T. C. Boyle - Hart auf hart

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.008 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

  • Gefiel mir besser als San Miguel, das auch gut, aber doch recht deprimierend war.
    Ein Buch über das kaputte, wütende Amerika, unter anderem.
    Zwischendurch erinnert es an Rambo I, ich mag dann aber das Ende.

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  • T.C. Boyle ~ Hart auf Hart


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    Originaltitel: The Harder They Come
    Erscheinungsjahr: 2015
    Verlag: Carl Hanser
    Seiten: 400 (gebunden)


    Klappentext:
    Adam, der Sohn eines Schuldirektors und Vietnamveterans, kriegt nichts auf die Reihe. Er fliegt von allen Schulen, wandert von einem Psychiater zum anderen, bis die Eltern ihn aufgeben. Doch in Adam tickt eine Bombe. Überall wähnt er Feinde, gegen die es sich mit allen Mitteln zu verteidigen gilt. In der Wildnis, wo er ein Schlafmohnfeld angelegt hat, hortet er seine Waffen. Doch es gibt jemanden, der dich sogar in ihn verliebt. Sara, die - wie Adam - gegen vieles steht: die Globalisierung, die Verschwörer, die Staatsgewalt, die sie nicht anerkennt. Als sie ihn am Straßenrand aufgabelt, beginnt eine Leidenschaftliche, skurrile Liaison. Doch bald merkt Sara, dass mit Adam nicht gut zu reden ist - und er es ernst meint mit den Feinden, sehr ernst.


    ------------------


    "Die amerikanische Seele ist ihrem Wesen nach hart, einzelgängerisch, stoisch und ein Mörder. Sie ist noch nicht geschmolzen." (D.H. Lawrence: Studies in Classic American Literature)


    Zugegebenermaßen bin ich recht unschlüssig, wie ich dieses Buch finden soll. Positiv zu erwähnen ist Boyles direkter, teils derber und witziger Schreibstil, der es einem leicht macht, schnell in die Story hineinzufinden. Zu Beginn geht es um Adams Eltern, die in Südamerika eine Kreuzfahrt machen und dabei einen unschönen Zwischenfall erleben, aus der Adams Vater als "Held" hevorgeht. Scheinbar hat diese Episode nichts mit der weiteren Handlung zu tun, doch der Bogen wird ganz am Ende geschlagen. Zu viel sei hier nicht verraten.


    Erst danach beginnt die eigentliche Geschichte um Adam, einem eigenbrötlerischen jungen Mann und Waffennarr in seinen Zwanzigern, der sich schon als Teenie nie anpassen konnte, und der sich jetzt als Erwachsener völlig aus der Gesellschaft zurückziehen möchte. Den Tod seiner Großmutter hat er nicht verkraftet, er redet immer noch mit ihr als wäre sie da. Irgendwie kann man ihn nie ganz fassen, diesen stillen Träumer, der in seiner Gedankenwelt mit dem Trapper John Colter aus dem 18. Jahrhundert verschmilzt und ein "Waldläufer" wird. Doch da ist Sara, eine Möchtegern-Unangepasste mit "Draufgängerstiefeln" und knappen Blusen, die Adam am Straßenrand aufgabelt und mit ihm eine eigenwillige Affäre beginnt. Selbst recht labil, schafft sie es ein Stück weit zu ihm duchzudringen. Ein Großteil des Buches wird die Beziehung zwischen den beiden beschrieben, in der es Hauptsächlich um Essen, Alkohol und Sex geht. Sie, die ältere, bemuttert ihn, und er nimmt bereitwillig alles, was sie ihm bietet, offenbart sich selbst aber nie vollständig. Lieber zieht er sich in seinen Wald zurück, wenn ihm alles zu viel wird.


    Als dann das Haus seiner Großmutter, in dem er wohnt, von seinen Eltern verkauft wird (wobei diese doch wissen wie wichtig ihm Unabhängigkeit ist), dreht Adam durch, und die Geschichte nimmt eine tragische Wendung.


    Beim Lesen habe ich mich oft gefragt, ob und wann in diesem Buch nochmal so etwas wie Handlung stattfindet, oder ob man bis zum Ende Adam und Sara beim Saufen und beim Sex und beim Rumpöbeln über die "scheiß Gesellschaft" begleiten muss. Es plätschert alles sehr lange vor sich hin, erst beim "Durchdrehen" Adams nimmt die Geschichte etwas Fahrt auf und entwickelt etwas Spannung. Aber wirklich mitgefiebert habe ich nicht, weil ich mich beim Lesen mit keiner einzigen Figur identifizieren, geschweige denn Sympathie oder Interesse aufbauen konnte. Alles bleibt eher unnahbar und oberflächlich.


    Und immer wieder habe ich mich gefragt, in welche Richtung Boyle hier eigentlich gehen will. Ist es Satire, ist es Gesellschaftskritik? Ein Abgesang auf den American Way of Life ist es jedenfalls nicht. Die Vorurteile und Doppelmoral amerikanischer Kleinbürger wird hier aufgezeigt, aber so richtig überzeugt es mich nicht. Von dem "bösem Witz", von dem auf der Buchrückseite die Rede ist, erkenne ich nicht viel. Es kommt doch etwas schwach auf der Brust daher, und die Moral von der Geschichte, dass Freiheit auch und vor allem in den USA eine Illusion ist, kann wohl keinen mehr hinter dem Ofen hervorlocken.


    Aufgrund gemischter Gefühle, und des doch ganz angenehm zu lesenden Schreibstils, der über die flache Handlung hinwegtröstet, vergebe ich


    3ratten

  • Mir gefiel der Anfang des Buches am besten. Eigentlich wollte ich es nur anlesen und saß letztlich über eine Stunde, bevor ich wieder aufhörte. Boyle hat eine besondere Art, die Handlung zu entwickeln und dabei eine Atmosphäre aufzubauen, die mich packt und nicht mehr loslässt. Ich mag auch seinen Stil. Sein Übersetzer Dirk van Gunsteren hat gute Arbeit geleistet. Ich kenne zwar das Original nicht und kann daher nicht vergleichen, aber van Gunsterens Umsetzung trifft genau meinen Geschmack.


    Nach dem ersten Teil fiel es inhaltlich leider ab. Von dem Zeitpunkt an, als man Adam kennen lernt, entwickelt er sich für meine Begriffe einfach zu wenig weiter. Er ist schon mitten drin in einem Sog, aus dem er nicht mehr herauskommen wird. Es spitzt sich zwar bei zwei Gelegenheiten zu, doch ein echter Höhepunkt fehlt. Die Spannungskurve steigt langsam an, aber auch nur, weil man auf einen Showdown wartet, der dann nicht stattfindet.


    Adam ist auch nicht greifbar. Was er macht, steht im Mittelpunkt, aber er bleibt als Charakter zu eingegrenzt, irgendwie zu flüchtig. Sein Innerstes bleibt verschlossen. Seine jeweiligen Empfindungen wie Emotionen oder körperliche Bedürfnisse sind deutlich erkennbar, aber warum er diese Entwicklung genommen hat, wurde mir nicht klar. Ich hätte gern mehr über ihn erfahren. Sara war in mancher Hinsicht auch rätselhaft. Ich bin nicht darauf gekommen, was sie an Adam so fasziniert hat. Irgendwie mag ich nicht glauben, dass es reine sexuelle Anziehungskraft war.



    Und immer wieder habe ich mich gefragt, in welche Richtung Boyle hier eigentlich gehen will. Ist es Satire, ist es Gesellschaftskritik?


    Für Satire ist das Thema zu empfindlich. Boyles persönliche Einstellung ist mir nicht bekannt, aber ich fasse es als Kritik am amerikanischen Waffengesetz auf. Jeder darf Waffen besitzen, und mancher Eigenbrötler kann sich mit Waffen unbemerkt zu einer Gefahr für die Allgemeinheit entwickeln, während er von seiner Umgebung einfach nur als seltsam eingestuft wird. Und das ist der zweite Punkt: Wie soll man abwägen, ob jemand eine potenzielle Gefahr darstellt oder lediglich ein harmloser Freak ist?



    Soll man eingreifen? Kann man als nahestehende Angehöriger überhaupt objektiv beurteilen?


    Gut geschrieben, aber inhaltliche Schwächen.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Meine Meinung


    Doris stellt die Frage, die ich mir beim Lesen auch gestellt habe.

    Wie soll man abwägen, ob jemand eine potenzielle Gefahr darstellt oder lediglich ein harmloser Freak ist?


    Das kann man nicht. Denn ich habe nicht nur Adams Verhalten, sondern auch das seines Vaters als grenzwertig empfunden. Ich habe bei Sten so viel unterdrückte Wut wahrgenommen dass ich ihn zuerst noch gefährlicher als Adam eingeschätzt habe. Auch bei Sara wusste ich nicht, in welche Richtung sie ihre Einstellung noch führen würde. Sie ist oft aggressiv, aber nachdem sie ihre Gefühle rausgelassen hat, ist alles wieder in Ordnung.


    Trotzdem kann ich ihr Verhalten nicht nachvollziehen, auch wenn ich ihre Einstellung billige. Aber sie verwickelt immer wieder ihr Umfeld, besonders ihre Freundin in die Folgen ihres Handelns. In diesem Punkt finde ich sie sehr egoistisch.


    Ich denke auch nicht, dass das Hart auf Hart eine Satire ist. Für mich zeigt der Autor einfach die Realität. Ich bin mir dabei nicht einmal sicher, ob er übertreibt auch wenn Adams Figur manchmal ein wenig überspitzt gezeichnet wirkt. Aber trotz des aktuellen Themas konnte mich das Buch nur bedingt fesseln.

    3ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.