Susanne Goga - Der verbotene Fluss

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  • Ihre "richtig" historischen Romane haben mir teilweise auch sehr gut gefallen, außerdem gibts ja ihre historischen Krimis, die sind auch toll.


    Und im Januar kommt das nächste aus dem 20. Jahrhundert, dazu haben wir dann auch wieder eine Leserunde:zwinker:

    LG, Dani


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  • Charlotte Pauly tut etwas nahezu Unerhörtes für eine junge Frau Ende des 19. Jahrhunderts: sie geht mutterseelenalleine nach England und tritt eine Stellung als Hauslehrerin bzw. Gouvernante der achtjährigen Emily Clayworth an.


    Ihr neuer Schützling ist ein liebenswertes, aufgewecktes Mädchen, das aber noch sehr unter dem Tod der Mutter einige Monate zuvor leidet. Emilys Vater Sir Andrew hat strengstens untersagt, dass im Haus über die Tote gesprochen wird, was Charlotte die Arbeit nicht gerade erleichtert, denn sie ist überzeugt, dass sie Emily, die schnell Zutrauen zu ihrer neuen Gouvernante gefasst hat, am allerbesten helfen kann, wenn sie weiß, was damals geschehen ist.


    Mit viel Fingerspitzengefühl bekommt sie schließlich heraus, dass Ellen Clayworth im Fluss Mole ertrunken ist, dem Fluss, den Emily fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Ob es ein Unfall oder Suizid war, wagt niemand zu sagen. Auf alle Fälle hat Emily immer wieder Alpträume, die sich mit der Zeit noch verschlimmern, so dass ihr Vater zu einer ungewöhnlichen Maßnahme greift, um herauszufinden, was mit der Kleinen los ist. Währenddessen hat Charlotte ihre eigenen Vermutungen, doch die traut sie sich kaum zu äußern.


    Mit diesem Roman um ein totgeschwiegenes Familiengeheimnis legt Susanne Goga einen richtigen Schmöker zum Abtauchen vor. Leicht und fesselnd fließt die Erzählung dahin, mit schönen Beschreibungen von Orten und Charakteren und einer grundsympathischen Hauptfigur, die durch resolute Tatkraft, gesunden Menschenverstand und ein Herz am rechten Fleck überzeugt, ohne sich dabei anachronistisch zu benehmen.


    Was es tatsächlich mit Ellens Tod, Sir Andrews Schweigen und Emilys traumatisiertem Verhalten auf sich hat, ahnen erfahrene Leser womöglich schon sehr zeitig (ich hatte nach knapp der Hälfte drei Vermutungen bezüglich des Ausgangs, die sich allesamt bestätigt haben). Weiterlesen macht aber trotzdem Spaß, weil Susanne Goga ein so lebendiges Bild der damaligen Zeit zeichnet, von strengen Moralvorstellungen und gesellschaftlichen Skandalen, von spiritistischen Sitzungen und vom Alltag einer Gouvernante, von gaslampenbeleuchteten Londoner Straßen und dem beschaulichen ländlichen Surrey. Der Weg zur Auflösung ist das eigentlich Spannende, weniger des Rätsels Lösung selbst. Und der Schluss lässt Raum für Spekulationen (oder für den Wunsch, noch mehr über Charlotte Pauly zu lesen).


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Den gar so begeisterten Stimmen hier im Thread kann ich mich nicht so ganz anschließen- Das liegt vor allem daran das ich schon relativ früh wusste worauf die Handlung hinauslaufen würde. Ich hatte dabei in jedem einzelnen Punkt recht und habe mich immer wieder etwas genervt gefragt weshalb die offensichtlich intelligente Hauptfigur nicht auf die auf naheliegensten Vermutungen kommt.


    Lustig, mir ging es nämlich ganz genauso :breitgrins:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Der Weg zur Auflösung ist das eigentlich Spannende, weniger des Rätsels Lösung selbst.



    Manchmal finde ich das sogar noch spannender. :zwinker:



    Ich habe das Buch auch vor einiger Zeit gelesen. Hier meine Meinung dazu:


    England 1890. Die junge Lehrerin Charlotte Pauly verlässt Berlin und bekommt im Hause des reichen Abgeordneten Sir Andrew Clayworth eine Anstellung als Gouvernante für dessen achtjährige Tochter Emily.
    Chalk Hill ist ein altes Herrenhaus, auf dem ein düsterer Schatten zu liegen scheint. Das liegt auch daran, dass Sir Andrew allen Angestellten und sogar seiner Tochter verboten hat, über den Tod seiner Frau zu sprechen. Lady Ellen Clayworth ist vor einem halben Jahr anscheinend in den nahen Fluss gestürzt.
    Charlotte ist überzeugt, dass es nicht gut ist für das Mädchen, ihre Trauer tot zu schweigen und versucht, so viel wie möglich über die Umstände des Todes von Emilys Mutter herauszufinden. Sir Andrew ist davon alles andere als begeistert, aber als das Mädchen immer mehr Albträume bekommt und behauptet, ihre tote Mutter zu sehen, kann Charlotte ihn endlich überzeugen, etwas zu übernehmen. Erscheint Emily wirklich der Geist von Lady Ellen? Um das herauszufinden engagiert er Tom Ashdown, der seit kurzem zur "Society for Psychical Research" gehört, die sich mit dem Erforschen von übersinnlichen Phänomenen befasst.


    Ich bin begeistert. "Der verbotene Fluss" ist ein wunderbarer historischer Roman mit einem Hauch Mystery. Atmosphärisch dicht, manchmal düster, sehr fesselnd und flüssig geschrieben. In manchen Szenen bekommt man wirklich eine Gänsehaut. Die Charaktere haben viele Facetten und auch die Nebenfiguren bleiben keineswegs blass. Charlotte ist eine resolute junge Frau, die trotz der Zeit in der sie lebt, weiß was sie will und den Mut hat, ganz alleine in England ein neues Leben zu beginnen. Auch ihre Art, mit der sensiblen Emily umzugehen fand ich sehr sympathisch.
    Tom Ashdown, der auch vor ein paar Jahren einen schweren Verlust erleiden musste, mochte ich von Anfang an. Er lässt sich auch von dem einflussreichen Sir Andrew nicht einschüchtern, dessen Ruf anscheinend wichtiger für ihn ist als seine Tochter. Nach und nach deckt er zusammen mit Charlotte das Geheimnis von Chalk Hill auf.


    Zu Ende des 19. Jahrhunderts ist Spiritismus gerade in England sehr angesagt. Geisterbeschwörungen, Seancen und ähnliches sind gerade in der besseren Gesellschaft sehr beliebt. Die damals gegründete "Society of Psychical Research" gibt es tatsächlich und laut Nachwort der Autorin existiert sie heute noch. Sehr interessant. :)


    Wer historische Romane mit einem Touch Mystery mag, die auch noch im nebeligen England spielen, der liegt mit "Der verbotene Fluss" genau richtig.


    5ratten

    Ich kaufe keine Bücher. Ich adoptiere sie. :hexe:

  • Charlotte Pauly musste in Berlin eine Enttäuschung hinnehmen. Daher will sie weit entfernt ein neues Leben anfangen. Sie wird die Gouvernante der achtjährigen Emily, die vor kurzem ihre Mutter verloren hat. Sir Andrew Clayworth, Emilys Vater, will, dass niemand über seine verstorbene Frau und ihren Tod spricht. Doch Charlotte findet schnell heraus, dass Emily unter Ängsten und Albträumen leidet. Sie will ergründen, warum so ein Geheimnis um Lady Ellen gemacht wird, da sie überzeugt ist, dass sie Emily nur helfen kann, wenn sie weiß, worum es geht. Ihre Sorgen um Emily werden größer und auch Sir Andrew muss sich eingestehen, dass etwas geschehen muss. Der Journalist Thomas Ashdown beschäftigt sich mit einem sehr speziellen Thema, und Charlotte findet mit seiner Hilfe die dunkle Wahrheit heraus.


    Auch wenn diese Geschichte eine Weile braucht, um Fahrt aufzunehmen, so hat sie mir doch gut gefallen. Das kleine Dorf Westhumble und die Gegend sind sehr gut und atmosphärisch beschrieben. Ich konnte mir gut vorstellen, wie die Druiden sich unter den uralten Bäumen getroffen haben.


    Als Charlotte nach Chalk Hill kommt, herrscht dort eine sehr angespannte Atmosphäre. Auch der Hausherr ist ein sehr verschlossener Mensch. Er hat allen verboten, über den Vorfall mit seiner Frau zu sprechen. Dass seine Tochter ihn braucht, sieht er nicht, sondern stürzt sich in seine Arbeit als Abgeordneter. Emily war viel krank und ihre Mutter hat sich aufopferungsvoll um sie gekümmert. Das hat ihr Anerkennung der Dorfbewohner gebracht, aber ihr Mann hätte sie gerne in London bei sich gehabt. Emily ist ein aufgewecktes Kind, aber immer wieder scheint sie seltsam abwesend. Ihre Albträume sind besorgniserregend und ihre Stimmungen ändern sich manchmal sehr abrupt. Bei Charlotte spürte man gleich, dass sie ihren Beruf mag und gut auf die Kinder eingehen kann. Sie ist sympathisch, einfühlsam und auch mutig. Aber auch Thomas Ashdown ist ein sympathischer Mann, der Dingen gerne auf den Grund geht.


    Auch die anderen Charaktere sind sehr gut dargestellt.


    Diese Geschichte hat mich von Anfang an gepackt, auch wenn ich schon ziemlich früh eine Vermutung hatte, wohin die Reise führt. Das hat sich dann auch bestätigt. Trotzdem war die Geschichte geheimnisvoll und spannend; sie hat mich gut unterhalten.


    5ratten

  • Der verbotene Fluss war für mich thematisch eine Überraschung, da er fast eine Hommage an die alten Klassiker "Rebecca"und "Jane Eyre" ist. In einem englischen Herrenhaus Ende des 19.ten Jahrhunderts wird die achtjährige Tochter eines Parlaments-Abgeordneten in mysteriöse und spiritistisch anmutende Geschehnisse verwickelt. Die neu eingetroffene Hauslehrerin und ein beherztes Mitglied der Society of Psychical Research versuchen zu klären, ob das Mädchen geisteskrank wird oder ob Geister tatsächlich ihr Unwesen im Haus treiben.


    Überhaupt nicht mein Lieblingsgenre, da ich da schon ein paar Mal heftig enttäuscht wurde. Aber im Falle von "Der verbotene Fluss" hat Susanne Goga mich mal wieder voll überzeugt.

    Obwohl die Geschichte in ruhiger Gangart daherkommt und viel Zeit und Liebe auf die Zeichnung der Charakter und die Beschreibung der normalen Alltäglichkeiten verwandt wird, baut sich Schritt für Schritt eine unterschwellige Spannung auf. Mit jedem neu gefundenen Puzzlestück erfährt der Leser wieder ein kleines Stück des ganzen großen Geheimnisses und kommt der Lösung einen kleinen Schritt näher. Das Tolle ist wirklich, dass man miträtseln kann und deshalb recht bald mitfiebert und Vermutungen anstellt, wie auch die Hauptakteure Charlotte und Thomas. Die beiden sind sehr symphatisch und mir schnell ans Herz gewachsen. Die Zuneigung der beiden ist wie ein zartes Band, welches mit kleinen Andeutungen vor dem Leserauge wächst während die Geschichte logisch und glaubwürdig voranschreitet. Selbst die Nebendarsteller sind eindringlich beschrieben und geben die Würze in diese geheimnisvolle Geschichte.


    Susanne Goga benützt keine unnötigen Effekte, erschafft Atmosphäre vor allem durch die Menschen, die sie erfindet und die so lebendig agieren, dass sie bestes Kopf- und Herzkino erzeugt ohne dass es je kitschig oder langweilig würde.

    :lesen: