William Shakespeare - Othello

Es gibt 30 Antworten in diesem Thema, welches 25.127 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Doris.

  • Am 4. Oktober geht es wieder los: Wir lesen


    Othello
    Eine Tragödie in fünf Akten


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    Als Musterdrama der Eifersucht galt es schon immer: Othello, der edle schwarze General, erdrosselt seine große Liebe, die ihm frisch angetraute Senatorentochter Desdemona, weil sie ihn mit dem jungen Leutnant Cassio betrogen haben soll. So jedenfalls lauten die lügenhaften Einflüsterungen des machtgierigen Erzschurken Jago. Doch nicht so sehr die Psychologie dieses Hasses gibt heute zu denken, auch nicht das Animalische, das in den verletzten Gefühlen Othellos durchbricht; vielmehr faszinieren die Schattierungen im Umgang mit dem Rassenunterschied: sie reichen von Desdemonas liebendem Blick auf die »inneren Werte« über die kühle Vorurteilslosigkeit des Dogen bis hin zu Jagos rassistischer Hetze. (Quelle: Amazon)


    Wer Lust hat, darf gerne mitlesen und -diskutieren. Ich wünsche uns allen viel Spaß dabei!


    Liebe Grüße
    Doris

    Einmal editiert, zuletzt von Doris ()

  • Hallo zusammen,


    ich habe heute mit dem Stück schon angefangen und den ersten Akt gelesen. Die Charaktere einiger Figuren kristallisieren sich schon bald heraus. Jago ist der Bösewicht, Rodrigo scheint mir ein williges Werkzeug zu sein und Desdemona liebt Siegertypen. Über Othello erfährt man noch nicht wirklich viel, zumindest nicht über sein Wesen.


    Eine Sache ist mir nicht ganz klar: Gegen Ende des 1. Aktes gibt es einen kurzen Monolog von Jago, in dem er immer wieder die Worte "Tu Geld in deinen Beutel" wiederholt. Was meint er damit?

  • Ich habe erst heute Morgen begonnen zu lesen, da ich gestern Dienst hatte.
    Ich bin jetzt nur bis zur ersten Szene des ersten Aktes gelangt und schon jetzt hat mich Shakespeare wieder in seinen Bann geschlagen.


    Zuallererst einmal muss ich gestehen, dass ich Jagos Reaktion, bzw. seinen Zorn schon verstehen kann. Auch heute noch ärgert es mich immer wieder, wenn Leute einen Posten bekommen, von welchem sie keine Ahnung und keinerlei praktische Erfahrung haben.
    Allerdings habe ich ein Problem damit, dass man sich dann auf so subtile und hinterhältige Weise rächt. Solche Dinge sollten mit den entsprechenden Personen auf verbale Weise geregelt werden. Alles andere ist ja schon fast Zickenkrieg. :breitgrins:


    Doris:Wenn ich gleich bei der Stelle angelangt bin, auf welche sich Deine Frage bezog, werde ich wieder schreiben.


    Viele Grüße Tina


  • Zuallererst einmal muss ich gestehen, dass ich Jagos Reaktion, bzw. seinen Zorn schon verstehen kann. Auch heute noch ärgert es mich immer wieder, wenn Leute einen Posten bekommen, von welchem sie keine Ahnung und keinerlei praktische Erfahrung haben.
    Allerdings habe ich ein Problem damit, dass man sich dann auf so subtile und hinterhältige Weise rächt. Solche Dinge sollten mit den entsprechenden Personen auf verbale Weise geregelt werden.


    ...oder einfach akzeptiert werden. Es gab sicher Gründe, warum Cassio den Vorzug bekam. Ansonsten gebe ich dir recht, Tina. So hinterhältig sollte man nicht sein. Aber dann wäre es doch auch langweilig, nicht? :zwinker:

  • Na, aber auf alle Fälle wäre das langweilig und eines der Dinge die so sehr an Shakespeare liebe, sind seine bösen Schurken. Deshalb gefiel mir auch Richard der III so gut.

  • In den nachfolgenden Szenen des ersten Aktes zeigt Jago immer mehr sein wahres Gesicht. Er ist so wütend, voller Rache und Hass, dass es ihm egal ist, ob er andere mit ins Verderben reißt.
    Er stachelt Rodrigo, jener ebenfalls voller Wut auf Othello, da dieser, die von Rodrigo verehrte und geliebte Desdemona zur Frau hat, auf, all sein Hab und Gut zu verkaufen um mit auf die Reise zu gehen und so hilfreich beim Schurkenstreich mitzuwirken.


    Diese immer wiederkehrende Phrase „Tu Geld in Deinen Beutel“, will verdeutlichen, wie wichtig es ist, mit Othello zu fahren. Rodrigo gehört ja nicht zum Stab Othellos und so braucht er viel Geld um diese Reise zu unternehmen. Jago versucht Rodrigo davon abzubringen sich aus Liebeskummer zu ertränken und lieber sein Geld auszugeben um zumindest kurzzeitig, diese Liebe vielleicht doch zu erleben. Er macht ihm damit immer wieder klar, dass es alle mal besser ist als der Tod. Natürlich macht das Jago nicht aus Liebe und Mitleide mit seinem „Freund“ sondern aus reinem Eigennutz.


    Ein herrlicher Bösewicht. :breitgrins:


    Auch sieht man hier mal wieder, wie schnell Rassismus entsteht. Immer wieder wird auf das Äußere Othellos hingewiesen, obwohl dies ja nun wirklich nichts mit dem Charakter zu tun hat und wenn ich mir so manchen Othello Darsteller aus der heutigen Zeit ansehe, waren sie alle äußerst gut aussehende Männer :zwinker:. Tja, dumme Rassisten gab es wohl immer schon.


    Viele Grüße Tina


  • Diese immer wiederkehrende Phrase „Tu Geld in Deinen Beutel“, will verdeutlichen, wie wichtig es ist, mit Othello zu fahren. Rodrigo gehört ja nicht zum Stab Othellos und so braucht er viel Geld um diese Reise zu unternehmen. Jago versucht Rodrigo davon abzubringen sich aus Liebeskummer zu ertränken und lieber sein Geld auszugeben um zumindest kurzzeitig, diese Liebe vielleicht doch zu erleben. Er macht ihm damit immer wieder klar, dass es alle mal besser ist als der Tod. Natürlich macht das Jago nicht aus Liebe und Mitleide mit seinem „Freund“ sondern aus reinem Eigennutz.


    Ich hab das ein wenig anders verstanden, aber deine Deutung macht genauso viel Sinn. Ich denke Iago will Rodrigo dazu bringen, möglichst viel Geld anzuhäufen, um selbst davon zu profitieren. Er sagt Rodrigo, dass Desdemona irgendwann schon von Natur aus das Interesse an Othello verlieren wird, und dass Rodrigo dann einen großen Vorteil hat, wenn er möglichst reich ist. Denn darauf stehen Frauen ja: Geld. Hintergrund ist natürlich Iagos Eigennutz, da er ja auch die Geschenke, die er eigentlich Desdemona überbringen soll, für sich behält.




    Auch sieht man hier mal wieder, wie schnell Rassismus entsteht. Immer wieder wird auf das Äußere Othellos hingewiesen, obwohl dies ja nun wirklich nichts mit dem Charakter zu tun hat und wenn ich mir so manchen Othello Darsteller aus der heutigen Zeit ansehe, waren sie alle äußerst gut aussehende Männer :zwinker:. Tja, dumme Rassisten gab es wohl immer schon.


    Die Rassismusfrage ist bei Othello natürlich unumgänglich und auch ziemlich komplex. Der Schauplatz des Stückes ist hier ganz interessant, da Venedig zu dieser Zeit eine der fortschrittlichsten Handelsstädte war und sich die Kulturen dort schon stark vermischt hatten, während das in London zu Shakespeares Zeit gerade erst anfing. Obwohl Shakespeare nie in Italien war und von diesem Ort vermutlich nur aus Erzählungen von Handelsreisenden gehört hat, lässt er genau die zwei Stücke, die mit Fremdenhass belastet sind, dort spielen: Othello und den Kaufmann von Venedig. Ich finde das ziemlich fortschrittlich, da das die Schattenseiten dieser beginnenden Globalisierung in Handelsstädten aufzeigt. Shakespeare (und viele andere) hat da schon früh erkannt, welche Probleme das mit sich bringt.


    Othello ist übrigens doppelt problematisch, da er nicht nur schwarz ist, sondern das Stück auch Hinweise darauf liefert, dass er Moslem ist. Ein Außenseiter auf vielen Ebenen also.

    "This was another of our fears: that Life wouldn't turn out to be like Literature" (Julian Barnes - The Sense of an Ending)

  • Hallo :winken:


    Auch ich bin nun mit dem ersten Akt durch.
    Meine Güte, Jago ist ja ein richtiger Fiesling, so durch und durch. Auch heutzutage kann es passieren, dass jemand eine Posten, für den er vorübergehend verantwortlich war, nicht auf Dauer übertragen bekommt. Ob bei der Entscheidung für Othello fachliches Können oder anderweitige Aspekte entscheidend waren, sei dahingestellt. Obwohl Othello anscheinend in Kriegssachen erfahren war, er erzählte ja Desdemona von seinen vergangenen Taten und Schlachten und gewann sie so für sich. Das ist Jago aber auch völlig egal.


    Tja und dieses "Tu Geld in deinen Beutel"... sollen damit etwaige Bestechungsgelder gezahlt werden, soll Rodrigo nur sein Vermögen offen zeigen, um in der Gunst von Desdemona und ihrem Vater zu steigen? Hmm...


    Kann mir eine von euch bei der Formulierung "Tier mit zwei Rücken", dass Othello und Desdemona zeugen, auf die Sprünge helfen? Der Rassismus kommt klar zum Ausdruck, aber was genau mein Jago damit ? Ich steh da etwas auf dem Schlauch.


    Und zu guter letzt vertraut Othello seine Frau ausgerechnet Jago und seiner Gemahlin an, um sich ihrer anzunehmen.. na super.

    Das sind keine Stirnfalten. Das ist ein Sixpack vom Denken.


  • Othello ist übrigens doppelt problematisch, da er nicht nur schwarz ist, sondern das Stück auch Hinweise darauf liefert, dass er Moslem ist. Ein Außenseiter auf vielen Ebenen also.


    Konnte man das mit der religiösen Orientierung aus einer Stelle im ersten Akt schon herauslesen? Dann habe ich wohl etwas überlesen. Ich lese Othello zum Ersten Mal, also bitte etwas Nachsicht mit mir :winken:

    Das sind keine Stirnfalten. Das ist ein Sixpack vom Denken.


  • Kann mir eine von euch bei der Formulierung "Tier mit zwei Rücken", dass Othello und Desdemona zeugen, auf die Sprünge helfen? Der Rassismus kommt klar zum Ausdruck, aber was genau mein Jago damit ? Ich steh da etwas auf dem Schlauch.


    Das ist einfach ein kreativer Ausdruck für Sex, der immernoch ziemlich häufig in Popkultur verwendet wird. :breitgrins: Aber du hast schon recht, da spielt auch Rassismus mit rein: Iago unterstellt Othello (und implizit auch Desdemona) eine übernatürliche Lust, die er auch mit seiner Hautfarbe verbindet.



    Konnte man das mit der religiösen Orientierung aus einer Stelle im ersten Akt schon herauslesen? Dann habe ich wohl etwas überlesen. Ich lese Othello zum Ersten Mal, also bitte etwas Nachsicht mit mir :winken:


    Da bin ich mit gerade leider gar nicht mehr so sicher. :gruebel: Ich habe aus Unigesprächen eben nur in Erinnerung, dass Othello auch oft als religiöser Außenseiter verstanden wird und das nicht nur auf Hautfarbe bezogen ist. Ich schlage das aber mal in meinen Unterlagen genauer nach. Da finde ich bestimmt noch irgendwas dazu.


    Tut mir übrigens leid, falls du das als Spoiler empfunden hast. :redface: Die Shakespeare-Leserunden scheinen mir spoilermäßig etwas freier zu sein, da ja der Inhalt in groben Zügen meistens schon bekannt ist.

    "This was another of our fears: that Life wouldn't turn out to be like Literature" (Julian Barnes - The Sense of an Ending)


  • Da bin ich mit gerade leider gar nicht mehr so sicher. :gruebel: Ich habe aus Unigesprächen eben nur in Erinnerung, dass Othello auch oft als religiöser Außenseiter verstanden wird und das nicht nur auf Hautfarbe bezogen ist. Ich schlage das aber mal in meinen Unterlagen genauer nach. Da finde ich bestimmt noch irgendwas dazu.


    Tut mir übrigens leid, falls du das als Spoiler empfunden hast. :redface: Die Shakespeare-Leserunden scheinen mir spoilermäßig etwas freier zu sein, da ja der Inhalt in groben Zügen meistens schon bekannt ist.


    Oh nein, ich habe das nicht als Spoiler aufgefasst, die Geschichte ist mir in den Grundzügen schon vertraut. ich wollte nur um Nachsicht mit mir bitten, falls ich Verständnisfragen habe, die den Kennerinnen hier als offensichtlich gelten. Für Insiderwissen bin ich total dankbar, deswegen bin ich ja hier :breitgrins:

    Das sind keine Stirnfalten. Das ist ein Sixpack vom Denken.

    Einmal editiert, zuletzt von Delena ()


  • Und zu guter letzt vertraut Othello seine Frau ausgerechnet Jago und seiner Gemahlin an, um sich ihrer anzunehmen.. na super.


    Tja, der gute William macht es nicht nur schlimm, er macht es immer schlimmer. :breitgrins: Deswegen liebe ich ihn auch so.


    Übrigens wurde ja hier im ersten Akt schon der Grundstein zur späteren Tat gelegt, als Barbantino zu Shakespeare sagt:


    Zitat

    Sei wachsam Mohr! Hast Augen Du, zu sehn,
    Den Vater trog sie, so mag's Dir geschehn.


    Der Vater ist unverbesserlich und wie schmerzlich ist es, wenn ein Vater wünscht er hätte statt dem eigenen Kinde ein anderes angenommen. Klar waren das andere Zeiten mit anderen Moralvorstellungen, aber hier wird mir doch zu oft des Mohren schwarze Brust erwähnt, die zeigt, wie sehr immer wieder die Hautfarbe im Vordergrund steht, wenn es darum geht Othello zu bewerten. Idioten. Wenn ich an die Verfilmung mit Laurence Fishburne denke, dann empfinde ich im Gegensatz zu diesen Deppen, diese schwarze Brust sehr anziehend. :breitgrins:


    Viele Grüße Tina


  • Der Vater ist unverbesserlich und wie schmerzlich ist es, wenn ein Vater wünscht er hätte statt dem eigenen Kinde ein anderes angenommen. Klar waren das andere Zeiten mit anderen Moralvorstellungen, aber hier wird mir doch zu oft des Mohren schwarze Brust erwähnt, die zeigt, wie sehr immer wieder die Hautfarbe im Vordergrund steht, wenn es darum geht Othello zu bewerten.


    Bei Othello zeigt es Wirkung, denn irgendwo im 3. Akt macht er selbst die Bemerkung "Vielleicht wohl, weil ich schwarz bin." Wer da nicht ein gesundes Selbstbewusstsein hat, kommt irgendwann ins Schwanken, und angeschlagen ist Othello ohnehin schon. Jago macht unterdessen seinem Ruf als Bösewicht alle Ehre. Er hetzt gleich verschiedene Leute gegeneinander auf. Bei Rodrigo und Cassio verstehe ich, dass sie nicht gleich hellhörig werden, aber Othello in seiner Eigenschaft als Führer müsste doch misstrauischer sein und dürfte nicht erwarten, dass ihn alle bedenkenlos unterstützen. Gerade bei Jago sollten seine Alarmglocken schrillen. Ganz ohne Anlass wird der nicht erwartet haben, die Stelle des Leutnants zu bekommen, das müsst Othello doch klar sein. Aber Jago manipuliert ihn ohne Schwierigkeiten ganz nach seinen Bedürfnissen. Schon Andeutungen reichen, und Othello ist so anfällig für Zweifel, dass die Saat schnell aufgeht. Jago bekommt bezüglich Cassio Befehle, die er schon erwartet hat.


    Ich bin derzeit mitten im 4. Akt, wo die Handlung immer mehr an Fahrt aufnimmt. Jagos Inszenierung mit dem Taschentuch erweist sich als sehr wirksam. Die einzige, die noch zu rationalem Denken in der Lage ist, ist ausgerechnet Emilia. Sie wittert Intrigen, vermutet aber nicht Jago dahinter.


    Ein richtig spannendes Stück!

  • Ich habe jetzt gerade den 3. Akt beendet.


    Meine Güte, Jago ist ja ein Fiesling und Intrigant erster Güte und alle schenken ihm Glauben.
    Rodrigo ist eh blind vor Liebe und hinterfragt nichts, Cassio hegt keinerlei Argwohn und auch Othello vertraut seinem Fähnrich. Im Gespräch zwischen Othello und Jago weisst Jago immer wieder so eindringlich auf die Treue von Desdemona und die Unbescholtenheit von Cassio hin, dass Othello automatisch skeptisch wird.


    Jago hat seine Frau schon in der Vergangenheit um das Taschentuch von Desdemona gebeten, einen Plan, in welcher Art und Weise auch immer, hatte er wohl schon seit längerem.
    Emilia ist also in Jagos' finstere Absichten nicht einbezogen, er verfolgt einen fiesen Masterplan :vader:



    Gerade bei Jago sollten seine Alarmglocken schrillen. Ganz ohne Anlass wird der nicht erwartet haben, die Stelle des Leutnants zu bekommen, das müsst Othello doch klar sein.


    Das habe ich mir auch gedacht, er vertraut Jago wirklich uneingeschränkt und kommt nicht auf die Idee, dass Neid eine Rolle spielen könnte.

    Das sind keine Stirnfalten. Das ist ein Sixpack vom Denken.


  • Der Vater ist unverbesserlich und wie schmerzlich ist es, wenn ein Vater wünscht er hätte statt dem eigenen Kinde ein anderes angenommen. Klar waren das andere Zeiten mit anderen Moralvorstellungen, aber hier wird mir doch zu oft des Mohren schwarze Brust erwähnt, die zeigt, wie sehr immer wieder die Hautfarbe im Vordergrund steht, wenn es darum geht Othello zu bewerten. Idioten.


    Wobei man aber auch anmerken muss, dass Othello ja lange Zeit gern gesehener Gast im Hause Brabantios war. Brabantios Zorn entflammt erst, als Desdemona ihn hintergeht und mit Othello durchbrennt. Und weil Brabantio sich eben nicht vorstellen kann, dass seine Tochter so etwas tut, wird der Hass stattdessen auf Othello gerichtet und er tröstet sich damit, dass Othello Desdemona wohl verhext haben muss.


    Und auch der Duke scheint Othello zu mögen und sieht ein, dass es wohl einfach die abenteuerliche Geschichte war, aufgrund welcher sich Desdemona in Othello verliebt hat: I think this tale would win my daughter, too -


    Interessant ist bei Othello übrigens auch der sexuelle Subtext, denn Desdemona weiß ganz genau, was sie will und ist da sehr offen, vor allem, als es darum geht, dass Othello in den Krieg ziehen soll und sie nicht mit darf:


    So that, dear lords, if I be left behind,
    A moth of peace, and he go to the war,
    The rites for why I love him are bereft of me,
    And I a heavy interim shall support
    By his dear absence
    (1.3)


    Mit den rites meint sie ganz klar die Hochzeitsnacht. Zu Shakespeares Zeit (und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts) nahm man ja auch an, dass viele Frauen an Hysterie leiden und diese Krankheit durch Sex geheilt werden kann. Bei Shakespeares Two Noble Kinsmen gibt es zum Beispiel eine weibliche Nebenfigur, die an Hysterie leidet und unglücklich verliebt ist. Sie wird dann wahnsinnig und um sie zu heilen, empfiehlt ein Arzt ihrem Vater, dass sich doch ein anderer Mann als ihr verliebter verkleiden soll und mit ihr schlafen. Das wird dann so auch durchgezogen. Sehr tragische Figur aus heutiger Sicht.


    Desdemona ist ziemlich mutig, vor versammelter Mannschaft auf ihre Hochzeitsnacht zu bestehen. In der Ehe von Othello und Desdemona ist ganz klar sie die treibende sexuelle Kraft, obwohl Othello immer unzähmbare Lust unterstellt wird (Iago nennt ihn "lusty moor", 2.1). Ein weiteres Rassismuskriterium. Das Taschentuch mit den Erdbeeren darauf symbolisiert auch Desdemonas Sexualität, da Erdbeeren zum einen in der Renaissance als sehr sinnliche Frucht galten und ein weißes Tuch mit roten Flecken auch Desdemonas "wedding sheets" symbolisieren kann, also die Laken auf denen sie entjungfert wurde. Am Ende wird die Symbolik noch einmal aufgegriffen, als Desdemona


    Was haltet ihr eigentlich davon, dass Iago jetzt eine zweiten Grund für seine Rache an Othello aufführt, nämlich dass er sich auch in Desdemona verliebt hat? (Akt 2, Szene 1, letzter Monolog)

    "This was another of our fears: that Life wouldn't turn out to be like Literature" (Julian Barnes - The Sense of an Ending)


  • The rites for why I love him are bereft of me,


    Mit den rites meint sie ganz klar die Hochzeitsnacht.


    Das ist mir jetzt erst mit deinem Original-Zitat klar geworden. Bei mir heisst es So raubt man meiner Liebe teures Recht und das hatte ich nicht direkt mit der Hochzeitsnacht in Verbindung gebracht. Aber mit dem Begriff rites wäre ich da vllt. etwas eher darauf gekommen. :pling:.



    Was haltet ihr eigentlich davon, dass Iago jetzt eine zweiten Grund für seine Rache an Othello aufführt, nämlich dass er sich auch in Desdemona verliebt hat? (Akt 2, Szene 1, letzter Monolog)


    Meinst du wirklich, dass er sich verliebt hat ? Er meint doch Nein, mehr um meine Rach' an ihm zu weiden...Bis ich ihm Wett geworden Weib um Weib. Ich denke, er will Desdemona nur, weil sie mit Othello verheiratet ist. Als Individuum ist sie ihm nicht wichtig, Jago will nur die Eifersucht schüren, ganz miese Nummer. Ihm sind wohl so ziemlich alle Mittel Recht, um Othello zu quälen bzw. in den Wahnsinn zu treiben.


    Als ich den Monolog gelesen habe, dachte ich im ersten Moment, jetzt will er nicht nur seinen Posten, sondern auch noch seine Frau :grmpf:

    Das sind keine Stirnfalten. Das ist ein Sixpack vom Denken.

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  • Meinst du wirklich, dass er sich verliebt hat ? Er meint doch Nein, mehr um meine Rach' an ihm zu weiden...Bis ich ihm Wett geworden Weib um Weib. Ich denke, er will Desdemona nur, weil sie mit Othello verheiratet ist. Als Individuum ist sie ihm nicht wichtig, Jago will nur die Eifersucht schüren, ganz miese Nummer. Ihm sind wohl so ziemlich alle Mittel Recht, um Othello zu quälen bzw. in den Wahnsinn zu treiben.


    Mir sind da vor allem noch diese Worte ins Auge gefallen: Jetzt lieb ich sie auch, nicht zwar aus Lüsternheit.... Das hat also nichts mit Liebe, sondern mit Berechnung zu tun. Einerseits kann Jago Othello dann quasi auf ganzer Linie vernichten, andererseits erhofft er sich vielleicht, dass ihm Desdemona als williges Werkzeug zur Verfügung steht. Ich glaube nicht, dass Jago überhaupt zu liebevollen Regungen fähig ist (ich habe aber auch schon den letzten Akt gelesen :zwinker:). Er ist ein echter Bösewicht, der keine Chance auslässt, sei sie auch noch so vage.

  • Ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich in Desdemona verliebt ist. Er sagt ja auch, dass er sie nicht aus Lüsternheit liebe sondern um Viel mehr um meine Rach an ihm zu weiden. Der Satz Weib um Weib allerdings verwirrt mich. Ich fasste es eher so auf, dass er Weib um Weib meinte und dabei an Rodrigo und seine unglückliche Liebe für Desdemona dachte. Allerdings, nachdem ich jetzt auch den dritten Akt gelesen habe, ich mir ziemlich sicher bin, dass es ihm scheißegal ist, wie es Rodrigo geht. Jago ist durch und durch Egoist und er geht über Leichen um seine Ziel, seine Rache an Othello auszuführen.


    Im dritten Akt wird erschreckend klar, wie sehr Jago Othello beinflussen kann. Arme Desdemona. Othello ärgert mich, da er so sehr Jago vertraut, anstatt seiner Frau und ihr auch noch diese Verleumdung zutraut. Vielleicht weil ihm noch die letzten Worte von Desdemonas Vater im Ohr sind, welche nun auch, fast wortgetreu von Jago ausgesprochen werden. Dass nämlich, wer seinen Vater so geschickt hintergeht, auch zuzutrauen ist, dass er gleiches mit dem Ehemann macht.


    Emilie ist zwar in diesen Komplott nicht eingeweiht, aber trotzdem hinterfragt sie nicht, was ihr Mann mit dem Taschentuch möchte, bzw. gibt nach, als er schnippig antwortet, dass gehe sie nichts an. Jetzt schon ahnt man die Tragödie, welches sich entwickelt, auch wenn man das Stück nicht kennt. Dass dann Desdemona so sehr darauf besteht, dass sich Othello möglichst bald mit Cassio trifft, schmälert das Misstrauen nicht wirklich. Am liebsten hätte ich während dem lesen des öfteren gerufen: "Um Himmels Willen, hör auf und lass es gut sein."


    Jago hat einen Teil seines Planes erreicht und ist nun endlich Leutnant und von Othello bin ich sehr enttäuscht.


    Ein tolles unglaublich spannendes Stück. :klatschen:


    Viele Grüße Tina


  • Ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich in Desdemona verliebt ist. Er sagt ja auch, dass er sie nicht aus Lüsternheit liebe sondern um Viel mehr um meine Rach an ihm zu weiden. Der Satz Weib um Weib allerdings verwirrt mich.


    Das bezieht sich darauf, dass Iago vermutet, dass Othello etwas mit Emilia hatte. Deshalb will er aus Rache Desdemona.


    Ich glaube auch nicht, dass Iago Desdemona liebt, wollte aber kurz drauf hinweißen, weil es nicht erwähnt wurde. :breitgrins: Iago ist ein sehr interessanter Bösewicht, weil er immer wieder die unterschiedlichsten Gründe aufführt, um sein Handeln zu rechtfertigen (die Beförderung Cassios, Liebe zu Desdemona, Rache für die angebliche Affäre von Othello und Emilia etc.). So einen richtig triftigen Grund scheint er aber dann doch eigentlich nicht zu haben, was gegen Ende dann nochmal interessant wird, aber das ergänze ich dann wenn jeder fertig ist.

    "This was another of our fears: that Life wouldn't turn out to be like Literature" (Julian Barnes - The Sense of an Ending)