Alan Bradley - Mord im Gurkenbeet / The Sweetness at the Bottom of the Pie (Flavia de Luce 01)

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  • 100 Seiten später gefällt mir der Roman genauso gut wie am Anfang, wenn nicht sogar mehr. Alan Bradley hat anscheinend ein großes Allgemeinwissen, denn immer wieder finden sich Vergleiche oder Hinweise zu Liedern, Literatur, Geschichte, Philatelie, den Wissenschaften im Allgemeinen und natürlich der Chemie im Besonderen.


    So habe ich zum Beispiel gelernt, dass das Sandwich nicht einfach Sandwich heißt, weil man irgendwann einmal genau dieses Wort für ein Stück Fleisch zwischen zwei Weißbrotscheiben verwendete, sondern weil es der vierte Earl of Sandwich erfunden hat. Nach der Legende war er ein leidenschaftlicher Cribbage-Spieler, der das Spiel nicht wegen schnöden Essens unterbrechen wollte.


    Das Lesen macht noch mehr Spaß, weil ich mir die genannten Lieder oder Bilder im Internet suche, soweit sie mir nicht bekannt sind. So beschreibt Bradley beispielsweise die
    Toccata von Piedro Paradisi in Flavias Worten:


    [quote author=Alan Bradley - Flavia de Luce; Mord im Gurkenbeet, Kapitel 9, Seite 113]Immer wenn ich diese Musik höre, ist mir zumute als würde ich den steilen Osthang von Goodger Hill hinabrennen, so schnell, dass meine Beine kaum hinunterkommen, während ich mit dem Wind von links nach rechts segle und Rufe ausstoße wie eine verzückte Seemöwe[/quote]


    Wenn man sich das Klavierstück anhört, dann ist die oben geschilderte Schnelligkeit gepaart mit einer gewissen Leichtigkeit zu hören. Wobei mich die Toccata eher an ein Sonntagspicknick im Grünen erinnert, bei der sich eine verliebte junge Frau im Hochgefühl wie ein Kreisel um die eigene Achse dreht, bis ihr die Luft wegbleibt und sie schwindlig und atemlos lachend im Gras niedersinkt.

  • Dass Bradley immer so viel musikalische und literarische Anspielungen einflicht, mag ich auch total. Ich liebe auch die Folge, in der die Dorfkirche und die Orgel eine Rolle spielen, da gibt's eine schöne Szene mit Bachs d-moll-Toccata und einer Fledermaus :elch:


    Die englischen Buchtitel sind ja auch immer Zitate aus Gedichten.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • @ Valentine: Die nächste Flavia möchte ich auf Englisch lesen. Zwar bin ich mir nicht sicher, ob ich dann wirklich alle Anspielungen bemerken oder verstehen werde, aber ich denke, dass das Buch im Original mehr Spaß machen wird. Sind die Romane auf Englisch schwierig zu verstehen? Also kommen viele Redewendungen vor, die bei uns nicht gebräuchlich sind?

  • Ich lese sie ja auch seit dem 2. Band auf englisch und finde sie herrlich im Original, weil das britische Flair dann auch in den Formulierungen so schön rüberkommt. Ich denke, Du würdest damit bestimmt klarkommen. Ist kein banales Englisch, aber auch nicht schwer verständlich. Und die Gedicht-Zitate sind dann noch viel schöner!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Mittlerweile habe ich den Roman fertig gelesen. Mir hat dieser altmodische Krimi sehr gut gefallen. Statt Action und Blut erwartet den Leser Ermittlungsarbeit in feinster Miss-Marple-Manier. Die 11jährige Heldin wird genau wie ihr altjüngferliches Pendant anfangs nicht ernst genommen. Gerade das hilft ihr dabei, ihre Gegenüber nach allen Regeln der Kunst auszuhorchen und Dinge zu erfahren, die andernfalls ungesagt geblieben wären.


    Das Setting - das ländliche England in den 1950ern - passt perfekt zu dieser Art von Krimi. So wirkt es nicht lächerlich, wenn das Telefon nicht beziehungsweise nur im Notfall verwendet wird oder anstatt schnell einmal im Internet nachzuschauen eigens in die Bücherei gefahren wird, um Hintergrundinformationen zu sammeln.


    Der Fall selbst kann von einem geübten Leser schnell gelöst werden. Trotzdem wird das Lesevergnügen dadurch nicht beeinträchtigt. Zu liebevoll sind die Charaktere und die Umgebung gezeichnet. Man bekommt leicht das Gefühl, die Personen wirklich zu kennen und kann sich ohne Schwierigkeiten in sie hinein versetzen. Es ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen in Flavias Welt. Sie wächst in einer dysfunktionalen Familie auf. Der Vater ist seit dem frühen Tod seiner Frau ein Schatten seiner selbst und unfähig, sich aus seiner Trauer zu lösen. Flavia neidet ihren Schwestern, dass diese die Mutter im Gegensatz zu ihr noch kannten und Erinnerungen an sie haben. Dementsprechend schlecht gestaltet sich auch das geschwisterliche Verhältnis. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich Flavia in ihre Leidenschaft für Chemie vergräbt und eine Obsession für Gifte entwickelt. Sie hat soziopathische Züge - ihre Streiche lesen sich zwar amüsant, aber man fragt sich schon, ob sie wirklich zwischen moralisch gut und böse unterscheiden kann. Trotz allen dem hält die Familie zusammen, wenn es hart auf hart kommt.


    Fazit: Ein altmodischer Krimi mit einer interesssanten Jungheldin. Gerne mehr davon.

  • Valentine

    Hat den Titel des Themas von „Alan Bradley - Flavia de Luce. Mord im Gurkenbeet“ zu „Alan Bradley - Flavia de Luce. Mord im Gurkenbeet/The Sweetness at the Bottom of the Pie“ geändert.
  • illy

    Hat den Titel des Themas von „Alan Bradley - Flavia de Luce. Mord im Gurkenbeet/The Sweetness at the Bottom of the Pie“ zu „Alan Bradley - Mord im Gurkenbeet / The Sweetness at the Bottom of the Pie (Flavia de Luce 01)“ geändert.