Johannes Groschupf - Lost Places

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  • Johannes Groschupf - Lost Places


    Verlag: Oetinger
    Erstausgabe (D): 2013
    Seiten: 237
    Ausgabe: Taschenbuch (Broschiert)


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    Klappentext:


    Die Jugendlichen Chris, Moe, Kaya, Steven und Lennart sind Urban Explorers: Im nächtlichen Berlin erkunden sie stillgelegte Fabriken, leer stehende Häuser und verfallene Krankenhäuser. Doch was als aufregendes Abenteuer beginnt, wird bald ein riskantes Unterfangen. Denn die verlassenen Gebäude bergen nicht nur Charme, sondern auch Schrecken. Als die Freunde in einem halb verfallenen Haus eine Leiche entdecken, vermuten sie, dass die Motorradgang Bandidos dahintersteckt. Und dann wird es richtig gefährlich.


    Meine Meinung:


    Lennart, Moe, Chris, Steven und Kaya sind "Urban Explorers". Die Teenager finden ihren Kick in nächtlichen Erkundungstrips, die sie in verlassene Fabriken, Krankenhäuser oder Lagerhallen führt. Immer wieder gilt das Motto "Take nothing but pictures, leave nothing but your footprints". Nichts stehlen und so wenige Anzeichen für das unerlaubte Eindringen hinterlassen wie möglich. Sie bewegen sich dennoch Rande der Legalität, denn immerhin handelt es sich auch bei verlassenen Anlagen um Hausfriedensbruch. Und als sie schließlich über eine Leiche und jede Menge Drogen stolpern, ist es mit den friedlichen Entdeckungstouren vorbei. Vor allem, als Lennart die Drogen mitnimmt und sich herausstellt, dass diese einem Mitglied der berüchtigten Motorradgang "Bandidos" gehören.


    Johannes Groschupf ist einigen vermutlich bekannt durch den NDR-Beitrag "Der Absturz", für den er 1999 den Robert-Geisendörfer-Preis erhielt. Neben seinen beiden Erwachsenenromanen schriebt bisher als Journalist Artikel für verschiedene Zeitungen, wie beispielsweise DIE ZEIT oder die FAZ. "Lost Places" ist nun sein Debüt im Bereich Jugendbuch und das kann ich nur als gelungen bezeichnen.


    Die Charaktere der fünf Jugendlichen sind mal mehr, mal weniger interessant. Während Chris, Steven und Kayer eher eine Nebenrolle spielen, konzentriert sich Johannes Groschupf auf die Entwicklung von Lennart und Moe. Man lernt sie durch ihre Probleme, ihre Eltern und ihr Verhalten besser kennen als den Rest der Freunde. Das mag einerseits der Ich-Perspektive von Lennart, andererseits aber auch der Kürze des Buches mit nur knapp 230 Seiten geschuldet sein. Doch trotz dieser wenigen Seiten schafft es der Autor, sehr viel Handlungsdichte und Spannung zu erschaffen.


    Ich war ebenfalls einige Zeit lang auf Erkundungstour diverser Lost Places, damals allerdings noch als aktive Geocacherin (Schnitzeljagd mit GPS-Gerät). Deshalb konnte ich die Gefühle der Jugendlichen, den leichten Gruselfaktor, das Adrenalin und vor allem diese fast ungebändigte Faszination sehr gut nachvollziehen. Der Autor beschreibt all' das so authentisch, dass ich mich in diese Zeit zurückversetzt fühlte und nun den Entschluß gefasst habe, bald wieder mal auf Tour zu gehen. Leider sind die Lost Places im Südwesten Deutschlands etwas rarer gesät als im Osten.


    Zum Inhalt sehr passend wurde das Umschlagbild entworfen. Es zeigt eine verlassene, heruntergekommene Fabrik, über der Wolken in der Dämmerung hinweg ziehen. Die Atmosphäre, die in der Handlung steckt, wird hier perfekt gespiegelt.


    "Lost Places" ist ein Buch, das ich kaum aus der Hand legen mochte. Zwar richtet es sich vor allem an ältere Teenager, aber auch Erwachsene werden damit einige aufregende Stunden verbringen können. Ich weiß nicht, ob es der Tätigkeit als Journalist und Erwachsenenautor geschuldet ist, dass Groschupf den Leser sprachlich so souverän durch die Handlung führt. Eines jedoch weiß ich ganz sicher: Dieses Buch wird nicht das letzte des Autors für mich gewesen sein.


    5ratten

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Chris, Moe, Kaya, Steven und Lennart leben in Berlin und sind eine verschworene Clique. Abends ziehen sie gemeinsam um die Häuser, gehen in Clubs und Discos und kosten das pulsierende Leben Berlins voll aus.


    Als sie eines Abends nach einem Zusammenstoß mit einem Türsteher aus einem Club fliegen und eher ziellos durch die Gegend streunen, stoßen sie auf eine leerstehende, stillgelegte Fabrik und erkunden diese. Das alte Gemäuer übt eine regelrechte Faszination auf die fünf Jugendlichen aus. Allerdings werden sie jäh gestört, denn auch andere nutzen diesen vergessenen Ort für ihre Zwecke.


    Die Jugendlichen stoßen auf ein Drogenversteck und auf noch Schlimmeres. Ihre Neugierde bringt sie immer tiefer in eine äußerst gefährliche Situation.


    Das Buch hat mir wirklich gut gefallen, allerdings hätte ich mir gewünscht, dass die Geschichte etwas länger und somit an einigen Stellen etwas besser ausgebaut worden wäre. Lennart, die Hauptfigur, ist neben Moe, in die er verliebt ist, der Einzige der Jugendlichen, der detaillierter dargestellt wird, die anderen drei bleiben Randfiguren, von denen man wenig bis gar nichts erfährt.


    Wunderbar gelungen ist es dem Autor hingegen, die Atmosphäre und Stimmung der sogenannten Lost places" einzufangen, während der Lektüre wäre ich am liebsten selbst losgezogen, um solche Orte zu erkunden, obwohl ich für so was eigentlich gar nicht der Typ bin.


    Die reichlich verwendete Jugendsprache ließ mich beim Lesen öfter mal entsetzt den Kopf schütteln, klingt aber auf jeden Fall authentisch.


    Insgesamt ein spannendes und gut zu lesendes Jugendbuch mit einem gewissen Gruselfaktor und vor allem dem Hinweis, mit offenen Augen durch die Umgebung zu gehen!


    4ratten

    LG, Dani


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    Johannes Groschupf: Lost Places, Hamburg 2013, Oetinger Taschenbuch GmbH, ISBN 978-3-8415-0248-3, Klappenbroschur, 237 Seiten, Format: 20 x 13,2 x 2,8 cm, Buch: EUR 12,99 (D), EUR 13,40 (A), Kindle Edition: 11,99.


    “Von allen Tieren gefiel mir das Faultier am besten. Es hing einfach nur rum. Die Haare scheitelten sich auf seinem Bauch. Es lernte nicht Französisch oder Physik oder Geschichte. Es stritt nicht mit seinen Eltern. Es räumte nicht sein Zimmer auf. Es hing einfach nur rum, stur und heroisch. Ich nickte ihm zu, von Kollege zu Kollege.“ (Seite 152)


    Weil der siebzehnjährige Lennart ein unterirdisches Zeugnis heimbringt und zudem häufig die Schule geschwänzt hat, darf er nicht mit seinen Eltern in den Italienurlaub fahren. Er muss im heimischen Berlin bleiben. Wenn seine Eltern wüssten, welch lebensgefährliches Hobby seine Freunde und er neuerdings betreiben, hätten sie sich das noch einmal gut überlegt. Faultier Lennart, Lebenskünstler Chris, Mathe-Nerd Steven, Tussi Kaya und die spröde Moe sind nämlich unter die „Urban Explorer“ gegangen. Das heißt, sie steigen nachts in verlassene Gebäude ein und stöbern darin herum.


    Die morbide Schönheit des Verfalls fasziniert sie. Doch kann man sich beim Herumkrauchen in morschem Gemäuer nicht nur sämtliche Knochen brechen, man begegnet unter Umständen auch ein paar lichtscheuen Gestalten. Leute wie der Raucher – ein Urban Explorer mittleren Alters, der mit der Kamera unterwegs ist – oder die geistig verwirrte Irina sind da noch harmlos. Junkies und Obdachlose werden deutlich ungemütlicher, wenn man ihre Kreise stört.


    Vollends gar keinen Spaß versteht die Motorradgang „Bandidos“, die ein paar der verlassenen Gebäude für ihre kriminellen Aktivitäten nutzt. Dass man diesen harten Jungs besser nicht in die Quere kommt, hätten Lennart und seine Freunde eigentlich wissen müssen. Schließlich sind sie mit dem einen oder anderen schon aneinandergeraten, weil Bandidos die Türsteherszene kontrollieren.


    Als die Freunde in einer stillgelegten Fabrik die Leiche eines Mannes finden, hätte das die letzte Warnung für sie sein müssen. Denn der Mann ist keines natürlichen Todes gestorben, den haben die Bandidos auf dem Gewissen. Lennart lässt trotzdem zwei Tüten voller Drogen mitgehen, die Bandido Eddie dort deponiert hat. Eine Wahnsinnstat, von der viel zu viele Leute wissen. Es dauert auch nicht lange, bis die Bandidos davon Wind kommen und hinter Lennart her sind.


    Was gäbe der junge Mann jetzt darum, friedlich und spießig über seinen Schulbüchern sitzen zu können und ab und zu von seiner Mutter angemeckert zu werden. Einen tollen Sommer hat er verbringen wollen – stattdessen hat er den Tod vor Augen …


    Sie fühlen sich stark, schlau und unbesiegbar. Und so legen sich die fünf Teenager mit Gegnern an, die mehrere Nummern zu groß für sie sind. Erwachsene, die möglicherweise Schlimmeres verhüten könnten, sind nicht präsent und würden wahrscheinlich auch kein Gehör finden. Das ist ein genretypisches Szenario, das viele haarsträubende Abenteuer in Jugendbüchern überhaupt erst möglich macht. Lennarts Eltern sind nicht nur urlaubsbedingt abwesend, sie haben in ihrer bürgerlichen Naivität gar keine Ahnung von dem, was im Leben ihres Sohnes los ist. Bei seinen Freunden ist es ähnlich. Sie sind ganz und gar auf sich gestellt. Ohne dass irgendjemand mit ein bisschen mehr Lebenserfahrung mitkriegt, was sie tun, begeben sie sich in jugendlicher Selbstüberschätzung in Lebensgefahr. Schlimm für die Helden, spannend für die Leser.


    Fast noch aufregender als die Krimihandlung ist die düster-geheimnisvolle Atmosphäre in den verlassenen Gemäuern, die der Autor mit seinen Worten heraufbeschwört. Es muss schon eine besondere Faszination ausüben, durch verfallende Gebäude zu streifen, vor allem, wenn man so phantasiebegabt ist wie Lennart. Der kann sich erschreckend bildhaft vorstellen, was sich vor Jahrzehnten in den Fabrikhallen und Klinikräumen zugetragen hat. Gespenstisch!


    Hoffentlich inspiriert diese ungeheuer fesselnde Beschreibung die jugendlichen Leser nicht zu eigenen Urban-Exploring-Abenteuern. Und wenn doch, dann wissen sie jetzt wenigstens, um wen und um was sie dabei einen möglichst großen Bogen machen sollten …


    Der Autor
    Johannes Groschupf, 1963 in Braunschweig geboren, studierte Germanistik, Publizistik und Amerikanistik. Heute lebt er als freier Journalist in Berlin und schreibt für Die ZEIT, die FAZ, den Tagesspiegel, die Berliner Zeitung u.a. Er hat bereits zwei Romane für Erwachsene veröffentlicht und erhielt 1999 den Robert-Geisendörfer-Preis für das NDR-Feature "Der Absturz".

  • Das klingt wirklich sehr interessant. Ich lese ja unheimlich gern Jugendbücher und werde dieses einfach mal in meine Wunschliste aufnehmen. Danke für die interessanten Rezis. :blume:

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)