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Inhalt: White Point ist ein wild gewachsenes Fischerdorf an der australischen Westküste. Die Leute sind mit Hummerfang schnell sehr reich geworden, aber das hat auf die Umgangsformen nur wenig Einfluß, zumal auch manch alte Gräben aus der Vergangenheit die Gemeinde durchziehen. Georgie Jutland ist vor ein paar Jahren hier aufgetaucht und inzwischen mit Jim Buckridge, dem reichsten Fischer, verheiratet. Der Witwer hat aus erster Ehe die beiden Söhne Josh und Brad, die es der Stiefmutter nicht immer leicht machen. Glücklich ist Georgie in ihrem Leben nicht, ertränkt das in Alkohol und verbringt die Nächte vorwiegend im Internet surfend. Eines sehr frühen Morgens beobachtet sie, wie in der Bucht unterhalb ihres Hauses ein Boot zu Wasser gelassen wird. Sie geht hinunter, besieht sich den Wagen und freundet sich mit wartenden Hund an. Eigentlich müßte sie zumindest ihrem Mann von ihrer Beobachtung erzählen, denn wahrscheinlich fischt hier jemand ohne Lizenz. Aber in White Point wird dergleichen gerne sehr endgültig und ohne Einschaltung der Justizorgane geregelt. Vorsichtige Nachforschungen ihrerseits, um wen es sich handelt, bringen kein Ergebnis, aber irgendwann läuft sie Luther Fox durch Zufall über den Weg. Auch Luther ist alles andere als glücklich, seit etwa einem Jahr, seit einer familiären Katastrophe, lebt er allein und völlig zurückgezogen. Die beiden fühlen sich zueinander hingezogen, aber als offenbar wird, daß man in White Point weiß, daß Luther als nächtlicher Fischer unterwegs ist, seinen Wagen demoliert und seinen Hund erschießt, entschließt sich Luther zur Flucht in den Norden. Jim Buckridge ahnt aber, daß es eine Verbindung zwischen Lu und seiner Frau gibt. Er reist mit Georgie gleichfalls in den Norden, um Luther zu suchen ...
Meine Meinung: Zwei Dinge gelingen Winton für mein Empfinden sehr gut. Das erste ist die Vermittlung der Landschaft und ihrer Wirkung auf die Menschen, egal ob es um das in den Roaring Forties gelegene White Point oder um den tropischen Norden geht. Dafür braucht er nur immer nur wenige Worte, die aber einfach genau treffen, keine seitenlangen, einschläfernden Beschreibungen. Das zweite ist das Geflecht der Beziehungen zwischen den auftretenden Personen, selbst, wenn sie nur Nebenrollen innehaben. Die Zusammentreffen mögen zufällig sein, aber sie wirken wie zwangsläufig und nicht besonders konstruiert. Und auch wenn die Zeitspannen, die diese Leute mit Luther, Jim und/oder Georgie verbringen, nur kurz ist, so reicht sie doch, um den Personen Profil zu geben und deutlich zu machen, warum die Begegnungen nur so und nicht anders ablaufen konnten. Dies alles wären Gründe, die mich eigentlich sofort nach weiteren Romanen von Winton Ausschau halten lassen würden.
Dabei gibt es jetzt allerdings ein Aber, und das ist ein großes Aber. Es ist auch nicht das erste Mal, daß mir dieser Aspekt in einem australischen Roman auffällt, daher vermute ich hier inzwischen fast eine sozusagen grundsätzliche Unverträglichkeit auf meiner Seite. Vereinfacht gesagt geht es um die Frontier-Mentalität: Probleme werden durch Gewalteinsatz „gelöst“, in Selbstjustiz an den offiziellen Organen der Strafverfolgung vorbei, und das wird nicht einmal kritisiert. Winton geht nun nicht so weit, dieses Verhalten auch noch zu glorifizieren, aber ein echtes Problem scheint es für ihn auch nicht gerade zu bedeuten. Und das, obwohl Georgies Vater auch noch Kronanwalt ist und die Geschichte ja nun erkennbar im ausgehenden 20. Jahrhundert angesiedelt ist. Ja, geht's noch? Ich halte sehr viel von der Errungenschaft des Rechtsstaates, und bei solchen impliziten Aufhebungen desselben schwanke ich irgendwo zwischen Fassungslosigkeit und schwerem Magengrimmen. Und dies ist auch für mindestens eine halbe Ratte Abzug in der Bewertung verantwortlich.
Im Gegensatz dazu ist Wintons Darstellung von persönlicher Problemlösung durch Alkoholeinsatz, der eben gar nichts löst, wie hier durch Georgie praktiziert, durchaus in Einklang mit meiner Wahrnehmung. Winton kritisiert auch hier nicht, aber er macht deutlich, daß es Georgie nur tiefer in Depressionen stürzt, und seine Formulierungen sind weder auf Witz noch auf Verniedlichung abgestellt. Das Ende läßt Interpretationsmöglichkeiten offen, auch wenn sich eine Tendenz aus dem ergibt, was zuvor erzählt wurde und wie dies geschah. Das war nicht unbefriedigend, aber ich hätte mir die Tendenz ein bißchen ausgeprägter und ein bißchen mehr in die andere Richtung gewünscht, das wäre m. E. glaubwürdiger gewesen.
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Schönen Gruß
Aldawen