Dan Simmons - Drood

Es gibt 42 Antworten in diesem Thema, welches 9.785 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Herzblatt.

  • Peinlicherweise ist mir erst als es (ziemlich spät) im Buch erwähnt wurde, aufgefallen, dass „Drood“ ja ein Bestandteil des Titels von Dickens letztem, nicht fertigstellten Roman ist – und das obwohl ich doch schon mal einen Roman darüber gelesen habe. So bin ich also ziemlich unvoreingenommen an diese Geschichte herangegangen und habe viktorianischen Grusel und Interessantes zu echten Personen der (Literatur-)Geschichte erwartet.


    Das gab es dann auch, Wilkie Collins gibt den Erzähler und guten Freund Charles Dickens‘, der ihm deswegen auch prompt von dem Zugunglück erzählt, welches er nur mit Glück überlebt hat und von dem seltsamen Mann, der aussah, wie eine Personifikation des Todes und zwischen den Sterbenden umherging. Dickens will diesen Mann suchen, und im Verlauf der mehrere Jahre umfassenden Erzählung gibt es Ausflüge in die Slums und Unterwelt Londons, Mesmerismus im Übermaß, aber auch immer wieder schriftstellerischen Alltag und familiäre Sorgen. Dabei sorgten manche Beschreibungen und vor allem Ansichten zu Grummeln und Augenrollen bei mir, sind aber zum Teil sicherlich einfach nur korrekte historische Darstellung der damaligen Normalität.


    Am Anfang war ich auch meist mit dem Erzähler Wilkie Collins auf einer Seite und habe seine immer wieder eingefügten spitzen Seitenhiebe als berechtigte Kritik an einem arroganten Dickens betrachtet, doch mit der Zeit erschien er mir immer mehr als simpler Miesepeter, der allen alles missgönnt. Seine offensichtlichen, von seiner Laudanum-/Opiumsucht genährten Wahnvorstellungen trugen das Ihrige dazu bei, seine Aussagen mehr und mehr anzuzweifeln.


    Wie bei seinem vorigen Roman „Terror“ (das gefiel mir übrigens besser) lässt der Autor seinen Leser wieder selbst entscheiden, was er als Wahrheit akzeptieren und was als Hirngespinst abtun will. „Drood“ ist insgesamt zwar nicht schlecht gemacht, hat aber seine Längen und vor allem habe ich aber gerne Verständnis für meine Hauptfiguren und das habe ich Wilkie Collins gegenüber immer mehr verloren…



    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Diese biografischen Teile wurden schon an anderer Stelle kritisiert, ich hätte sie auch nicht unbedingt gebraucht, sie haben mich aber auch nicht wirklich gestört. Sie lockern die düstere Atmosphäre etwas auf und zeigen auch die freundlicheren Seiten von Charles Dickens und den weiteren Protagonisten.
    Wenn Dickens beispielsweise zum Weihnachtsfest einlädt und für jeden Gast Bücher auswählt und im jeweiligen Gästezimmer bereit legt, bringt das die Story nicht weiter, Charles Dickens als Protagonisten dieses Buches aber schon.


    Hm, ich habe vor Jahren mal eine Biografie (?) von Dickens, geschrieben von Peter Ackroyd, gelesen und habe ihn von daher eher unsympathisch in Erinnerung.
    Bei mir blieb vor allem hängen, dass er wohl zu seinen Töchtern extrem streng war und sie Angst vor ihm hatten - gar nicht der liebende, sorgende Familienvater, den man aus den Büchern vielleicht erwartet hätte.
    Er hat wohl die Ordnung in den Kinderzimmern penibel kontrolliert und die Mädels mussten zu so einer Art Stubenappel antreten.


    LG
    von Keshia

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

  • Worum es geht
    Der berühmte englische Dichter Charles Dickens ist einer der wenigen Überlebenden bei einem schweren Zugunglück. Als er, selber unter Schock stehend, bei der Bergung der Opfer hilft, gesellt sich eine unheimliche Gestalt zu ihm, die sich als Drood vorstellt. Seit dessen Erscheinen sterben auch die weniger schwer Verletzten ganz plötzlich, so Dickens Eindruck.

    Um dieses schreckliche Ereignis besser verarbeiten zu können, weiht er seinen Schriftstellerkollegen Wilkie Collins in seine Erlebnisse ein. Die beiden Freunde machen sich auf die Suche nach Drood und müssen in ihnen bisher unbekannte Welten vordringen.
    Doch wer ist dieser unheimliche Geselle, und lässt er sich überhaupt finden? Handelt es sich um eine real existierende Person, oder ist er womöglich doch nur eine Fantasiegestalt opiumumnebelter Nächte?


    Meine Meinung

    Am Ende des Romans erhält der Leser eine eindeutige Antwort auf diese Frage, aber der Weg dahin ist weit und zeitweise auch recht mühsam. So gab es vor allem auf den ersten 500 Seiten durchaus einige Längen zu überwinden. Ab der Hälfte gewinnt die Geschichte jedoch an einer dramatischen Dynamik, die mich völlig in ihren Bann gezogen hat.
    Des Rätsels Lösung ließ im ersten Moment zwar ein Gefühl der Enttäuschung in mir aufkommen, konnte meine Begeisterung aber nur kurzzeitig trüben. Nach intensiverem Nachdenken über den Handlungsverlauf musste ich mir schließlich eingestehen, dass die vom Autor gewählte Konstruktion die einzige Möglichkeit war, wenn er glaubhaft bleiben wollte.
    Dan Simmons hat mit seinem Buch einen spannenden, phantasievollen und dennoch logisch nachvollziehbaren Roman vorgelegt, der mir auch stilistisch gut gefallen hat.


    4ratten



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