur hat es mir nicht unbedingt leicht gemacht. Aldawen hat ja schon die vielen Zeitsprünge erwähnt, Ali Shigri springt wie wild in der Zeit herum mit seiner Erzählung und dazwischen muss man auch noch die Geschichten der anderen Personen einordnen. Dies ist vielleicht möglich, wenn man das Buch über einen kurzen Zeitraum liest. Wenn allerdings größere Abstände entstehen, bis man das Buch wieder zur Hand nimmt, tut man sich zunehmend schwer, alles in einen Zusammenhang zu bringen.


    Gut gefallen hat mir hingegen das Ende. Dass das Flugzeug abstürzen wird, weiß man schon von der ersten Seite weg, aber es ist am Ende trotzdem faszinierend und interessant, wie die Erzählstränge sich ergänzen und sich alles irgendwie zusammenfügt.


    Das Buch an sich ist nicht schlecht, ich hatte nur etwas andere Erwartungen und konnte mich teilweise nicht so auf das Buch konzentrieren, wie ich es gerne gewollt hätte bzw. wie vielleicht nötig gewesen wäre. Deshalb von mir nur
    3ratten

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de

  • In diesem Roman greift der pakistanische Autor die wahren Ereignisse um den Tod des Militärmachthabers General Zia-ul-Haq bei einem Flugzeugabsturz 1988 auf und arbeitet sie in seine Satire ein. Als Ich-Erzähler lässt er den Unteroffizier Ali Shigri auftreten, der rückblickend von den Wochen vor dem Absturz berichtet, in denen er als potentieller Attentäter erst ins Visier des pakistanischen Geheimdienstes geriet, gefoltert wurde, nur um dann nach dem Machtwechsel an der Spitze des Geheimdienstes wieder rehabilitiert zu werden.


    Abwechselnd zu Shigri berichtet ein auktorialer Erzähler von den Vorgängen rund um den Machthaber General Zia-ul-Haq und seine Gefolgsleute, die alle eigene Pläne und Intrigen spinnen, in die Shigri unbeabsichtigt verwickelt wird. Während man zu Beginn mit den Perspektivwechseln zu tun hat und sich erstmal orientieren muss, welche Person welche Rolle spielt – insbesondere wenn man sich zuvor nicht mit der jüngeren Geschichte Pakistans beschäftigt hat – so klären sich die Zusammenhänge immer weiter, je mehr man sich dem Ende nähert.


    Positiv überrascht hat mich der lockere, unbeschwerte Tonfall, der kaum zu den geschilderten Ereignissen passen wollte, sie aber in meinen Augen auf ein erträglicheres Niveau gehoben hat. Dadurch konnte ich den emotional bedrückenden Passagen leichter folgen und musste keine „Verdauungspause“ einlegen. Zudem wirkte der Text dank seines subtilen Humors auf mich so, als hätte der Autor während des Schreibens ständig schmunzeln müssen über seine skurrilen Einfälle. Besonders die im Titel vorkommenden Mangos dürfen als parodistisches Element noch eine herausragende Rolle spielen.


    Als Fazit bleibt mir nur zu sagen, dass dieses Buch grundlos so lange auf meinem SUB verweilen musste und ich froh bin, es jetzt gelesen zu haben.


    4ratten

  • Die Doppeldeutigkeit des englische Titels fällt in der Übersetzung weg, A Case of Exploding Mangoes klingt für mich nämlich stark nach einer Holmes-Geschichte und wäre auch in diesem Sinne als Titel ziemlich passend.


    Hauptfiguren sind der junge Soldat Ali Shigri, der die meiste Zeit als Erzähler fungiert, sein oberster Vorgesetzter, der Militärdiktator Pakistans und dessen Geheimdienstchef. Die Geschichte spinnt sich rund um den realen Tod des Diktators, dessen Flugzeug samt diverser Generäle 1988 unter mysteriösen Umständen abstürzte. Hanif spinnt zu den bekannten Verschwörungstheorien um das Unglück (oder Attentat?) noch ein paar zusätzliche, in die seine Hauptfigur dann verwickelt ist.


    Eigentlich gefiel mir die Geschichte ganz gut, die satirische Darstellung der Militärdiktatur ist ziemlich gelungen, aber das Ganze spielt vor fast 30 Jahren und wirkte somit für mich nach all den Geschehnissen in der Region in gewisser Weise politisch überholt und war deswegen letztlich wenig interessant.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • 4ratten


    m August 1988 explodierte kurz nach dem Start das Flugzeug des pakistanischen Militärdiktators Zia ul-Haq, wobei er sowie einige seiner Generäle und der amerikanische Botschafter ums Leben kamen. Bis heute sind die Ursachen, die zu diesem Unglück führten, nicht bekannt. In dem Buch mit diesem ungewöhnlichen Titel stellt der Autor Mohammed Hanif seine eigene Sicht der Dinge dar - und das in einer eher ungewöhnlichen Form.
    Stets kapitelweise wechselnd erfolgt ein Bericht der Hauptfigur, des jungen Luftwaffenkadetten Ali Shigri und (zumeist) ein zeitgleicher Abschnitt aus dem Leben Zia al-Haqs. Während Shigri einen zu Beginn mysteriösen Plan zu verfolgen scheint, der ihn in eine ausgesprochen schwierige Situation bringt, fühlt sich der Diktator von allen Seiten bedroht - nicht immer zu Recht. Auch die Sichtweisen anderer Personen spielen in den Kapiteln eine Rolle, denn irgendwie haben diese alle ihren Anteil an dem zu Beginn genannten Unglück.
    Was sich nun vielleicht eher wie eine kriminalistische Aufklärungsgeschichte anhören mag, ist jedoch eine herrliche Satire auf die Situation in den Herrschaftsverhältnissen dieser Militärdiktatur. Zia ul-Haq wird als ein sehr gläubiger Moslem dargestellt, überaus eitel und voller Paranoia vor möglichen Attentätern. Selbst der Generalsekretär der Straßenfegergewerkschaft sitzt deswegen im Kerker. Doch die Ängste des Diktators entbehren nicht ganz jeglicher Grundlage: Seine Führungsriegen sind ausschließlich auf ihren eigenen Vorteil bedacht und jeder katzbuckelt und intrigiert so gut und viel wie möglich. Shigris Kapitel dagegen beschreiben die Wilkür und Gewalt, der im Prinzip jeder (nicht nur Soldat) ausgesetzt sind. Doch sein Tonfall ist dabei so wunderbar trocken, dass ich beispielsweise selbst bei der Beschreibung der unschönen Unterbringung in der Folterkammer lachen musste (schon mal was von 'Do-it-yourself-Folter' gehört?).
    Ein witziges Buch mit einem ernsten Hintergrund, das nicht immer ganz einfach zu lesen ist, da die häufigen Zeitsprünge gelegentlich irritierend wirken.

    Je mehr sich unsere Bekanntschaft mit guten Büchern vergrößert, desto geringer wird der Kreis von Menschen, an deren Umgang wir Geschmack finden.&nbsp; &nbsp; Ludwig Feuerbach (1804 - 1872)