Neal Stephenson - Cryptonomicon

Es gibt 23 Antworten in diesem Thema, welches 7.907 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von illy.

  • Ich hab vor ein paar Wochen "Cryptonomicon" gelesen, das Stephenson vor der Barock-Trilogie geschrieben hat, welches aber zeitlich danach (2. WK/Gegenwart) angesiedelt ist.
    Das ziegelsteinformatige Buch hat aber leider nur ein Minimum an Romanhandlung, während Detailbeschreibungen und Nebenhandlungen wirklich Seiten- und Kapitelweise aufgebläht werden. Ich habs binnen zwei Wochen durchgelesen (und hätte derweil sinnvollerweise besser für Klausuren gelernt), nur damit ichs durch habe. Und danach war ich doch etwas enttäuscht, dass eigentlich so wenig passiert ist.
    Euren Kritiken zu Folge ist das bei Quicksilver wohl auch nicht anders. Dann kann ich mir die Barock-Trilogie wohl guten Gewissens sparen, oder?


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    [size=9px]Edit: Hallo, ich habe das mal von "Quicksilver" abgetrennt, weil es sich hier ja um ein ganz anderes Buch (wenn auch den gleichen Autor) handelt. LG nimue[/size]

    You see things as they are and ask, "Why?" I dream things as they never were and ask, "Why not?" (G. B. Shaw)

    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Hallo Callibso,


    das ist ja schade. Ich habe das Buch nämlich noch auf dem SUB und es reizt mich echt sehr. Aber ich meine, dass es recht gute Kritiken bekommen hat?


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Hi nimue!


    1. würde ich "Cryptonomicon" (im Gegensatz zu Quicksilver :breitgrins:) nicht unter "Historische Romane", sondern eher unter Thriller oder sonstige Belletristik einordnen.


    2. Ich habe Cryptonomicon vor ein paar Jahren gelesen und hatte dasselbe zwiespältige Gefühl wie nach Quicksilver: Zwar ein sehr schönes Buch, aber eben, die Handlung der über 1000 Seiten lässt sich wohl leicht in zwei Sätzen zusammenfassen. Trotzdem hatte das Buch meiner Meinung keine übermässigen Längen und ich werde es definitiv ein zweites Mal lesen.


    Es ist halt, wie Stephen King sinngemäss im Vorwort der vollständigen Fassung von "The Stand" schon schrieb: Die Handlung ist nicht alles, was eine Geschichte ausmacht. Es ist mindestens ebenso wichtig, wie sie erzählt wird. Er nahm das Beispiel vom Märchen vom Rotkäppchen. Du kannst sagen "Ein Mädchen will seine Grossmutter im Wald besuchen, die aber vom Wolf gefressen wurde. Das Mädchen merkt es und ein Jäger tötet den Wolf und befreit die Grossmutter." Oder du kannst daraus eine zwanzigminütige spannende Geschichte machen. Am Inhalt ändert sich nichts, aber was ist dir lieber?
    Und so verhält es sich auch mit Cyptonomicon. Mir gefällt die Sprache und der Stil von Stephenson (auch in der deutschen Übersetzung). Ausserdem habe ich dank Stephensons guter Recherche noch so einiges übers Internet gelernt (was ich bis heute wohl auch aus anderen Quellen wüsste, aber im Cryptonomicon habe ich es zuerst gelesen), viel über Kryptographie erfahren, über Asien im Zweiten Weltkrieg etc.


    Und ausserdem hat mir Cryptonomicon einen meiner absoluten Lieblingscharaktere aller Zeiten beschert: Enoch Root. Der kommt übrigens auch in Quicksilver vor - Stephensons Fangemeinde fragt sich, ob Root unsterblich ist, was aber irgendwie nicht ins Konzept der Bücher passen würde, schliesslich ist es keine Fantasy und auch kein SciFi. Aber gut, Root war im 17. Jahrhundert Alchemist, vielleicht hat er ja den Stein der Weisen entdeckt.


    Meine Güte, jetzt höre ich aber auf, bevor ich hier noch komplett abschweife :zwinker:


    Gruss


    Alfa Romea


    PS: Was ich damit sagen wollte: Gib Cryptonomicon eine Chance!

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Ähmm, eigentlich wollte ich ja Meinungen zu Quicksilver lesen und habe Cryptonomicon nur als Vergleich erwähnt...
    Aber so ists auch gut. :)


    Alfa_Romea: Danke für deine Beschreibung! Es scheint wohl Stephensons Stil zu sein, dass er ne minimale Handlung mit wahnsinnig viel Detailbeschreibungen und Nebenhandlungen füllt. Das kann sicher interessant sein, ist aber wohl eher nix für mich. Dafür bin ich zu ungeduldig (und bei Cryptonomicon war ich dann anschließend auch etwas enttäuscht).


    Die (Lawrence) Waterhouse-Kapitel haben mir richtig gut gefallen, voll Ironie , mit richtig interessanten Beschreibungen und teilweise auch mit einigen Lachern (Faktor MSN = Mary Smith Nähe :breitgrins:), während sich die Shaftoe- und Dengo-Kapitel dagegen wie Kaugummi zogen...

    You see things as they are and ask, "Why?" I dream things as they never were and ask, "Why not?" (G. B. Shaw)

  • Ich will mal diesen Thread ein bisschen aus der Versenkung holen, denn das Buch liegt seit kurzem auch auf meinem SUB und ich wüsste gerne, ob es noch andere Meinungen dazu gibt. Irgendwie lese ich hier eher Negatives heraus.


    Zitat von "Callibso"

    Die (Lawrence) Waterhouse-Kapitel haben mir richtig gut gefallen, voll Ironie , mit richtig interessanten Beschreibungen und teilweise auch mit einigen Lachern (Faktor MSN = Mary Smith Nähe :breitgrins:), während sich die Shaftoe- und Dengo-Kapitel dagegen wie Kaugummi zogen...


    Bezieht sich das auf "Quicksilver"?


    Liebe Grüße


    Doris

  • Zitat von "Doris"


    Bezieht sich das auf "Quicksilver"?


    Nein, das bezieht sich auf "Cryptonomicon".


    :winken:


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • @Alfa Romea
    Danke für die Info und auch ein dickes Dankeschön für Dein Posting weiter oben, das mir doch Lust gemacht hat, "Cryptonomicon" zu lesen. wenn auch erst im nächsten längeren Urlaub.


    :bussi:

  • Gern geschehen, Doris! Ich bin immer froh, wenn ich jemanden mit Neal Stephenson anfixen kann... :breitgrins: Er ist zwar nicht der beste Autor aller Zeiten und ich habe mich beim Lesen von "Cryptonomicon" und "Quicksilver" ab und zu auch aufgeregt, aber irgendwie schafft er es, einem ganz spezielle Leseerlebnisse zu haben...
    Deshalb ist dein Entschluss, "Cryptonomicon" erst in einem längeren Urlaub zu lesen, ziemlich weise. Stephensons Bücher brauchen Zeit und den Willen, sich darauf einzulassen :zwinker:


    Mit einem lieben Gruss


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Sodele, jetzt muss ich mich 1. selber zitieren und 2. noch meinen detailierten Senf zu "Cryptonomicon" dazugeben.


    Zu 1.:
    [quote author=Alfa_Romea]
    Er ist zwar nicht der beste Autor aller Zeiten und ich habe mich beim Lesen von "Cryptonomicon" und "Quicksilver" ab und zu auch aufgeregt[/quote]


    Nachdem ich noch "The Confusion", "The System of the World" und "Cryptonomicon" (zum zweiten Mal) gelesen habe, möchte ich obenstehende Aussage revidieren. Neal Stephenson mag zwar objektiv betrachtet tatsächlich nicht der beste Autor aller Zeiten sein, aber er ist jetzt sicher mein Lieblingsautor - jedenfalls vorläufig (= bis ich einen anderen finde, was aber alles andere als sicher ist). Aber ich begreife jeden, der mit seinen Büchern nichts anfangen kann, ich kann Callibsos Äusserungen durchaus nachvollziehen.


    Zu 2.:
    Zum Inhalt von "Cryptonomicon":
    «Cryptonomicon» inhaltlich zusammenzufassen ist einigermassen schwierig. Sagen wirs mal so: Es gibt zwei Handlungsstränge, die einiges gemeinsam haben. Es geht um Datenverschlüsselung im Zweiten Weltkrieg (für die unter anderen Lawrence Pritchard Waterhouse zuständig ist) und um Datenverschlüsselung um die Jahrtausendwende (mit der wiederum Randy Waterhouse, Enkel von Lawrence zu tun hat). Da diese beiden Protagonisten mehr oder weniger vom Schreibtisch aus arbeiten und es in einem Thriller Action braucht, mischen noch die Shaftoes mit. Im Zweiten Weltkrieg ist das Sergeant Bobby Shaftoe, der in einer geheimen Elite-Einheit alles mögliche tut, um dem Feind - also den Deutschen und den Japanern - zu schaden. Im zweiten Handlungsstrang ist das Bobbys Sohn Douglas Shaftoe, der auf den Philippinen eine Firma unterhält, die auf dem Meeresgrund nach versunkenen Schätzen sucht. Überhaupt: Gold ist für die Geschichte auch wichtig. Es gibt Gerüchte, dass die Japaner in WK II auf der Philippinen-Insel einen riesigen Goldschatz vergraben haben. Der spielt in beiden Handlungssträngen eine Rolle, aber da verrate ich nicht mehr.


    Meine Meinung:
    «Cryptonomicon» - das ist über 1000 Seiten Unterhaltung im besten Sinne. Egal, ob der Leser gerade Bobby Shaftoe in Nordafrika oder Randy Waterhouse in einer Vorstandssitzung seiner Epiphyte(2) Corp. begleitet: Es ist auf keiner Seite langweilig. Neal Stephenson serviert den umfassenden Plot mit viel Humor und Ironie. Und wenn mal Action angesagt ist, sind seine Helden nicht einfach strahlende Übermenschen, sondern Leute, die auch mal Angst haben und Dinge teilweise nur aus reinem Überlebenswillen tun. Überhaupt sind die Charaktere sehr schön ausgearbeitet, mit Stärken und Schwächen wie im richtigen Leben. Das macht sie symphatisch und ihre Handlungen nachvollziehbar.
    Schwächen gibt es praktisch keine. Es hätte mich einzig interessiert, wie es mit dem Datenhafen, den Randy und seine Geschäftspartner errichten wollen, weitergeht. Da ist Stephenson meiner Meinung eine Antwort schuldig geblieben.
    Es fällt mir schwer, in dieser Rezension auszudrücken, weshalb ich «Cryptonomicon» so gut finde. Floskeln wie «ein Buch zum Versinken» treffen für einmal in einer Weise zu, wie es ganz selten passiert. Es ist ein Buch, dass einen «noch lange nachdem man es gelesen hat beschäftigt», um eine weitere Floskel zu bemühen, die so abgedroschen klingt und in diesem Fall doch so wahr ist. Empfehlen würde ich dieses Buch nur Menschen, die eine Geschichte vor allem um der Geschichte willen lesen und nicht um zu erfahren, wie es ausgeht. Wie ich schon in meiner Kritik zur Barock-Trilogie geschrieben habe: Der Weg ist das Ziel. Noch eine Floskel, die bei Stephenson nicht nur so dahingesagt ist, sondern den Kern der Sache ziemlich gut trifft.


    Die Bewertung:


    5ratten



    Noch Fragen? Nur her damit! :breitgrins:



    Liebe Grüsse


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • [quote author=Doris]
    Wie viel bezahlen sie dir für diese Rezi? :elch:
    [/quote]


    Gegenfrage: Wer sind «sie»? :breitgrins:


    Nein, mal ernsthaft: Was ich geschrieben habe, meine ich durchaus so. Ich habe in Neal Stephensons Büchern sozusagen meinen Lesehimmel gefunden. Mir ist aber bewusst, dass das nur für mich gilt und kann nachvollziehen, wenn andere seine detailversessenen, ausschweifenden und umfangreichen Werke nicht mal mit der Kneifzange anfassen würde :zwinker:


    Alfa Romea, unbezahlbar unbestechlich

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.


  • Gegenfrage: Wer sind «sie»? :breitgrins:


    Der Autor, der Verlag, nimue... :zwinker:


    Auch ernsthaft: Ich mag es gerne etwas ausführlich, solange es für meinen Geschmack gut geschrieben ist. Dein Beispiel weiter oben von Rotkäppchen trifft es sehr genau. Mir würde dazu Dickens einfallen, der auch sehr ausschweifend, aber trotzdem spannend und unterhaltsam erzählen kann. Auf Anhieb kann ich mich nur an ein Buch erinnern, das sehr umfangreich war und mir sterbenslangweilig vorkam, weil es mehr oder weniger nur auf der Stelle trat und sich in Wiederholungen erging (Hungersbräute).


    Cryptonomicon liegt schon ein Weilchen auf meinem SUB, weil der richtige Zeitpunkt zum Lesen noch nicht da war, hat es aber mittlerweile schon auf meine Liste der Bücher geschafft, die ich im kommenden Jahr lesen möchte. Meine Eindrücke werde ich auf jeden Fall hier posten.


    LG
    Doris

  • Ich habe es gewagt, ich habe mit Cryptonomicon angefangen (welches in der englischen Ausgabe schon ein bischen bei mir zuhause herumsubbt).
    Bin zwar erst auf Seite 15, aber die gingen eigentlich schneller voran als ich dachte.


    Also ich bin gespannt wie sich das Buch entwickelt, den Anhang hab ich mir zur Hälfte schon durchgelesen, interessant find ich vorallem die Erklärungen von Bruce Schneier warum Solitaire so ein spezieller Verschlüsselungsmechanismus ist.


    lg Stefan

  • [quote author=DerTeufel]
    den Anhang hab ich mir zur Hälfte schon durchgelesen, interessant find ich vorallem die Erklärungen von Bruce Schneier warum Solitaire so ein spezieller Verschlüsselungsmechanismus ist.
    [/quote]


    Den Anhang habe ich mir auch mal durchgelesen, aber etwa nur ein Viertel von dem kapiert, was da zu Solitaire steht. Von mir als Mathegenie habe ich auch nichts anderes erwartet. Glücklicherweise war der Rest des Buches einfacher zu verstehen :breitgrins:

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Jetzt les ich schon seit 1 1/2 Monaten daran und bin erst auf Seite 200. Aber nicht weil das Buch nicht so toll ist, war zwischendurch bischen krank und hab nicht soviel gelesen und das Buch ist einfach ziemlich anstrengend.
    Aber bis jetzt gefallen mir am besten die Kapitel mit Waterhouse (in beiden Zeitlinien).


    lg Stefan

  • Monate später (ok davon mindestens 1 1/2 Monate ohne physischem Zugang zu dem Buch) fehlen mir nur noch 100 Seiten ... was für ein Wälzer, was für ein verrücktes aber geniales Buch :)


    lg Stefan

  • Fertig seit gestern.


    Inhalt:


    Siehe die vorige(n) Rezension(en)


    Persönliches zu dem Buch:


    Ich weiss nicht ob es an dem Buch lag, oder daran das ich mir dieses Jahr nichtmehr soviel zeit zum lesen genommen habe, aber es hat ewig gedauert es fertig zu kriegen.
    Auszüge aus meiner Leseliste:

    Code
    Neal Stephenson - Cryptonomicon	(bis Seite ?)                  09.02.2007     14.04.2007
    Neal Stephenson - Cryptonomicon	(bis Seite 795)             16.04.2007      08.06.2007
    Neal Stephenson - Cryptonomicon	(Rest)                          04.08.2007      25.08.2007


    Am 8.6. wurde mir das Buch temporär entzogen (hab meinen Rucksack bei ner Bekannten vergessen und wir sind erst 1 1/2 Monate später dazugekommen ihn wieder mir zukommen zu lassen), aber aufjedenfall war ich insgesamt ungefähr 6 1/2 Monate nach dem Beginn des Buches damit fertig und hab ungefähr 4 1/2 Monate daran gelesen.
    Also ein Tip für jeden der es lesen will: Nehmt euch Zeit und lest das Buch in Ruhe. Vorallem wenn ihr es nicht auf Deutsch lest, man kommt nicht sehr viel weiter wenn man nur Abends kurz mal liest.


    Rezension:


    Stranges Buch. Wenn ich mich zurückerinnere scheint mir dieses Buch eher nicht wie ein zusammenhängendes Buch sondern eher wie einzelne Episoden aus dem Leben der diversen Hauptcharaktäre. Die Hauptstory würde bestenfalls für ein 200 Seiten Buch reichen, der Rest sind diverse Nebengeschichten oder genaueste Ausführungen. Trotzdem schaffte es Neal Stephenson (von dem ich vorher nur Diamond Age, ein komplett anderes Buch gelesen habe) mich zu faszinieren.
    Mir haben nicht alle Handlungsstränge gleich gut gefallen, aber wie könnte es auch anders sein die die mit Mathematik, Cryptographie und EDV zu tun hatten waren die interessantesten für mich.
    Das Buch fühlt sich im Nachhinein irgendwie wie eine Season einer TV Serie an, wo man am Anfang sich noch fast gar nicht auskennt und gegen Schluss sich die Handlung nur so überschlägt. Wo alles dann irgendwie zusammenhängt.


    Ein Buch das sicher nicht für jeden geignet ist, ich denke ohne eine gewisse Affinität zu Technik wird man sich mit dem Buch sehr schwer tun, mir hat es aufjedenfall gefallen und auch wenn ich bereits "Angst" vor dem nächsten Extremwälzer Quicksilver und seinen 2 Nachfolgebüchern habe, freu ich mich schon darauf.
    Aber das wird wahrscheinlich eher ein Projekt für 2008 :)


    Meine Wertung: 5ratten

    Einmal editiert, zuletzt von Horrendus ()

  • Neal Stephenson – Cryptonomicon (erschienen 1999, dt. 2001)


    Die Ansicht der anderen Leser teile ich nicht ganz. Natürlich kann man eine Handlung verkürzen. Man könnte auch den wesentlichen Inhalt von Krieg und Frieden auf hundert Seiten beschränken. Aber das ausführliche Erzählen ist es doch, was ein Buch erst lesenswert macht. Und das beherrscht Stephenson wirklich. Dieses Buch präsentiert eine solche Fülle von Personen, Handlungen und geschichtlichen Fakten, dass mir nie langweilig wurde. Der Ablauf ist unterteilt, ein Teil spielt zur Zeit des 2. Weltkrieges, der andere etwa Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die Schauplätze verteilen sich fast rund um den Globus, von den Philippinen über Skandinavien bis nach England und wo die realen Lokalitäten nicht ausreichen, werden einige fiktive dazu gefügt. Es ist von Vorteil, wenn man eine Vorliebe zu Kriegserzählungen, technischen Abläufen und Computern hat, denn diese Themen beherrschen den Inhalt. Um Herzensangelegenheiten macht Stephenson lange Zeit einen Bogen, aber in der zweiten Hälfte des Buches kommen auch sie zum Zug. Interessant waren nicht zuletzt die Details zur Verschlüsselungstechnik, die offenbaren, dass es sich hier fast um eine Wissenschaft handelt, die weit entfernt ist von dem, was ich mir bisher darunter vorstellte.


    Aufgrund der Länge des Romans bleibt viel Zeit, die einzelnen Figuren zu beschreiben und weiter zu entwickeln. Für mich gab es hier bei den Protagonisten einige Überraschungen, vor allem bei Personen, die durch ihr Umfeld in ein bestimmtes Schema gepresst werden, dem sie plötzlich doch nicht mehr entsprechen. Der geheimnisvolle Enoch Root ist für meine Begriffe etwas kurz gekommen. Über ihn selbst erfährt man überhaupt nichts und auch sonst hätte mir mehr Präsenz besser gefallen. Das weckt die Neugier.


    Genial war für mich die Sprache. Stephenson glänzt durch seine Eloquenz und schaffte es mühelos, mich auch Passagen mit wenig Handlung mit Genuss lesen zu lassen. Stilistisch geht er etwas unkonventionelle Wege, indem er lange Beschreibungen von Nebensächlichkeiten einfließen lässt, um dann wesentliche Begebenheiten prägnant und ohne jegliches Pathos abzuhandeln. Der Humor geht eher in die sarkastische Richtung. Davon hätte ich gerne noch mehr gehabt.


    In einem Punkt stimme ich euch hundertprozentig zu: Dieses Buch verzeiht keine allzu langen Pausen oder schnelles Lesen nebenbei. Viel zu schnell ist dann der Faden verloren.


    Die jeweils aktuellen Eindrücke könnt ihr in dieser Leserunde finden.


    Meine Wertung: 4ratten


    Grüße
    Doris

  • Ich habe es nun auch hinter mich gebracht, und kann mich nicht ganz Euren Lobgesängen anschließen. Sicher, die Sprache Stephensons hat was, und manche Konstruktionen lassen einen grinsen. Personen wie Bobby Shaftoe sind interessant. Aber ich finde trotzdem, daß das Ganze trotz Sprache und Abschweifungen mit der Hälfte der Seiten auch ausgekommen wäre. Ich habe nichts gegen Weitschweifigkeit, aber ich habe mich über weite Strecken wirklich durch das Buch quälen müssen. Meine Erwartungen an das Buch waren wohl zu hoch und sind leider enttäuscht worden. 3ratten

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001