Walter Kempowski - Aus großer Zeit

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  • Walter Kempowski - Aus großer Zeit


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    Klappentext:
    Der erste Band von Walter Kempowskis Chronik des deutschen Bürgertums: das Leben der Familie Kempowski in der "großen Zeit", als Wilhelm II regierte.


    Der betuchte Rostocker Reeder Robert William Kempowski hat ein stattliches Haus, zwei Dampfer und zwei Kinder, die, wie es »gutbürgerlichem« Brauch entspricht, Tennis und Klavier spielend heranwachsen. In der Ehe arrangieren sich der Reeder und Anna, seine Frau: Sie hat ihren »Jour fixe« und einen Tenor vom Stadttheater zum Hausfreund, ihr Mann seine kleinen Liebschaften, auch dann noch, als er schon krank und an den Rollstuhl gefesselt ist.
    1913 lernt Sohn Karl in der Sommerfrische an der Ostsee Grethe de Bonsac kennen, deren Familie aus dem preußischen Wandsbek von anderer Art ist als die des jungen Mannes: ordentlich und fromm. Zwischen Grethe und Karl entspinnt sich eine zarte Liebesbeziehung. Aber bevor sie sich kriegen, vergeht noch viel Zeit. Der erste Weltkrieg bricht aus, Karl geht als Freiwilliger an die Front und erlebt das »Stahlbad« bis zum bitteren Ende


    "Wie sich das Ding, das sich Weltgeschichte nennt, in den Köpfen derer niederschlägt, die sie auszubaden haben, die Zusammenhänge aber nicht begreifen, ist bei Kempowski zu finden."
    Frankfurter Rundschau



    Meine Meinung:


    Kennt ihr das, wenn euch andere Leute mit einer dermaßenen Begeisterung über ein Buch / einen Autoren berichten, dass es schon fast abstoßend ist? Das euch die Art der Begeistrung und die Art der Berichterstattung lange Zeit davon abhalten, zu einem Buch dieses Autors zu greifen? So ging es mir mit Kempowski.
    Schon seit längerem liegt der letzte Teil seiner deutschen Chronik, "Herzlich willkommen", ohne Beachtung auf meinem SUB. Das bekannteste Buch aus dieser Reihe ist sicherlich "Tadellöser & Wolff".
    Erst das Gespäch mit einer anderen begeisterten Neu-Leserin von Kempowskis Büchern hat mich zu seinem Werk greifen lassen. Ich habe mich für den ersten Teil seiner deutschen Chronik entschieden, für "Aus großer Zeit".


    Kempowski erzählt die Geschichte seiner Familie. Wir lernen seine Großeltern kennen und treffen seine Eltern als Kinder und Jugendliche, sie lernen sich kennen, der erste Weltkrieg bricht aus.
    Besonders die Art, wie Kempowski gegen Ende des Buches die Erlebnisse seines Vaters als Jugendlicher während des ersten Weltkriegs schildert, haben mich sehr beeindruckt. Er geht mit einer Leichtigkeit an das Thema heran, die mir den Schrecken des Krieges quasi durch die Blume präsentierte, dafür im Nachhall aber umso intensiver war. Wohlgemerkt ohne auch nur den Anflug von Betroffenheitslektüre zu haben.
    Hin und wieder werden Kempowskis Erzählungen von Anmerkungen von Zeitzeugen unterbrochen, Menschen, die William und Anna, Karl und Grethe persönlich gekannt haben.

    Wer sich Zeitgeschichte ganz nah an den Personen "erlesen" möchte, wer Familiengeschichten mag, auch bei schweren Themen eine lockere Erzählweise bevorzugt, leise Ironie und feinen Humor wahrnimmt, der sollte sich Kempowski nicht entgehen lassen.

    Kempowski lesen bedeutet nicht, sich mit schwer zu lesenden Büchern zu befassen, wie bei manchem Klassiker. So richtig klassisch ist Kempowski ja auch noch nicht, er starb erst 2007. Kempowski liest sich leicht und flüssig. Ich glaube, ich werde sein Fan!



    5ratten

    Liebe Grüße

    SheRaven

  • Vielen Dank für die schöne Rezi. Bei mir steht die Reihe schon länger auf der Wunschliste. Du hast mir jetzt richtig Lust gemacht, bald auch wirklich mal damit anzufangen. :smile:

    Die Literatur gibt der Seele Nahrung,<br />sie bessert und tröstet sie.<br /><br />:lesen:<br />Alfred Kerr: Die Biographie


  • Vielen Dank für die schöne Rezi. Bei mir steht die Reihe schon länger auf der Wunschliste. Du hast mir jetzt richtig Lust gemacht, bald auch wirklich mal damit anzufangen. :smile:


    Mir geht es ähnlich. Ich habe seine Bücher auf meinem SuB, aber irgendwie war der Funke noch nicht so richtig übergesprungen. Ich sollte mich doch wieder daran wagen. :winken:

    &#128012;

  • Ich habe von ihm "Tadellöser und Wolff" gelesen und obwohl das schon ein paar Jahre her ist, kann ich mich heute noch sehr gut an das Buch erinnern. Ich habe es eher zufällig gelesen, weil es bei meinen Eltern im Bücherregal stand und hätte nicht gedacht, dass es mich so begeistern würde. Irgendwie habe ich diesen Autor aber leider aus den Augen verloren.


    SheRaven
    Danke für die schöne Rezi. Sie hat mich daran erinnert, dass ich unbedingt weitere Sachen von Kempowski lesen muss :zwinker:

  • Ich habe vor zwei Tagen im Rahmen des SLW mit dem Buch angefangen und bin hellauf begeistert. Vor allem Kempowskis Collage-Stil finde ich unglaublich faszinierend. Schade, dass der Verlag ein Quellenverzeichnis nicht für nötig befand, ein solches würde mich sehr interessieren.
    Mit seiner Arbeitsweise werde ich mich noch ausgiebig beschäftigen müssen. :smile:

    Die Literatur gibt der Seele Nahrung,<br />sie bessert und tröstet sie.<br /><br />:lesen:<br />Alfred Kerr: Die Biographie

  • Endlich habe ich es am Wochenende geschafft das Buch zu Ende gelesen. Ich bin nach wie vor begeistert.


    Die Schilderung des deutschen (Groß)bürgertums (des „neureichen“ sowie des „alten“) anhand seiner Familiengeschichte, beginnend in der wilhelminischen Zeit, gelingt Kempowski großartig und besonders durch seinen Stil authentisch. So streut er immer wieder Zitate, Liedtexte, Redewendungen in die Texte ein und der Wechsel der Perspektiven ermöglicht dem Leser, manches Geschehen besser zu begreifen und manches Ereignis auch in einem anderen Licht zu sehen.


    Kempowski entwirft auf diese Weise ein faszinierendes Gesamtbild der damaligen Zeit, in der vieles nicht gut, aber auch bei weitem nicht alles schlecht war. Der Leser taucht ein in die Alltagsgeschichte, die bisweilen fern von politischen Entscheidungen und Entwicklungen zu sein scheint, er erlebt die Zeit, wie sie die Zeitgenossen selbst erlebt haben.
    Es ist eine besondere Familiengeschichte aber doch auch exemplarisch für das deutsche Bürgertum des frühen 20. Jahrhunderts. Die weitere Entwicklung wird vor diesem Hintergrund für manchen Leser sicher nachvollziehbarer.
    So manches habe ich selbst aus meiner eigenen Familiengeschichte wiedererkannt (wie auch manche Redwendungen, die ich noch nie außerhalb meiner Familie gehört habe). Seine, wie ich finde wundervolle, Sprache selbst scheint ein Relikt aus einer alten, (in diesem Fall leider) vergangenen Zeit.


    Kempwoskis Werk ist wirklich ein ganzer besonderer Beitrag zu deutschen Literatur, ich verstehe nicht, dass dieses Werk nie im Lehrplan auftauchte. Aber das ist vielleicht auch besser, so konnte ich es uneingeschränkt genießen.
    Einzig die Schilderungen des Kriegsgeschehens waren etwas mühsam zu lesen, was aber schlicht in der Natur der Sache und nicht an Kempowski selber liegt.


    Ich freue mich sehr auf die nächsten Bände und vergebe schon für den Auftaktband die volle Punktzahl


    5ratten :tipp:

    Die Literatur gibt der Seele Nahrung,<br />sie bessert und tröstet sie.<br /><br />:lesen:<br />Alfred Kerr: Die Biographie