William Wharton - Die Nacht in den Ardennen

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  • Kennt denn hier jemand den amerikanischen Autor William Wharton?
    Nur einige seiner Bücher wurden ins Deutsche übersetzt und sie sind auch nur noch antiquarisch zu erwerben, leider, muss ich sagen. Hingegen ist er in Polen ein sehr beliebter, vielgelesener und bekannter Bestsellerautor. Interessant auch, wie das sich manchmal über die Grenze hinweg ändert, ob jemand gelesen wird oder nicht...


    Über meinen Freund bin ich also an diesen Schriftsteller geraten und habe "Vater" von ihm gelesen, eine einfühlsame und wirklich großartig geschriebene Familiengeschichte, in deren Mittelpunkt ein Mann in den mittleren Jahren steht, der mit seinen pubertierenden Kindern zu kämpfen hat, aber dessen Hauptproblem sein an zunehmend an Demenz erkrankter Vater und der Umgang seiner Mutter damit ist. Ein sehr gutes Buch.


    "Die Liebenden von Paris" wurde mir ebenfalls ans Herz gelegt, das fand ich eine etwas schräge Geschichte, von einem Maler, der aus seinem bisherigen Leben ausbricht und in eine einsame Dachkammer in Paris zieht und sich dann in eine blinde alte Frau verliebt und diese sich in ihn...


    Sein wohl bekanntestes Buch ist "Birdy", da muss ich zugeben, dass ich es noch nicht gelesen habe, da ich den Film nicht ansprechend genug und zu verrückt fand.


    Und nun habe ich die ersten vierzig Seiten von "Die Nacht in den Ardennen" gelesen und bis gespannt, in welche Richtung dieses Buch gehen wird und möchte euch gerne am Leseerlebnis teilhaben lassen... :)


    Viele Grüße, Marie

    Ich lese gerade:<br /><br />Emmanuel Carrère - Alles ist wahr<br />Frankreich 2004/2005

  • William Wharton - Die Nacht in den Ardennen
    OT: A Midnight Clear; New York 1982


    Klappentext:
    Durch einen Irrtum der Bürokratie werden Jugendliche aus Amerika 1944 als Soldaten in die Ardennenschlacht geschickt. Ein Häuflein von sechs Überlebenden sucht inmitten des militärischen Wahnsinns Vernunft zu bewahren - den Höhepunkt solcher Bemühungen bildet eine Nacht im Ardennenwald, als sie zwischen den Fronten mit deutschen Soldaten zusammen den Krieg für sich beenden wollen. Die Nacht in den Ardennen entwickelt hier die Kraft und Intensität eines Wintermärchens, das von der Realität eingeholt wird.


    Vorbemerkung:
    Die Namen in dieser winterlichen Weihnachtsgeschichte wurden geändert, um die Schuldigen zu schützen. W.W.

    Ich lese gerade:<br /><br />Emmanuel Carrère - Alles ist wahr<br />Frankreich 2004/2005

  • Das Buch klingt sehr interessant. Spielt es nur über die Weihnachtstage oder über einen längeren Zeitraum?
    Aber warum Frankreich? War die Ardennenoffensive nicht in Belgien (und teilweise in Luxemburg)? Oder täusche ich mich?

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Oh, peinlich, habe gleich mal nachgelesen und natürlich hast du völlig recht, die Ardennenschlacht war in Belgien... :redface:


    Die Geschichte handelt bisher von sechs amerikanischen Jungen im zweiten Weltkrieg, die meisten unter 20 Jahre alt, die nach einem verlustreichen Angriff auf die Deutschen im Saargebiet (vielleicht dachte ich deswegen an Frankreich :-)) nun in die Ardennen versetzt wurden.
    Bisher hat Weihnachten noch keine Rolle gespielt, es ist einfach Winter 1944.


    Sie alle stammen aus derselben Schule, und sind durch ein Missverständnis (?) als Soldaten nach Europa geschickt worden. Sie wollten nicht in den Krieg, sie hassen die Deutschen nicht, sie sind nicht besonders patriotisch und nicht fanatisch, sie versuchen einfach nur zu überleben, frieren, haben schreckliche Angst und hoffen darauf, dass ihre Vorgesetzten nicht allzu dumme Ideen haben, was Angriffe und Vorstöße gegen den Feind angeht.
    Sie teilen sich zu sechst ein Buch, welches in mehrere Kapitel zerrissen wurde und jeder darf immer einen Teil lesen, den er dann in genau bestimmter Reihenfolge und nach einer gewissen Zeit weiterzugeben hat.
    Der letzte Vorgesetzte war wohl ziemlich dumm, und so sind bei dem besagten Angriff die Hälfte ihrer Freunde umgekommen.


    Zitat

    Bei dem Versuch, an der Saar einen seiner am grünen Tisch ausgeheckten, unausgegorenen sogenannten „Spähtrupps“-Aufträge in die Tat umzusetzen verloren wir die Hälfte unserer Leute. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie unnütz und hirnlos das Unterfangen war. Es war so schlimm, dass ich darüber lieber Schweigen bewahren will; ich hoffe jedenfalls, dass mir das gelingt.
    Wenn ich verloren sage, meine ich damit, dass sie getötet wurden. In der Armee gibt niemals jemand zu, dass irgend jemand von der eigenen Seite getötet wird. Entweder ist er vermisst, wie Christopher Robin; getroffen, wie ein gefoulter Schlagmann beim Baseball, der dafür „eins vorrücken“ darf; gefallen wie ein leichtes Mädchen, oder „Es“ erwischt ihn wie ein Grippevirus, oder er kriegt gar etwas ab, als hätte er das große Los bei einer Tombola gezogen.


    Zitat

    Daraufhin wurden wir nordwärts in die Ardennen verlegt, um uns auszuruhen und auf Verstärkung zu warten. Dies ist angeblich der Frontabschnitt, an dem noch nie etwas los war und auch nie etwas los sein wird, eine Art gehobene Rehabilitationsstation; eine Frontlinie zur Ausbesserung des Make-Ups und der Nerven, zur Generalüberholung sozusagen.
    Ich bin mir nicht sicher, ob ich persönlich rehabilitationsfähig bin. Die Angst verfolgt mich so hartnäckig, dass ich nicht einschlafen kann, nicht einmal während einer langen Wache. Zwei Heulkrämpfe habe ich bereits hinter mir, aber niemand hat es mitgekriegt, dabei gab ich ihnen jede Menge Gelegenheit dazu.
    […]
    Mit diesem erheiternden Gedanken beende ich meine Lagebeschreibung und überlasse mich dem, was derzeit als Schlaf gilt.


    Ich mag diesen Stil, leicht ironisch, flapsig geschrieben, man könnte es ständig ein bisschen lustig finden, wenn es nicht so schrecklich wäre. Es lässt mich gruseln und macht mir Gänsehaut.
    Und was ich auch mag, ist dass keiner der Jungs – ihre Vorgesetzten ausgenommen – mit großen Idealen vom Sterben fürs Vaterland oder Stolz auf die wichtige Mission in den Krieg gezogen ist. Sie halten sich nicht für Helden, sie finden den Krieg nicht toll, sie finden es nicht ehrenhaft zu kämpfen.


    Ich bin gespannt und erwarte Trauriges.

    Ich lese gerade:<br /><br />Emmanuel Carrère - Alles ist wahr<br />Frankreich 2004/2005

  • Möchte hier nur noch mal kurz schreiben, dass mir das Buch gut gefallen hat. Natürlich war es traurig, wie ist es anders zu erwarten von einem Anti-Kriegsbuch. Die Geschichte der sechs amerikanischen Jungs, die da zwischen den Fronten im verschneiten Wald verloren gehen und Kontakt zu einigen deutschen Soldaten aufnehmen hat mich berührt, ist spannend geschrieben, lässt einen eine Weile lang nicht los und möchte ich hier gerne weiterempfehlen :)


    5ratten


    Viele Grüße, Marie

    Ich lese gerade:<br /><br />Emmanuel Carrère - Alles ist wahr<br />Frankreich 2004/2005

  • Hi! Ich bin aktuell auch "Die Nacht in den Ardennen" am lesen. Gefällt mir bisher echt gut.
    Sonst habe ich noch "Die letzten liebenden von Paris" gelesen und das fand ich zwar,
    wie du schon sagtest, ein bisschen seltsam aber trotzdem echt gut.
    Habe den Schriftsteller von einer Freundin aus Polen empfohlen bekommen. :)


    Gruß, Michael