[Russland] Vladimir Sorokin - Der Tag des Opritschniks

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  • Taschenbuch, Broschur, 220 Seiten, 11,8 x 18,7 cm
    ISBN: 978-3-453-40689-6
    Roman
    Heyne Hardcore


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    Inhalt:
    Russland im Jahr 2027. Das Land hat sich vom Westen abgeschottet, lebt allein vom Gas- und Ölexport, pflegt Handelskontakte nur noch mit China und wird vom »Gossudar«, einem absoluten Alleinherrscher regiert. Dieser übt seine Macht mit Hilfe der Opritschniki, der »Auserwählten«, aus: einer allmächtigen Leibgarde, die vor keiner Bestialität zurückschreckt. Die Zeit der großen Wirren ist vorbei, die Restauration beendet. Nun hat die Monarchie wieder die Macht ergriffen. Das Land ist von der Großen Russischen Mauer umgeben und - bei allem technologischen Fortschritt - in die dunkle Zeit Iwans des Schrecklichen zurückgefallen. Die Opritschniki, die »Diener des Gossudar«, sind in roten Limousinen unterwegs, mit Hundeköpfen an den Stoßstangen und Besen am Kofferraum - Symbole dafür, dass jeglicher Widerstand ausgemerzt und von der russischen Erde gefegt wird. Zu dieser brutalen und korrupten Elite gehört auch Andrej. Seinen Arbeitstag beginnt er mit der Hinrichtung eines in Ungnade gefallenen Oligarchen, wohnt der Auspeitschung von Intellektuellen bei, ist der liebestollen Gemahlin des Gossudar zu Diensten und beschließt den Tag mit einer dekadenten Orgie.


    Meine Meinung:
    Dieses Buch ist gewaltig. Nicht vom Umfang. Sondern in jeder anderen Hinsicht. Es ist eine gewaltige Dystopie. Gewaltig brutal, gewaltig wiederlich, gewaltig verwirrend und vor allem sprachgewaltig.
    Es lässt den Leser dauerhaft verwirrt zurück. Was ist in diesem Buch gut und was Böse? Soll man die Opritschniki, diese absolut brutalen, skrupellosen, aber andererseits unendlich loyalen Menschen hassen oder bewundern? Am Ende kann man sie wohl nur bestaunen. Wie eine gut organisierte Rockerbande, von der der Reiz der Gefahr und doch ein klares Wertesystem ausgeht. Sicher sie tun schreckliches für ein Regime, welches selber nur als schrecklich zu bezeichnen ist, aber sie tun dies mit einer Hingabe und teilweise Selbstaufopferung, mit einer Hingabe und Liebe für Ihr Land die einen gleichzeitig fast zu Tränen rührt und andererseits Brechreiz in einem aufsteigen lässt.
    Sie sind so harte Kerle, dass eine gemeinsame Orgie bei ihnen absolut keinen Anflug von Homosexualität zulässt. Im Gegenteil, die gegenseitige Begattung ist einer der größten Machoriten, die ich je zu Gesicht bekommen habe.
    Die Entwicklung Russlands zu dem was hier beschrieben wird scheint völlig überzogen und aus der Luft gegriffen und wenn man sich dann die Geschichte und die Mentalität, den Stolz der Russen vor Augen hält, absolut möglich. Geschickt spinnt Sorokin Tendenzen weiter, die nicht von der Hand zu weisen sind. Russland als Besitzer von Gas und Öl. Als damit Supermacht. Als Land der unvorstellbar Reichen und Mächtigen und als Land des gemeinen Volkes. Als ein Land welches schon immer ein System hatte. In diesem Fall eben wieder ein Regime. Warum denn bitte nicht?
    China als Megaproduzent der Welt. Wir entwickeln uns genau dort hin. China produziert immer mehr Waren. In Sorokins Zukunft wird diese Tatsache nur auf die Spitze getrieben.
    Russen sind unglaublich stolz, loyal und heimatverbunden. Warum sollte die Zukunft also nicht so aussehen? Weil nicht sein kann was nicht sein darf? Weil gerade wir Deutschen das Gefühl haben, dass solche unmenschlichen Regierungen einfach der Vergangenheit angehören müssen?
    Dieses Buch macht Angst! Angst davor, wie zerbrechlich das Gleichgewicht der Globalisierung ist. Angst davor, wie leicht sich der Mensch von seinen Gefühlen, Gelüsten und seiner Gier auf einen Weg bringen lässt, den er eigentlich nicht beschreiten wollen kann. Und das gekleidet in einen Mantel aus wundervoller Sprache. Voll von Poesie und wundervollen Bildern. Voll von verzauberndem Grauen, welches einen anekelt und doch zugleich fasziniert.
    Es lässt dich zurück mit Fragen. Sind wir wirklich so krank? Spielt es eine Rolle, dass es hier um Russland geht? Könnte man nicht für jedes andere Land eine solche Zukunft skizzieren? Erschiene diese nicht genauso real wenn man nur den ein oder anderen Baustein austauscht? Ist wirklich Alles so unsicher? Und keine dieser Fragen kann man sich sicher beantworten, genauso wenig, wie ob dieses Buch schön wie ein Bild der russischen Taiga oder ekelhaft wie ein Haufen Ziegeninnereien ist. Ich kann es nicht sagen.


    Für mich ein absoluter Knaller! Oder doch nicht? Oh Gott, es geht schon wieder los!

    Das muss das Boot abkönnen Herr Kaleu!

  • Wow, deine Rezi macht mich echt neugierig! Ich glaube, das wäre ein Buch, das mir gefallen könnte....

    //Grösser ist doof//

  • Nach der obigen Rezi musste ich das Buch einfach lesen.
    Und jetzt habe ich das getan und brauche dringend was Hirnloses, zum Abschalten. Denn dieses Buch ist nichts für schwache Nerven. Nach dem Lesen hat man das Gefühl als hätte man eine Kloschüssel ausgeleckt, pfui.


    Gelesen habe ich es übrigens im Original und fühlte mich um mehrere Jahrhunderte in die Vergangenheit versetzt. Der Autor benutzt eine sehr schöne und bereits halb vergessene Sprache, aber die Geschichte ist natürlich alles andere als schön.


    Es ist ein beeindruckendes Buch, ich kann aber nicht behaupten, dass es mir gefallen hat. Kann so ein Buch überhaupt gefallen?


    Fazit: Hammerhart!


    ***
    Aeria

  • Freut mich Leute mit meiner Rezi begeistert zu haben. Ich denke das Buch und auch der Autor sind nicht sooo bekannt. Hätten aber ein wenig Aufmerksamkeit verdient.


    Und Aeria kann ich sehr gut verstehen. Gefallen ist bei dem Buch wirklich schwierig und auch ich hab danach erstmal etwas Flacheres gebraucht. Aber wie du schon sagst es ist beeindruckend. Auf eine Art, wie mich vorher glaub ich noch kein anderes Buch beeindruckt hat.

    Das muss das Boot abkönnen Herr Kaleu!