Thomas Hardy - Tess of the D'Urbervilles

Es gibt 65 Antworten in diesem Thema, welches 23.950 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von yanni.

  • Bin im Kapitel 52.


    Nachdem mir die dritte und vierte Phase wegen der Gefühlsseligkeit und Tess' Zögern ziemlich auf den Wecker gingen, geht jetzt eigentlich das Lesen gut voran, allerdings teile ich mit yanni (auch von mir gute Besserung!) auch eine Frühlingsallergie, die sich besonders auf die Augen legt, weshalb Lesen und Schreiben momentan ein wenig schwerfallen.


    Dennoch kurz zu meinen Leseeindrücken: Tess' Zeit auf dem Höhengut gefällt mir sehr gut, weil hier wieder Hardys Naturbeschreibungen einen großen Raum einnehmen. Diese karge Hochfläche schildert er so eindrucksvoll, dass man meint, an Tess' Seite darüber zu wandern. Großartig finde ich auch, wie der Autor die neue Technik schildert. Die Dreschszenen mit der Dampfmaschine, das Ineinandergreifen von Mensch und Maschine, das den Menschen zum Teil der Maschine herabwürdigt, ist fast schon magisch. Eine ebenfalls intensive Atmosphäre hat die Nachtwanderung, in der Tess nach Hause aufbricht.
    Über Alec habt ihr schon genug geschrieben: Besonders erschütternd ist es für uns Leser, dass wir wissen, dass sich Angel Clare in Brasilien besinnt, während Tess diesem Ekelpaket zu erliegen droht, ihrem Mann ja auch einen Hilfeschrei zusendet.

  • Nun habe ich das Buch beendet.



    Insgesamt war der Roman aber schon ein Leseerlebnis, weniger wegen seiner Handlung als aufgrund der Stimmungen, die Hardy heraufbeschwören kann: die Nacht mit dem Unfall von Prince, die Sommertage auf dem Milchhof, die beschwerliche Zeit und die Drescharbeit auf dem Höhenhof, Tess' Wanderungen, schließlich die letzten Tage und Stunden in der verlassenen Villa und im Steinkreis von Stonehenge, das werde ich so schnell nicht vergessen.

  • Vielen Dank für euer guten Wünsche. :winken: Dir auch gute Besserung, finsbury!


    Bis Kapitel 52


    finsbury hat es bereits geschrieben, Hardy zeichnet ein sehr düsteres Bild der industriellen Revolution. Zwar räumt er ein, dass die Arbeit nun wesentlich schneller getan ist, aber anhand von Tess' Arbeitsplatz und den Äußerungen der älteren Männer, gewinnt der Leser das Gefühl, dass vorher die Arbeit menschenfreundlicher gewesen sein. Tess erinnert mich hierbei an das Rind, das in der Meierei Tag für Tag im Kreis gehen muss. Und selbst das konnte zeitweise störrisch den Dienst verweigern. Dieses motorgesteuerte Unding wird passend in der düsteren Jahreszeit mit ihren kalten Winden geschildert. Wie anders las sich da noch viele Seiten vorher die Beschreibung dieser Mähmaschine, die mit Pferden betrieben wurde.


    Erneut taucht d'Urberville auf und bezichtigt Tess ihn in Versuchung zu führen. Ihr Benehmen ihm gegenüber kann doch selbst für diese Zeit nicht mehr normal sein. Statt ein klares Nein auszusprechen, wimmert sie wie ein kleines Kind vor sich hin und gibt ihm sogar noch vor, wie er sie endgültig in die Hand bekommen könnte, die dumme Pute. Hat er nicht schon früher versucht sie über ihre Familie zu ködern, aber das macht die Geschichte halt noch dramatischer für die Leserschaft. Nun gut.


    Dass die Familie dann in Kingbere abgewiesen wurde, kommt mir doch recht seltsam vor. So wie Tess es beschrieb, wurde der Brief doch schon längst losgeschickt, und wie könnte sie sicher sein, und dass muss sie, sonst würde sich die Ausgabe für das Fuhrwerk nicht lohnen, dort unterzukommen. Das hat sich d'Uberville mal wieder etwas kosten lassen, so wie er es doch schon mit dem Pächter gemacht hat.

  • finsbury: ich kann dein Problem mit der mangelnden Logik am Ende verstehen. Auf der anderen Seite hat Tess nie Glück gehabt. Ihr ist immer das Schlimmste zugestossen. Von daher passt es schon. Aber auch ich hätte es mir anders gewünscht.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich bin insofern bei finsbury, dass es nicht Tess' Charakter entspricht, was sie da tut - andererseits kann auch die duldsamste Persönlichkeit irgendwann an einen Punkt kommen, an dem es zu einer Kurzschlussreaktion kommt. Als solche habe ich

    empfunden.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • So, ich bin nun auch fertig.
    Mit dem Ende komme ich nicht ganz klar. Tess' letzter Brief an Angel zeigte, dass ihre Geduld sich dem Ende zuneigte, aber für mich fehlt einfach einiges an der Beschreibung der Gefühle von Tess. Sicher wird erzählt, dass Tess sich in ihrem Leben in der Pension wie eine Marionette verhält.


    Angels Aussage, als er mit ihr in der Pension spricht, fand ich recht merkwürdig. Seine Eltern würden sie nun mit offen Armen empfangen. Was bitte hatte sich denn in seinen Augen in dem Verhältnis seiner Eltern zu Tess geändert? Ein Abkömmling der d'Ubervilles war sie doch auch vorher schon gewesen. Und ihr Verhalten anschließend auf das Erbe eben jener Familie zu schieben, damit machte er sich alles sehr einfach.


    Was mir an dem Buch sehr gefallen hat, waren die Beschreibungen der Landschaft, der Arbeitsabläufe, auch wie Hardy die Dreschmaschine so monströs und düster schilderte. Die Nebenfiguren waren mir lebensnaher erschienen als die drei Hauptfiguren, deren Verhalten mir manchmal sehr eigentümlich erschien.