Charlotte Brontë - Jane Eyre

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  • Nein, leider nicht. Ich habe eine viel ältere Ausgabe von Könemann, in Leinen mit Schutzumschlag. Weil mir aber die Penguin-Clouthbound Ausgabe so gut gefallen hat, habe ich diese verlinkt :zwinker:

  • Ach so. Aber auch unabhängig vom Einband ist das ein wunderschönes Buch. Ich freue mich schon darauf, es irgendwann auch endlich auf englisch zu lesen. Bisher steht die Clothbound-Ausgabe nur dekorativ im Schrank.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Bis Kapitel 20:


    Jane hat nun ihre Stelle als Gouvernante in Thornfield Hall angenommen. Sie wird freundlich angenommen und hat mit Adéle eine freundliche, wenn auch etwas oberflächliche Schülerin gefunden. Trotzdem fühlt sich Jane ruhelos - die Gegend ist ihr zu still und abgelegen. Sie, die bis jetzt abgeschottet von der Welt aufgewachsen ist, möchte nun etwas erleben und Erfahrungen sammeln.


    Das ändert sich endlich, als sie ihren Arbeitgeber Mr. Rochester kennen lernt. Er ist ein Exzentriker, sehr launenhaft und sieht sich selbst als gelangweilten, misanthropischen Lebemann. Angeblich mag er weder Kinder, noch dumme alte Damen. Trotzdem achtet er darauf die Gefühle seiner ältlichen Haushälterin Mrs. Fairfax nicht zu verletzen und hat die Verantwortung für Adéle übernommen, der bei Fremden zurückgelassenen Tochter seiner ehemaligen Mätresse. Von Anfang an behandelt er Jane als ebenbürtige gleichberechtigte Gesprächspartnerin und beginnt sie sehr schnell auf seine schroffe kauzige Art zu umwerben.


    Es ist also kein Wunder, dass sich Jane Hals über Kopf in ihn verliebt. Sie blüht auf und beginnt sich in Thornfield trotz der seltsamen Grace Pole und immer wieder unheimlichen Laute wohl zu fühlen.


    Charlotte Bronte passt die Jahreszeiten perfekt an die Lebensumstände ihrer Heldin an. Der Roman startet im späten November, im Übergang von Herbst auf Winter. Das Wetter ist nass-kalt, trübsinnig und wenig einladend und spiegelt damit die unfreundliche Atmosphäre von Gateshead Hall wieder. Den darauffolgenden strengen Winter mit seinen eisigen Temperaturen erlebt Jane bereits in Lowood. Es ist eine Zeit, in der sie all ihre Kräfte aufbringen muss, um sie unbeschadet zu überstehen. Allein und noch ohne Freunde wird sie vom Schulvorsteher Mr Brocklehurst vor der ganzen Schule als Lügnerin bezeichnet und schwer gedemütigt. Diese Episode kennzeichnet den absoluten Tiefpunkt in ihrem jungen Leben, danach geht es wieder aufwärts. Sie schließt mit Helen Burns und Ms Temple, der Direktorin der Schule, Freundschaft und lebt sich während des nun auftretenden Tauwetters und des beginnenden Frühlings im Internat ein.


    Auch wenn Helen sehr früh stirbt - die Lebensumstände für Jane beginnen sich nun wesentlich zu verbessern. Aufgrund einer schweren Epidemie mit einer immensen Todesrate wird Mr Brocklehurst die Aufsicht über die Schule entzogen. Die Mädchen erhalten von nun an genug und anständig zu essen und ausreichend warme Kleidung.


    Jahre später ist es wieder Herbst, als sich Jane in eine neue Stellung begibt. Ihre mütterliche Freundin Ms Temple hat im Spätsommer geheiratet, sodass es für Jane keinen Grund mehr gibt in Lowood zu bleiben. Doch im Gegensatz zum Beginn des Romans ist diesmal das Wetter ungleich freundlicher. Als Jane ihre Stellung in Thornfield Hall antritt, ist es immerhin noch so mild, dass sie das Fenster in ihrem Zimmer offen lassen kann. Somit kann man sich als Leser denken, dass zwar auf Jane noch eine stürmische Zeit zukommen wird, sie aber das schlimmste in ihrem Leben schon hinter sich gebracht hat.


    Ich mag das Buch einfach :smile:

  • Ach, Jane Eyre, ein Buch zum Träumen. :herz: Ich finde ja die Dialoge, die da bald noch kommen, ganz toll. Ich mag Jane und ihre Art und ihren Gegenpart auch. Mir wurde es allerdings auf die Dauer zu langsam, ich habe dann zufällig eine Verfilmung gesehen und danach hatte ich nicht mehr richtig Lust, das Buch zu Ende zu lesen. Das hatte aber wohl mehr mit meiner Ungeduld als mit dem Buch selbst zu tun. :zwinker:

  • @Stormy: Die Schlagabtausche zwischen Rochester und Jane sind wirklich etwas besonderes. Ich finde das Buch nicht langsam. Charlotte Bronte baut gekonnt einen Spannungsbogen auf. Auf eine unheimliche, nicht auf den ersten Blick erklärbare Episode folgt so lange das normale Leben in Thornfield Hall bis der Leser fast darauf vergessen hat. Dann schlägt sie wieder zu, wobei sich der Gruselfaktor beim nächsten Mal schon deutlich gesteigert hat. Gib dem Buch bei passender Gelegenheit noch eine Chance, es zählt jetzt schon zu meinen Lese-Highlights in diesem Jahr :winken:


    @Holden: Für mich ist Jane Eyre auch kein Sommerbuch. Graues, diesiges Wetter gehören irgendwie einfach dazu :zwinker:

  • Bis Kapitel 28:


    Sie hat es getan. Sie hat ihren Mr. Rochester verlassen. Das Geheimnis um Thornfield Hall ist gelüftet, die Hochzeit ist geplatzt und Jane zieht schweren Herzens die Konsequenzen daraus. Um sich selbst treu bleiben zu können, flieht sie in einer Nacht und Nebel Aktion und bringt möglichst viele Meilen zwischen sich und Rochester, um weder doch noch schwach, noch von ihm gefunden werden zu können. Zu ihrem Glück herrscht herrliches Sommerwetter vor, da sie völlig mittellos ist und im Freien übernachten muss. Somit kann auch der noch unwissende, aber aufmerksame Leser beruhigt sein - mit Jane wird letztendlich doch alles ein gutes Ende nehmen.


    Bewundernswert wie Charlotte Bronte konsequent das Wetter (es ist das Wetter und weniger die Jahreszeiten) an die Lebensumstände ihrer Heldin anpasst. Das geschieht unauffällig, man muss schon genau lesen und hinschauen und nicht von der Geschichte abgelenkt sein, um dies zu sehen. Jedenfalls ist es mir der Zusammenhang beim ersten Lesen auf Deutsch vor vielen Jahren nicht aufgefallen. Ich kannte den Roman damals nicht und war völlig gefangen von Janes "Abenteuern" bis sie endlich in ihrem Hafen angekommen war, um darauf zu achten.


    Sehr schön fand ich das Bild vom Nussbaum. Rochester und Jane gestehen sich an einem Sommerabend in einem Streitgespräch ihre Liebe, um sich dann als Konsequenz daraus zu verloben. Währenddessen zieht ein Sturm auf, so dass die beiden klatschnass ins Haus gelangen. Die ganze Nacht wütet ein heftiges Sommergewitter und am nächsten Morgen erfährt Jane, dass genau in diesem Nussbaum der Blitz eingeschlagen hat. Der Baum steht noch, ist aber in zwei Hälften geteilt. Aufgrund seiner starken Wurzeln bricht er auch nicht auseinander, obwohl die beiden Hälften natürlich absterben. Jane nimmt an, dass ihm die kommenden Winterstürme den Rest geben werden. Ich vermute dagegen, dass er aus von unten heraus neu austreibt, weil seine Basis gesund und kräftig ist. Die Liebe zwischen Jane und Rochester ist genau wie die Wurzeln des Baumes in ihrem Fundament stark und gefestigt. Es sind die Umstände nicht das fehlende Gefühl, die sie auseinander reißen.


  • Sehr schön fand ich das Bild vom Nussbaum. Rochester und Jane gestehen sich an einem Sommerabend in einem Streitgespräch ihre Liebe, um sich dann als Konsequenz daraus zu verloben. Währenddessen zieht ein Sturm auf, so dass die beiden klatschnass ins Haus gelangen. Die ganze Nacht wütet ein heftiges Sommergewitter und am nächsten Morgen erfährt Jane, dass genau in diesem Nussbaum der Blitz eingeschlagen hat. Der Baum steht noch, ist aber in zwei Hälften geteilt. Aufgrund seiner starken Wurzeln bricht er auch nicht auseinander, obwohl die beiden Hälften natürlich absterben. Jane nimmt an, dass ihm die kommenden Winterstürme den Rest geben werden. Ich vermute dagegen, dass er aus von unten heraus neu austreibt, weil seine Basis gesund und kräftig ist. Die Liebe zwischen Jane und Rochester ist genau wie die Wurzeln des Baumes in ihrem Fundament stark und gefestigt. Es sind die Umstände nicht das fehlende Gefühl, die sie auseinander reißen.


    Das hast Du schön auf den Punkt gebracht :herz: Für mich ist dieses Buch ja eines der schönsten Liebesgeschichten überhaupt.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • In St. John Rivers und Rosamund Oliver als zweites Liebespaar schaffte Charlotte Bronte noch ein Gegengewicht zu Jane und Mr. Rochester. Während bei den einen die gegenseitige Liebe sogar unüberwindbare Hindernisse und große räumliche Distanz überdauert, zerbricht die des anderen Paares an der Tatsache, dass sie von St. John nicht zugelassen wird. Fanatisch in seiner selbst gewählten Berufung verweigert sich Rivers dem greifbaren Glück. Rosamund fehlt sowohl Janes Stärke als auch deren Zielstrebigkeit. Damit ist ihre Liebe von Anfang an zum Scheitern verurteilt.


    In diesem Zusammenhang baut Bronte noch einmal einen großen Spannungsbogen mit fast schon unheimlichen Elementen für den Leser auf. Denn ich persönlich fand es richtig schauderhaft, als St. John die Ehe mit Jane beschließt. Sie gibt für ihn die perfekte Missionarsgattin ab, also beginnt er sie unerbittlich in diese Rolle zu drängen. Jane ist zu dieser Zeit besonders verletzlich, sie vermisst Mr. Rochester und ist betrübt, als sie von Mrs Fairfax keine Antworten auf ihre Briefe erhält. So hat St. John scheinbar leichtes Spiel mit ihr. Um ihm eine Freude zu bereiten und zu gefallen, beginnt sie Hindustani zu lernen und erklärt sich bereit, ihm in die Mission zu folgen. Erst als er auf eine Ehe besteht, besinnt sich Jane auf die in ihr innewohnende Stärke und stellt sich quer.


    Charlotte Brontes Roman ist von Anfang bis zum Ende perfekt komponiert. Mal in lauten, mal in leisen Tönen verfolgt man die Reifung von Jane zu einer unabhängigen jungen Frau, die für ihre Überzeugungen unabhängig der Konsequenzen einsteht. Jane Eyre weigert sich dem gesellschaftlichen Druck zu beugen. Sie verzichtet mehrmals auf ein bequemes, sicheres Leben, um sich selbst treu bleiben zu können. Dieses in eine wunderschöne Liebesgeschichte verpackte sozialkritische Buch stellt ein schonungsloses realitätsnahe Sittengemälde der damaligen Zeit dar.


    5ratten :tipp:

  • Der Möchtegern-Heilige St. John ist mir so auf den Keks gegangen :grmpf: Dafür fand ich das Ende des Buches umso schöner :herz:

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  • @Holden: Meinst du die Mini-Serie mit Ruth Wilson und Toby Stevens? Die gefällt mir auch sehr!


    Valentine: Ich glaube, niemand mag St. John. Wenn ich zwischen Rochester und ihn wählen müsste, wüsste ich, für wen ich mich entschiede (obwohl Rochester auch nicht mein Fall ist) :zwinker:


  • Valentine: Ich glaube, niemand mag St. John.


    Ja, der ist wohl als Unsympath angelegt, genauso wie die doofe Blanche (so hieß sie doch, oder?)


    Zitat

    Wenn ich zwischen Rochester und ihn wählen müsste, wüsste ich, für wen ich mich entschiede (obwohl Rochester auch nicht mein Fall ist) :zwinker:


    Rochester würde ich sofort nehmen :herz: Er ist zwar anfangs grantig und schroff und sicherlich kein einfacher Charakter, aber wenn man ihn zu nehmen weiß, wie Jane, ein treuer, ehrlicher und anständiger Partner, und zwar einer, der seine Frau wie ein denkendes, intelligentes Wesen behandelt (was ich in dieser Zeit ziemlich erstaunlich finde).

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    Leonard Cohen






  • Rochester würde ich sofort nehmen :herz: Er ist zwar anfangs grantig und schroff und sicherlich kein einfacher Charakter, aber wenn man ihn zu nehmen weiß, wie Jane, ein treuer, ehrlicher und anständiger Partner, und zwar einer, der seine Frau wie ein denkendes, intelligentes Wesen behandelt (was ich in dieser Zeit ziemlich erstaunlich finde).


    Darin stimme ich dir zu 100% zu. Er ist mir aber zu heftig in seinen Liebesbekundungen. Es wirkt so verzweifelt und ungestüm. Das ist mir persönlich zu viel. Es ist sicher ein Resultat seiner großen Unsicherheit und der daraus entstehenden Dankbarkeit, um seiner selbst willen und nicht seines Geldes wegen geliebt zu werden, aber mir ist es trotzdem zu viel. Ich bin eher der John-Thornton-Typ :zwinker:


    Ja, der ist wohl als Unsympath angelegt, genauso wie die doofe Blanche (so hieß sie doch, oder?)


    Ja, sie hieß Blanche. Man kann fast Mitleid mit ihr haben, denn ihre Funktion besteht einzig darin, Janes Vorzüge weiter herauszustreichen.


    Edit: Zitat repariert

    Einmal editiert, zuletzt von dodo ()

  • Dass das Wetter so gedeutet werden kann, ist mir gar nicht aufgefallen!
    Deine Ausführungen dazu sind wirklich toll! Vor allem die Interpretation des Nussbaums hat es mir angetan! :zwinker:


    Eine Verfilmung von Jane Eyre habe ich bisher nie gesehen. Aber ich sehe gerade, dass die Mini-Serie auf YouTube verfügbar ist! :klatschen:

    Es geschah kurz nach Anbruch des neuen Jahres, zu einem Zeitpunkt,

    als die violetten und gelben Blüten der Mimosenbäume rings um die Ambulanz

    aufgesprungen waren und ganz Missing in Vanilleduft gehüllt war.


    Abraham Verghese – Rückkehr nach Missing

  • British_Soul: Ich wünsche dir viel Spaß mit der Serie. :herz: Mir gefiel sie besser als der Film mit Michael Fassbender. Er und Mia Wasikowska sind viel zu gut aussehend für die unscheinbare Jane und der hässliche Rochester.

  • Ich mochte beide Varianten der Verfilmung, weil ich eigentlich keinen der Darsteller so hollywoodschön fand, eher alle miteinander vom Typus "interessant".


    Und auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Rochester war für mich beim Lesen nie wirklich hässlich, eher so ein kantiger Typ, der auf den ersten Blick nicht so richtig gut aussieht, aber viel Charisma hat, und Jane mag zunächst unscheinbar wirken, aber ich glaube, auch sie gewinnt ungemein an Anziehung, wenn man sie kennt, vielleicht durch schöne, strahlende Augen oder ein zauberhaftes Lächeln.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Valentine: Du hast natürlich recht, was Rochesters Charisma und Ausstrahlung betrifft. Fassbender fällt für mich aber definitiv in die Kategorie gut aussehend, während bei Toby Stephens die Ausstrahlung viel mehr zur Geltung kommt.


    Genauso geht es mir bei der Besetzung von Jane: Ruth Wilson passt für mich einfach besser. Sie wirkt so unscheinbar und blüht erst mit der Zeit auf, zum Beispiel wenn sie Rochester oder Adele anlächelt. Mia Wasikowska ist von Anfang an eine Schönheit mit einer furchtbaren Frisur in einem unglücklich gewählten Kleid.


    Die beiden treffen einfach eher meine Vorstellung von Jane und Rochester. :winken: