William Nicholson - Der verborgene Zauber des ganz normalen Lebens

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  • In den letzten Tagen des Monats Mai habe ich noch mit meinem Monatsrundenbuch begonnen:


    William Nicholson: Der verborgene Zauber des ganz normalen Lebens

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    Der Klappentext ist sehr ausführlich und verrät meiner Meinung nach schon zuviel. Daher tippe ich hier mal die Kurzzusammenfassung ab, die hinten auf dem Buch steht:


    Sechs Tage im Mai. Ein kleines englisches Dorf. Und die Träume der Menschen, die dort leben.


    In Edenfield, einem Dorf in Sussex, durchleben zahlreiche Menschen im Laufe einer Woche im Mai die unterschiedlichsten Nöte und Glücksmomente des Alltags. So wird eine verheiratete Frau von der Rückkehr ihres Jugendschwarms in ein Gefühlschaos gestürzt, ein junger Lehrer träumt von einer Karriere als Schriftsteller und findet schließlich das große Glück,während der Pfarrer des Ortes seine Schäfchen in eine tiefe Krise stürzt...
    In immer größeren Kreisen verbinden sich die Ereignisse und Schicksale miteinander, bis sich das ganze Panorama des Lebens entfaltet.


    _____________________


    Das Cover und der Titel des Buches sprachen mich sehr an, und ich lese sehr gern Alltagsgeschichten. Bis jetzt wurden meine Erwartungen allerdings noch nicht erfüllt.


    Nach 115 Seiten / 15 Kapiteln habe ich schon einige der Hauptpersonen kennengelernt. Anfangs war es etwas schwer, sich einzulesen, wegen der Menge der Personen und der englischen Verhältnisse, die für mich ungewohnt (von Schulgeld bis Fernsehproduktion) und z.T. auch unbekannt sind. Einige Schriftsteller und sonstige Personen des öffentlichen Lebens, die erwähnt werden, kenne ich kaum oder gar nicht.


    Vom Zauber des Lebens oder Mitmenschlichkeit war auch noch nicht viel zu spüren, jedenfalls nicht das was ich erwartet habe. Sondern bisher ging eigentlich das meiste irgendwie schief, die Leute ärgern sich über Geringfügigkeiten, sie verhalten sich gleichgültig oder aggressiv gegeneinander, so z.B., daß ein Bauer ein paar Jungs, die er auf seinem Gelände erwischt, gleich mit dem Gewehr bedroht, :entsetzt:, ein Lehrer sehr wenig mitfühlend ist und und und.


    Die Personen im Buch sind mir eher unsympathisch. Sie verschweigen, lügen, betrügen und es geht mir viel zu viel um Sex, Affären usw. Ich habe nichts gegen Sex, aber es nervt mich, wenn in einem Buch zwingend alle 20 Seiten eine Sexszene eingeschoben werden muß, als könnte man die Leser nur mit diesem Thema bei der Stange halten. :rollen:
    Einschübe aus der Vergangenheit einer Hauptperson waren so unvermittelt absatzlos in den Text eingebunden, daß ich erst nach ein paar Seiten verstanden habe, daß es ein Rückblick ist.


    Ich hoffe mal, daß es noch interessanter wird, ich bin gespannt wie sich die oben erwähnten Zusammenhänge aufbauen und werde weiter berichten.

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • S. 196 / Kap. 25


    Inzwischen gefällt mir das Buch besser. Es liest sich gut und hat den Sog zum Weiterlesen entwickelt.


    Sex ist zwar nach wie vor unvermeidlich (und noch dazu so explizit detailliert beschrieben, wie ich es eigentlich nicht zu lesen brauche) :rollen:, aber in den letzten Kapiteln kamen eher mal Gedanken/Verhaltenweisen von Menschen, Gespräche und auch Verwicklungen zwischen ihnen zur Sprache. So gab es eine sehr schön beschriebene Autofahrt zum Bahnhof (die war wirklich aus dem Leben gegriffen) und ein nachfolgendes Gespräch zwischen zwei der Autofahrer (Henry, ein Familienvater, und der Pfarrer des Ortes Edenfield, in dem unsere Personen alle wohnen).


    Gut sind auch die Gedanken/Gefühle der Kinder geschildert. Und der Lehrer, der sich über die Ablehnung seines beim Rundfunk eingereichten Hörspieles ärgerte, aber die Aufsätze seiner Schüler genauso gedankenlos abwatschte, war mir anfangs nur unsympathisch, aber jetzt kommt mir das ganze eher ironisch vor. :breitgrins:
    Vielleicht hat er sogar noch Entwicklungspotential.

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    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • S. 338 / Kap. 43


    Das Buch fesselt zunehmend und entwickelt Dynamik. Lauter kleine und größere Alltagsbegebenheiten, man kommt den Personen näher und beginnt, mit ihnen mitzufühlen oder sie zumindest gespannt zu beobachten.


    Mit Abstand am sympathischsten ist mir der Pfarrer Miles Salmon. Er hat etwas getan, was seinen Vorgesetzten sicher nicht gefallen wird (da es durch Zufall wohl an die große Glocke gehängt werden wird, was Miles Salmon eigentlich vermeiden wollte). Mal sehen ob er Schwierigkeiten bekommt (das interessiert mich im Moment am meisten).


    Dann ist da noch Laura, die Frau, die zuerst einen Brief, dann Besuch von ihrem Jugendfreund Nick erhält. Inzwischen wurde die Geschichte ihrer Beziehung von vor 20 Jahren erzählt, und meiner Meinung nach ist Nick


    Ein zähes Kapitel, das meine Geduld arg auf die Probe stellte, war das, in dem Laura sich Kleidung kaufen geht. Meine Güte, 16 Seiten nur darüber, wie eine Frau einkaufen geht und Kleidung anprobiert! :rollen: Das erinnerte mich an das berühmte längliche Squash-Kapitel aus Ian McEwans Saturday.


    Gut gefällt mir auch der Handlungsstrang um Liz Dickinson, ihre Tochter Alice und deren Lehrer Alan Strachan, der mir zuerst überhaupt nicht einfühlsam vorkam, was sich aber nicht bestätigt hat. Schön, daß die Menschen hier so geschildert werden, wie sie sind, mit ihren guten und schlechten Seiten.

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    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • Nach deinen Beschreibungen zu urteilen passt der Titel des Buches sehr gut zum Inhalt. Wenn das so weitergeht, landet das Buch auf meiner Wunschliste.

  • Habe das Buch fertiggelesen. Die letzten Seiten flutschten dann so richtig und von mir aus hätte es noch weitergehen können. Einige Handlungsstränge kamen zu einem Abschluß, andere nicht, wie das eben im Leben so ist.


    Dieser Nick hat sich nochmal entpuppt wie ich es schon dachte, und hier konnte ich dann doch ein wenig mit Laura mitfühlen, auch wenn sie ihre Empfindungen eigentlich nicht in Worte und auch kaum in Gedanken fassen konnte. :rollen:


    Gestaunt habe ich über ein Kapitel, in dem die Beteiligten in eine Oper gehen und in der Pause im Garten picknicken. :lachen: Ich hielt das für einen Witz, aber das scheint es tatsächlich zu geben. (Glyndebourne Festival Opera)

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  • Meine abschließende Meinung:


    Nach einem etwas schleppenden Beginn hielt dieses Buch dann doch, was der Klappentext versprach: in kurzen Kapiteln werden Alltagserlebnisse von ein paar Menschen aus einem Dorf erzählt, die mal lustig und mal traurig sind, mal eher leicht und mal schwerwiegend und schicksalhaft, teils zusammenhängen und sich gegenseitig bedingen, und die den Leser in ihren Bann zu ziehen vermögen - vorausgesetzt, man mag unaufgeregte Alltagsgeschichten, die keinem vordergründigen Ziel zustreben.


    Ich habe mich bestens unterhalten gefühlt, vieles konnte ich nachvollziehen, habe mit Interesse die Erlebnisse der Personen verfolgt, auch wenn mir nicht alle unbedingt sympathisch waren. Es kommen Erwachsene und Kinder, Junge und Alte, Männer und Frauen zu Wort. Auch der jeweilige Geisteszustand der betreffenden Person (ob frustrierter Mann, unsicheres Kind oder verwirrte alte Frau) wird treffend geschildert. Alles ist in ein sehr englisches Flair eingebettet, auch was soziale Stellung und die Wichtigkeit des Geldes betrifft, und es kommen auch Ereignisse der Zeitgeschichte zur Sprache (das Buch spielt im Jahr 2000, an sechs Tagen im Mai).


    Was mir weniger gefiel, waren ein paar Verwirrungen am Anfang, wo zeitliche Rückblicke nicht genau von der aktuellen Handlung abgegrenzt waren, so daß man das als Leser zunächst nicht zuordnen und verstehen konnte. Und insgesamt steckte mir zuviel explizit geschilderter Sex im Buch, sowas muß in einem solchen Buch nicht sein, meiner Meinung nach. Und die Übersetzung schwächelte gegen Ende ein wenig.


    Trotzdem:
    4ratten


    Doris


    Nach deinen Beschreibungen zu urteilen passt der Titel des Buches sehr gut zum Inhalt.


    Ich habe darüber auch schon sinniert und finde den Zauber doch nicht ganz hundertprotzentig passend. Der Originaltitel lautet The Secret Intensity of Everyday Life und ich finde Intensity wesentlich passender, denn vieles was die Menschen im Buch erleben, ist durchaus intensiv, und weniger zauberhaft. Ich wüßte aber auch nicht, wie man das besser ins Deutsche übersetzen könnte, denn "Intensität" klingt hier seltsam.
    Aber weiterempfehlen kann ich das Buch auf jeden Fall.

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  • Schön ist der Titel so oder so. Wenn mir das Buch mal unterkommt, werde ich es auf jeden Fall lesen. Oft findet man in solchen Alltagsgeschichten Personen, die die eigenen Nachbarn oder Familienmitglieder sein könnten. Das finde ich immer ganz spannend.

  • Ich könnte hinter jedem deiner Beiträge ein "Jawoll, so isses" setzen :lachen:
    Ich hatte - genauso wie du - das Gefühl, dass es überhaupt nicht voran geht, aber wenn man dann erst mal drin ist, in den Geschichten, wird es richtig schön.


    Normalerweise mag ich keine Geschichten, die in der Präsens-Form geschrieben sind, aber hier fand ich es ganz passend.
    Mir ruft es dann immer mal wieder in Erinnerung, dass Ganze innerhalb von 6 Tagen spielt.



    Richtig umsympathisch sind mir - bis auf Nick, da gebe ich kaluma mit Ihrer Einschätzung recht! - die Protagonisten eigentlich nicht, richtig sympathisch finde ich eigentlich aber auch nur Liz, die Mutter der kleine Alice.


    Ich habe noch ungefähr 1o0 Seiten zu lesen, und bin gespannt, wie sich das Ganze noch entwickelt.


    :winken:
    bibse

    Wear the old coat and buy the new book (Austin Phelps)