Siebter Teil

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 2.359 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Dani.

  • Bis einschließlich Kapitel 25:


    Schade, dass sich Lewin langsam den Moskauer Sitten anzupassen scheint. Dass gerade er "keine Zeit" zum Nachdenken darüber findet, dass ihm das Geld ausgeht, sagt schon einiges. Und dass er sich erst im Klub wohlfühlt, dann aber eine "furchtbare Langeweile" empfindet...erinnert das noch jemanden an Wronskij?


    Dass Kitty so eifersüchtig auf Lewins Besuch bei Anna reagiert, kann ich verstehen.


    Irgendwie gefällt mir nicht, dass Tolstoi Anna anscheind auf den Wahnsinn zusteuern lässt (das Morphium, dass alle ihre Gedanken nur noch um Wronskij kreisen etc.). Einerseits schreibt Tolstoi, dass Ehe, Familie etc. das Wichtigste im Leben einer Frauen seien (sein sollen?), andererseits lässt er Anna dann so extrem werden. Und dass er dann die Folgen ihrer Selbstmorddrohung als "Sieg", als "Triumph" darstellt...ich weiß nicht. Für mich klang die angebliche Drohung so, als ob Anna wirklich in Gefahr wäre, Suizid zu begehen.


    Ich weiß zwar nicht, ob ich da gerade Lewins oder Tolstois Frauenbild kritisiere, aber die Geburt eines Kindes als "größtes Ereignis im Leben einer Frau" zu bezeichnen und dann auch noch zu behaupten, dass eine Frau in den Wehen "stolz auf diese Schmerzen" ist und sie liebt? Oder sind das schon die Vorboten auf Lewins Schockzustand? :zwinker:


    Schmunzeln musste ich jedenfalls über die Tatsache, dass der Doktor dem guten Lewin Beruhigungstropfen verpassen wollte.


    Nur das Ende von Kapitel 25 stimmte mich wieder nachdenklich: Das Neugeborene erscheint Lewin als "etwas Überflüssiges, ein Zuviel, mit dem er sich lange nicht vertraut machen konnte". Denkt er das noch unter den Nachwirkungen seines Schocks oder wird dieses Gefühl so bleiben?

    Einmal editiert, zuletzt von Mrs Brandon ()

  • Ich bin kein Psychologe, aber für mich kommt Anna hochgradig depressiv vor.
    Diese Stimmungsschwankungen, das Misstrauen, Eifersucht, dann wieder himmelhochjauchzend...
    Wronskij möchte ich nicht in Schutz nehmen, aber mir kommt es so vor, als wäre er mit der Gesamt-
    situation überfordert.


    Dem guten Ljewin muss man vielleicht nachsehen, dass er (Tolstoi) nunmal in einer Welt lebte,
    in der das Frauenbild eben so aussah.
    Es liegt an den Frauen, daraus auszubrechen, aber das wird noch ein paar Jahre dauern.


    Die Stelle, an der Ljewin um sein Geld bangt habe ich irgendwie überlesen. Aber ich denke,
    man darf nicht vergessen, dass es ein ganz anderes Geldsystem gab. Ich stelle mir vor, dass Ljewin
    mit einer vollen Geldbörse von zu Hause losgefahren ist und wenn das Geld verbraucht ist, ist es verbraucht.


    Ja, dass Ljewin seinem Kind die Schuld an den Schmerzen Kittys gibt, finde ich auch bizarr. Ob er sich jemals
    Gedanken gemacht hat, wenn eine seiner Kühe kalbt? :zwinker:

    🐌


  • Ich bin kein Psychologe, aber für mich kommt Anna hochgradig depressiv vor.


    Ja, genau so ging es mir voriges Jahr auch. Aber (für mich überraschend) waren die anderen Teilnehmer der Leserunde eigentlich fast alle der Meinung, wie gut sich Tolstoi als Mann doch in Annas Gefühlswelt, also die Gefühlswelt von uns Frauen, hineinversetzen konnte.

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Stimmt, die Diagnose depressiv dürfte auf Anna wohl zutreffen. Wobei ich mir da wie im letzten Abschnitt wieder die Frage stelle, was für Anna ein Ausweg sein könnte: unglücklich mit Karenin, unglücklich mit Wronskij...es muss doch eine Lösung für Anna geben! (Und Suizid meine ich nicht mit "Lösung".)


    Ich kann es nicht genauer benennen, aber mir gefällt Tolstois Darstellung von Anna einfach nicht. Tolstoi lässt ja an einigen Stellen im Buch kleine Spitzen gegenüber Frauen los und seine Vorurteile scheinen für mich in der Schilderung von Annas Verhalten für einfach zu klar durch.


    Kiba:

    Zitat

    Aber (für mich überraschend) waren die anderen Teilnehmer der Leserunde eigentlich fast alle der Meinung, wie gut sich Tolstoi als Mann doch in Annas Gefühlswelt, also die Gefühlswelt von uns Frauen, hineinversetzen konnte.


    Falls Du nicht dieser Meinung warst, bist Du jetzt mit Deiner Meinung nicht mehr allein. :zwinker:

  • Eine Lösung für Anna wäre es, wenn Karenin in die Scheidung einwilligen würde, sie ihren Serjoscha bekäme und die Gesellschaft es akzeptiert, dass sie womöglich Wronskij heiratet.
    Da ich aber davon ausgehe, dass sie wirklich depressiv ist, denke ich , es würden andere Probleme auftauchen, selbst wenn alles sich zum Positiven wenden würde.
    Womöglich würde ihre Eifersucht bleiben, womit sie Wronkij im Endeffekt immer weiter von sich wegtreibt.
    Auch glaube ich nicht, dass Wronskijs Mutter mit einer geschiedenen Frau für ihren Sohn einverstanden wäre.

    🐌


  • Eine Lösung für Anna wäre es, wenn Karenin in die Scheidung einwilligen würde, sie ihren Serjoscha bekäme und die Gesellschaft es akzeptiert, dass sie womöglich Wronskij heiratet.


    Da hast Du wieder Recht. Aber seltsamerweise habe ich nie damit gerechnet, dass Karenin in die Scheidung einwilligt und gleichzeitig auch noch damit einverstanden ist, Serjosha bei Wronskij aufwachsen zu lasen.


    Nun meine Meinung zum Rest des Teils (ab Kapitel 26:(


    „Es war das Bewußtsein, eine neue verwundbare Stelle zu haben.“ - typisch Lewin. :zwinker:


    Stepan ist mal wieder pleite; an dieser Stelle im Buch kann ich das erste und einzige Mal Karenin zustimmen, wenn er die Mauscheleien bei der Vergabe (angeblich) wichtiger Posten anprangert. Wobei ich nicht sicher bin, ob er, also Karenin, das nicht nur aus Gründen des Neids so sieht.


    Als Stepan das Thema Scheidung anspricht, fand ich es sehr interessant, dass Karenin plötzlich wieder zum „Sie“ übergeht.


    Serjosha tut mir weiterhin leid. Welche Auswirkungen das alles wohl auf sein späteres Leben haben wird? Wird er genauso kalt werden wie sein Vater?


    Stepan findet an Moskau u.a. schlimm, dass er dort wirklich und wahrhaftig anfängt, sich über gewisse Dinge Gedanken zu machen. Da musste ich schon schmunzeln. Aber generell betrachtet finde ich Stepan berechnend und verantwortungslos. Und ein Antisemit ist er auch noch.


    Die Gräfin Iwanowna hat es nun also wirklich geschafft, dass Karenin die Scheidung endgültig ablehnt. Bei der Frau hatte ich von Anfang an kein gutes Gefühl, aber dass sie Karenin nun so in der Hand hat, wundert mich schon etwas. (Er glaubt den Worten eines schlafenden Franzosen??? :gruebel: )


    Es ist schlimm zu sehen, wie sich die Beziehung zwischen Anna und Wronskij entwickelt. Dem Scheitern der Beziehung gibt Tolstoi seltsamerweise viel mehr Raum als vorher dem Aufblühen der Liebe.


    Am Ende des siebten Teils bringt sich Anna um. Und da muss ich wieder meckern: für mich passt ihre Reaktion einfach nicht. In Kapitel 24 nennt sie selbst ihre Alternativen (zu ihrer Tante gehen, allein ins Ausland), die viel eher Annas Art entsprochen hätten als der Suizid. Und an der Stelle frage ich mal wieder: was will der Autor uns damit sagen?

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  • Hier meine Anmerkungen zum 7. Teil


    Ljewin paßt sich ja wirklich gut den Moskauer Gewohnheiten an. Sowohl was das Geld als auch das Untätigsein angeht. Paßt aber eigentlich so gar nicht zu ihm.
    Dafür ist es ja wirklich süß dargestellt, wie sich die Liebe von Kitty zu Ihrem Kind entwickelt hat. Kitty hat meiner Meinung nach einen guten und realistischen Blick auf die Dinge in ihrer Umgebung. Ihre Einschätzung von Ljewin ist ja durchaus passend. Kitty scheint ja wirklich erwachsen geworden zu sein. Auch, wenn man ihr Verhalten bei ihrem Zusammentreffen mit Wronskij betrachtet.


    Ljewin konnte ich mir in seiner Aufregung, als sein Sohn geboren wurde, so richtig vorstellen. Ich denke, in seiner Gedankenwelt paßt es irgendwie, dass er dem Neugeborenen die Schuld an Kittys Schmerzen gibt und es dadurch nicht sofort lieben kann. Für ihn kommt es gar nicht in Frage, dass viel eher er daran nicht unbeteiligt war :zwinkern:


    Kandida:
    Banken gab es damals schon, aber wie das so richtig funktionieren sollte, weiß ich auch nicht. Deine Vorstellung des Geldbeutels ist irgendwie romantisch :zwinkern:


    Das ausgerechnet Stepan was in Sachen Scheidung erreichen soll, halte ich für einen Witz. Der Typ ist doch so mit sich selbst beschäftigt, das kann nicht gut gehen. Und zu Karenin hatte er doch noch nie ein gutes Verhältnis.


    Apropos Karenin:
    Er hätte es sicherlich nach einer Scheidung leichter, mti einer neuen Frau akzeptiert zu werden *grummel*


    Anna und Wronskij:
    Ehrlich gesagt, ist die Beziehung nun am Ende. Gegenseitiges Eifersucht und Unverständnis haben noch nie wirklich gut getan.
    Und ich sehe es wie Kandida: Anna scheint wirklich manisch-depressiv zu sein


    Da hast Du wieder Recht. Aber seltsamerweise habe ich nie damit gerechnet, dass Karenin in die Scheidung einwilligt und gleichzeitig auch noch damit einverstanden ist, Serjosha bei Wronskij aufwachsen zu lasen.


    Ich muss mich hier Mrs Brandon anschließen. Das kam mir auch nie in den Kopf. Dazu ist Karenin als zu sehr in seiner Gesellschaft verwurzelt dargestellt worden. Scheidung und Neuheirat evtl. ja – aber Serjoscha nie.


    [quote author=Mrs Brandon ]Am Ende des siebten Teils bringt sich Anna um. Und da muss ich wieder meckern: für mich passt ihre Reaktion einfach nicht. In Kapitel 24 nennt sie selbst ihre Alternativen (zu ihrer Tante gehen, allein ins Ausland), die viel eher Annas Art entsprochen hätten als der Suizid. Und an der Stelle frage ich mal wieder: was will der Autor uns damit sagen? [/quote]


    Das frag ich mich auch. Mir fehlt sowieso viel von der Geschichte von Anna und Wronskij. Ich kann ihre Faszination voneinander nicht nachvollziehen, ich muss mir zu viel zusammen reimen, um das Scheitern der Beziehung wirklich zu verstehen. Und dann diese Kurzschlussreaktion von ihr..... Etwas anderes ist es für mich nicht. Irgendwer hatte das mit Tolstois Vorurteilen geschrieben. Hier paßt das für mich rein: Will er das als "folgerichtige" Reaktion einer "hysterischen" Frau verkaufen?
    Neeee, irgendwie paßt mir das nicht.

    LG<br />Anne

  • So, endlich melde ich mich hier auch mal wieder... :redface:



    Ich kann es nicht genauer benennen, aber mir gefällt Tolstois Darstellung von Anna einfach nicht. Tolstoi lässt ja an einigen Stellen im Buch kleine Spitzen gegenüber Frauen los und seine Vorurteile scheinen für mich in der Schilderung von Annas Verhalten für einfach zu klar durch.


    Ich hatte auch Mühe mit der Darstellung Annas, ohne dass ich genau benennen könnte was mich gestört hat... Ich glaube mir ist Anna zu eindimensional. :gruebel: Ausserdem hatte ich erwartet, dass sie mir sympathischer ist (obwohl ich grundsätzlich nichts gegen unsympathische Charaktere habe :zwinker:) und dass ihre Geschichte eine klassische "tragische Liebesgeschichte" ist. Aber am Schluss scheint sie wirklich immer mehr in die Depression abzurutschen, was mich, wie Mrs Brandon und Tami, auch zur Frage geführt hat, ob da wohl fiese Vorurteile über sogenannt hysterische Frauen durchschimmern... :zwinker: Ich bin mir irgendwie noch nicht schlüssig, ob ich das Ausmass ihrer Depression und ihren Selbstmord wirklich zwingend finde...

    Einmal editiert, zuletzt von Dani ()