Jacqueline Carey - Santa Olivia

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    "a post-punk desert bordertown fable, with boxing and cute girls in love."


    They said that the statue of Our Lady of the Sorrows wept tears of blood the day the sickness came to Santa Olivia.


    Ich hatte das dringende Bedürfnis nach einem Buch, das mich vollkommen gefangen nimmt und nicht mehr loslässt, bis ich es durchgelesen habe. „Santa Olivia“ war eine recht spontane Entscheidung, die Autorin konnte mich mit ihren Kushiel-Bücher fesseln und die Geschichte dieses Buchs klang zwar laut Klappentext nach etwas völlig anderem, aber trotzdem interessant.


    Der Ausgangspunkt des Buches besteht aus einem recht typischen Endzeitszenario: Eine schreckliche Seuche überfällt die USA, diese Grippeart fordert Unmengen von Opfern, aber Mexiko scheint es noch schlimmer getroffen zu haben und um die Flüchtlinge abzuhalten wird eine Mauer gebaut und eine breite Zone zum Militärgebiet erklärt. Das texanische Städtchen Santa Olivia liegt dort, doch dann ist es nur noch Outpost Nr. 12, ohne Rechte für die verbliebenen Einwohner, die für die Außenwelt nicht mehr existieren. Loup wird einige Jahre später dort geboren, als Tochter eines Durchreisenden, der sich als genmanipuliert herausstellt und vor dem Militär auf der Flucht ist. Sie hat seine übermenschlichen körperlichen Fähigkeiten geerbt, doch darf sie sie nicht zeigen, wenn sie nicht in den Labors und Zellen der Militärs enden will.


    Mit der dystopischen Ausgangssituation gehört „Santa Olivia“ in die Science Fiction – Sektion, ansonsten spielt Technik aber keine Rolle, die meisten Bewohner des Ortes sind schon froh, wenn sie fließendes Wasser und Strom haben. Autos oder moderne Waffen und Kommunikationsmöglichkeiten sind dem Militär vorbehalten und weder den Soldaten noch den Männern der Familien, die sich erfolgreich arrangiert haben und als eine Art Warlords die Stadt regieren, sollte man in die Quere kommen. Der Haupteindruck ist der eines Besatzungsgebiets ohne Hoffnung auf Entkommen oder Veränderung – wo und wann das ganze stattfindet ist eigentlich unwichtig. Der einzige Hoffnungsschimmer der Bevölkerung ist der alle paar Monate stattfindende Boxkampf, der dem, der den aktuellen Militärchampion besiegt, ein Ticket in die Freiheit verspricht.


    Jacqueline Carey ist es hervorragend gelungen, die bedrückende und einengende Stimmung dieses besetzten Ortes einzufangen, der keine echten Chancen bietet und wo eine Entscheidung immer nur die Wahl zwischen zwei Übeln ist. Loup findet jedoch Freunde, Freunde denen sie ihr Geheimnis anvertrauen kann und die sie trotz ihrer Andersartigkeit lieben und sie auch noch unterstützen, als sie eine Entscheidung trifft, die wirklich alles verändern kann. Die Darstellung der Kameradschaft und Loyalität dieser Personen ist wunderbar und dadurch, wie Jacqueline Carey es schafft, all ihren Figuren Leben einzuhauchen und ihr Leben und ihre Motive nachvollziehbar zu machen, hat sie es auch geschafft, dass mir so manche zunächst gleichgültige oder unsympathische Person unerwarteterweise dann doch ans Herz gewachsen ist.


    Das Buch war genau das, was ich mir erhofft hatte und obwohl die Geschichte in sich abgeschlossen ist, freue ich mich ganz besonders über die Entdeckung, dass eine Fortsetzung – „Saints Astray“ – für November avisiert ist. Denn vielleicht gibt es doch noch Hoffnung für Santa Olivia. :tipp:


    5ratten

    Einmal editiert, zuletzt von illy ()

  • Um dieses Buch schleiche ich seit Jahren herum, ich glaube bei der nächsten Buchbestellung muss es auf der Liste stehen. :growSUB:

  • Oh wow. Das hört sich ja klasse an. Von dem Buch hatte ich vorher noch nie gehört, aber das muss sofort auf meine Wunschliste, nachdem ich die erste Kushiel-Trilogie so toll fand.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Das kommt nur schon wegen der Grundidee sofort auf die Things-to-get-list.

  • Ich schließe mich dem allgemeinen Haben-wollen an - Du magst es mir nicht zufällig ausleihen? :heybaby:

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Schön, dass ich euch alle begeistern konnte :breitgrins:
    Breña: Ich habe das Buch schon wieder aus dem Regal gezogen und in die "zum nächsten Treffen mitnehmen" - Tasche getan

  • Inhalt:
    „It went away so fast. And we just let it happen.“


    Carmen war dreizehn, als es passierte. Die Stadt Santa Olivia wurde, besetzt durch das amerikanischen Militär, von der Aussenwelt abgesperrt und zum Outpost Nr. 12 erklärt. Es gibt keine Autos, keine Unterhaltungselektronik, keine Zeitungen. Hin und wieder schlägt eine bösartige Krankheits-Epidemie zu, die jedes Mal schlimmer zu werden scheint. Nur die regelmässigen Boxkämpfe, die demjenigen, der den Militärchampion besiegt, ein „Ticket in die Freiheit“ versprechen, sorgen für etwas Auflockerung und einen fadenscheinigen Hoffnungsschimmer.


    An diesem tristen Ort trifft Carmen Garron in ihrem harten, jungen Lebeneines Tages auf einen seltsamen Fremden. Ein Durchreisender, so sagt er. Und Carmen, weiss auch warum er so seltsam ist. Was sie nicht weiss ist, dass sein Schicksal unmittelbar mit dem ihrem verknüpft ist. Sie wird ein unübersehbares Zeichen in Santa Olivia setzen. Und ihre Kinder sind diejenigen, die ihm folgen werden.


    Meine Meinung
    „This singularly gifted Storyteller“, wie es in einem Zitat auf dem Rückentext so schön heisst, fesselt den Leser mit einer nahezu beängstigenden Nähe zum Geschehen. In einem ständigen, dynamischen Wechsel zwischen der Betrachtung von aussen und dem Blickwinkel der Charaktere schweben die Worte über die Seiten. Was nicht heisst, dass das Buch leicht zu lesen ist. Im Gegenteil. Obwohl auf sehr wenigen Seiten sehr viel passiert, hat die Geschichte Tiefgang. Carey schürft die Emotionen mit wenigen, treffenden Ausdrücken, ohne zu viel Energie auf Umgebungsbeschreibungen zu verschwenden. Und doch oder vielleicht gerade deswegen sind die Bilder äusserst klar und eindringlich. Es ist eine düstere Welt, die hier gezeichnet wird, doch sie ist auch voller Leben. Zwei Szenen haben mich sogar ausserordentlich aufgewühlt, wie ich bereits in der "Ist schuld"-Lesenacht mitgeteilt habe.


    Die Charaktere sind überwiegend sympathisch, aber auf jeden Fall immer nachvollziehbar. Es gab keinen, dessen Beweggründe ich nicht verstehen konnte. Es gab keinen, der gekünstelt wirkte. Nur zwei Nebenfiguren hätte ich am liebsten an die Wand geklatscht, aber das erledigen Carey sei Dank bereits andere. Zwar sympathisiert sie eindeutig mit manchen mehr als mit anderen, doch das verleitet nur noch mehr dazu, Partei zu ergreifen. Lebensechte Formulierungen, wie die Antwort „puh-lease!“ (für „please“) eines ungläubigen Teenagers angesichts eines verrückten Plans, verstärken diesen Effekt noch.


    Kleinere Lichtblicke zwischendurch fehlen in der düsteren Atmosphäre ebenfalls nicht, nur einige Sequenzen waren mir dann doch gar zu kitschig religiös anmutend dargestellt. Auch hätte ich mir Abschnittsunterteilungen gewünscht, wenn ein neues Zeitfenster aufgeht. Aber darüber kann man hinwegsehen. In Sachen Tempowechsel gibt es ebenfalls geringe Abzüge, wobei das vermutlich auch etwas Geschmackssache ist.


    4ratten und :tipp: