Jenny-Mai Nuyen - Nacht ohne Namen

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 1.387 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Tolpan.

  • "Nacht ohne Namen"
    von Jenny-Mai Nuyen


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    Inhalt: Nicki und Canon kennen sich nur aus der Straßenbahn, dort treffen sie sich um zusammen zu zeichnen. Dann ruft Canon Nicki eines Tages an um den Kontakt abzubrechen und verschwindet. Nicki begibt sich auf Spurensuche und erfährt dass Dämonen existieren und Canon von einem besessen ist, kopfüber stolpert sie in eine Welt von der sie bisher keine Ahnung hatte …


    Meine Meinung: Rein vom Inhalt und der Idee her gefällt mir das Buch. Die Autorin hat sich für ihre Welt einige nette Details (z.B. Winkelwürmer) ausgedacht. Leider gerieten mir die Erklärungen zu wirr. Es geht in dieser Welt mit Dämonen um Realitäten, Vorstellungskraft, Gedanken, Worte und ihren Einfluss. Solche abstrakten Zusammenhänge nachvollziehbar zu beschreiben ist nie ganz leicht, führt gerne zu Verknotung der Gehirnwindungen und ist in meinen Augen der Autorin hier auch nicht gelungen.


    Und in diese Welt von der sie keine Ahnung hat stolpert Nicki wegen einem Jungen, den sie kaum kennt, in den sie aber unheimlich verschossen ist. Ich konnte Nickis Gefühle für ihn kaum nachvollziehen. Am Anfang ist das ja noch okay, da kennt man beide Figuren und ihre Hintergrundgeschichte noch nicht. Allerdings wird mir im Laufe des Buches zu wenig davon enthüllt um diese tiefen Gefühle zu erklären die beide anscheinend empfinden. Da konnte ich Nickis Gefühle für Tallis (ein Dämon) schon besser nachvollziehen, selbst wenn die Gute da manchmal etwas naiv ist.


    Beide Kritikpunkte wurden durch die Sprache nicht besser.


    Die Sprache wirkt auf mich sehr gewollt, als sollte der Text mit aller Macht mehr Bedeutung und Tiefe erhalten. Doch es ist zu dick aufgetragen, es klingt nicht poetisch sondern einfach nur übertrieben. Das ganze Buch wimmelt von doch sehr merkwürdigen Sprachbildern, die wirken als kämen sie aus einem Schlagzeilengenerator mit Sprichworten und Redewendungen. Die Autorin schießt für mich meilenweit am Ziel vorbei.


    Da gibt es (merkwürdige) Kombinationen wie

    Zitat

    "gerippezartes Laub", "butterweiche Gemütlichkeit", "wehende Finsternis",

    Worte kullern wie Kieselsteine in Nickis Brust, Bedenken blubberten, Finsternis quillt in Lungen …


    In einer Kussszene wird es gleich richtig schwülstig

    Zitat

    "Die ganze Welt stürzte im Beben ihres Herzschlags zusammen."
    "Es gab kein Geheimnis mehr zwischen ihnen und doch würde sie ihn nie ergründen."
    "Sie schloss die Arme um seinen Nacken, um nicht zu einer zitternden Pfütze auf dem Boden zu zerrinnen."


    Aber meine Lieblinge sind immer noch

    Zitat

    "In seiner Gegenwart erkannte sie in den selbstverständlichsten Sachen das Zauberische, das auf dem Grund des Daseins glomm."
    "Die Gewalt war ehrlich neben der Liebe, die, verkleidet in romantischen Flitter, geschminkt mit buttrigen Pasten der Fürsorge und behängt mit Eitelkeiten, doch nie lange haltbar blieb. Wenn man die Liebe untersuchte, fand man früher oder später die zersetzenden Bakterien des Neids, der Furcht, des Selbstbetrugs. Die Liebe! Frisiert und mit Kullertränen besprenkelt."


    Manchmal hatte ich das Gefühl "Okay, jetzt verstehe ich vage was die Autorin mir sagen will.", manchmal dachte ich auch nur " … hääää?"


    Beim Abendlichen Zappen durch das Fernsehprogramm stolperte ich mal über einen typischen Klischeeactionfilm, in dem – mal wieder – die Welt gerettet werden musste und eine Figur gerade eine dieser furchtbar pathetischen „Wir sind die einzigen die das tun können und müssen jetzt die Welt retten“-Rede schwang. Ein Drehbuchautor hatte genug Selbstironie um eine andere Figur fragen zu lassen „Wer redet denn so?“ Ja, das ist eine gute Frage … Übertragen auf dieses Buch frage ich mich nämlich „Wer schreibt denn so?“ Frisiert und Kullertränen? ECHT JETZT?


    Also macht den Test:
    - Findet ihr die Zitate stimmig, poetisch, romantisch? Dann lest das Buch, die Sprache wird euch jedenfalls nicht stören. ;)
    - Findet ihr es eher pseudo-poetisch, schwülstig und fragt ihr euch was der Quatsch eigentlich soll? Dann lest es lieber nicht, der Rest ist genauso.


    Immerhin habe ich noch einen positiver Punkt: am Ende wurde es tatsächlich mal spannend … auf den letzten 70 Seiten oder so.


    Mein Fazit: Gute Idee, wirr erklärt, zu übertriebener, teils schwülstiger Stil mit sehr gewollten Vergleichen. Dafür gibt es von mir 2ratten. Für mich ein
    :flop:
    Leider mein Zweiter dieses Jahr.


    ***

    Zitat

    "Zusammen bildete das endlose, eintönige Geticke ein Knirschen, das nach nicht mehr klang als dem Zerknabbern eines Butterkekses".

    – Mahlzeit!

  • Welch genialen Zitate. :breitgrins:


    1988 geboren und mit 13 den ersten Roman geschrieben. Wahrscheinlich ist die Sprache nur deswegen so schwülstig, weil sie so überehrgeizig ist. Wer mit 10 sein erstes Drehbuch schreibt sollte mit 26 mindestens neue Satzschöpfungen kreieren. :belehrerin: Altes afrikanisches Sprichwort was ich mir gerade ausgedacht habe.


    – Mahlzeit!


    Ob sie wohl zufällig Kekse beim verfassen gegessen hat? :gruebel:

  • Valentine: So findet jeder seinen Liebling. :zwinker:


    Zumindest beim Zitate sammeln hat mich das Buch rgendwann doch noch amüsiert. Ich habe auch noch eine handvoll mehr als in der Rezension aufgezählt, aber mein Freund hat mir abgeraten alle reinzupacken. :breitgrins:



    Ob sie wohl zufällig Kekse beim verfassen gegessen hat? :gruebel:


    Auch das Zitat schickte ich an meinen Freund. Als Kommentar kam nur: .... mmmmmmh ... Butterkekse. (Altes Krümelmonster, der!)

    Einmal editiert, zuletzt von Tolpan ()

  • Oh, wie bestürzend! Ich hab schon einiges von Jenny-Mai Nuyen gelesen und fand ihren Schreibstil immer sehr ansprechend, aber das hätte ich ihr auch nicht durchgehen lassen.


    Da hat sie wohl ein bisschen zu innovativ sein wollen...

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Ich habe bisher ein Buch von Jenny-Mai Nuyen gelesen und um ehrlich zu sein erinnere ich mich nicht mehr wirklich daran, herausragend kann es also nicht gewesen sein. Ich denke aber das die Autorin sehr fantasiereich ist, WENN sie sich jetzt noch etwas zurückgehalten hätte mit ihrer Sprache dann hätte ich das Buch vermutlich deutlich ansprechender gefunden.


    So werde ich von ihren Büchern jetzt erstmal Abstand nehmen wenn sie nicht mit einer absoluten Knalleridee um die Ecke kommt. ;)