Lutz Seiler ~ Kruso

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  • Lutz Seiler ~ Kruso


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    Erscheinungsjahr: 2014
    Verlag: Suhrkamp
    Seiten: 484 (gebunden)


    Ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis 2014



    Worum geht es
    Als das Unglück geschieht, flieht Edgar Bendler aus seinem Leben. Er wird Abwäscher auf Hiddensee, jener legendenumwogten Insel, die, wie es heißt, schon außerhalb der Zeit und »jenseits der Nachrichten« liegt. Im Abwasch des Klausners, einer Kneipe hoch über dem Meer, lernt Ed Alexander Krusowitsch kennen – Kruso. Eine schwierige, zärtliche Freundschaft beginnt. Von Kruso, dem Meister und Inselpaten, wird Ed eingeweiht in die Rituale der Saisonarbeiter und die Gesetze ihrer Nächte, in denen Ed seine sexuelle Initiation erlebt. Geheimer Motor dieser Gemeinschaft ist Krusos Utopie, die verspricht, jeden Schiffbrüchigen des Landes (und des Lebens) in drei Nächten zu den »Wurzeln der Freiheit« zu führen. Doch der Herbst 89 erschüttert die Insel. Am Ende steht ein Kampf auf Leben und Tod – und ein Versprechen. Inselabenteuer und Geschichte einer außergewöhnlichen Freundschaft: Lutz Seilers erster, lang erwarteter Roman schlägt einen Bogen vom Sommer 89 bis in die Gegenwart. Die einzigartige Recherche, die diesem Buch zugrunde liegt, folgt den Spuren jener Menschen, die bei ihrer Flucht über die Ostsee verschollen sind, und führt uns dabei bis nach Kopenhagen, in die Katakomben der dänischen Staatspolizei. (Quelle: Amazon)



    Dieser Roman hat mich zum einen aufgrund des Themas, zum anderen aufgrund des Settings Hiddensee gereizt, war ich doch gerade erst letzten Herbst auf der wunderschönen Insel. So konnte ich mir die beschriebene Umgebung nicht nur gut vorstellen, sondern hatte auch konkrete Orte im Kopf.


    Ich muss aber zugeben, dass ich mit Kruso überhaupt nicht warm geworden bin. Auffallend ist hier, wie schon oft gelobt, die sehr poetische und blumige Sprache. Und meiner Meinung nach ist das genau der Knackpunkt: es ist Poesie, kein Roman. Letztendlich ist es in meinen Augen aber auch Schaumschlägerei, die über die lähmende Langeweile und Humorlosigkeit des Romans nicht hinwegtäuschen kann.


    Eine Verbindung zu den Personen, vor allem zum Erzähler, aufzubauen, fiel mir sehr schwer. Daher habe ich das Buch nicht zu Ende gelesen. Vielleicht wage ich es irgendwann noch einmal. Obwohl... eher nicht.


    Hat es jemand von euch schon gelesen? Findet ihr die Auszeichnung mit dem Deutschen Buchpreis gerechtfertigt?


  • Hat es jemand von euch schon gelesen? Findet ihr die Auszeichnung mit dem Deutschen Buchpreis gerechtfertigt?


    Ich bin gleich damit durch, evtl. schon heute abend oder morgen. Meine Meinung schreibe ich dann, ich bin ähnlich wie du überhaupt nicht begeistert davon und frage mich, nach welchen Kriterien diese Preise manchmal vergeben werden...
    Zuendelesen werde ich es aber auf jeden Fall, schonmal wegen Hiddensee.

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Einen Tipp noch, Kaliyo: Auch wenn Dir das Buch nicht gefallen hat und Du abgebrochen hast, würde ich Dir doch sehr empfehlen den Epilog zu lesen (die letzen 40 Seiten oder so). Das lohnt sich in jedem Fall!

  • Ich habe bei dem Buch auch nur die Hälfte oder so geschafft (es war ein Bibliotheksbuch). Ich bin überhaupt nicht warm geworden mit der Geschichte und dem Protagonisten. Da ging es mir wie dir. Ich musste mich tatsächlich zwingen, das Buch in die Hand zu nehmen. Mich hat die Handlung einfach kalt gelassen und es war für mich irrelevant, was passiert.


  • Einen Tipp noch, Kaliyo: Auch wenn Dir das Buch nicht gefallen hat und Du abgebrochen hast, würde ich Dir doch sehr empfehlen den Epilog zu lesen (die letzen 40 Seiten oder so). Das lohnt sich in jedem Fall!


    Wenn du das sagst. :zwinker: Viel schlimmer kann es ja nicht kommen.
    Im Ernst: Ich nehme mir deinen Rat zu Herzen.

  • Hier kommt endlich meine Meinung zu Kruso (hat nun doch etwas länger gedauert, das niederzuschreiben).


    Inhalt:


    Edgar Bendler entflieht nach einer persönlichen Katastrophe aus seinem bisherigen Leben als Student der Germanistik nach Hiddensee, wo er als Abwäscher in der Küche des Lokals "Klausner" arbeitet. Dort lernt er Alexander Krusowitsch, genannt Kruso kennen, der auf der Insel eine besondere Rolle spielt und bald Edgars Freund wird. Doch die Ereignisse des Sommers und Herbstes 1989 erreichen allmählich auch die abgeschiedene Inselwelt.

    Meine Meinung:


    Ich habe das Buch mit Spannung zu lesen begonnen. Obwohl ich zuvor schon unterschiedliche Meinungen darüber gehört hatte, habe ich versucht, unvoreingenommen heranzugehen. Zum Hintergrund möchte ich noch sagen, dass ich den Handlungsort Hiddensee sehr gut kenne bzw. kannte, denn bis Mitte der 80er Jahre habe ich in meiner Kindheit und Jugend so gut wie in jedem Sommer dort Urlaub gemacht. Einmal, als Schülerin, habe ich sogar in den Sommerferien drei Wochen im Urlauberdorf an der Heiderose gearbeitet. Also war ich sehr neugierig auf das, was Lutz Seiler (der nur wenig älter ist als ich) zu den Erlebnissen einer Saisonarbeitskraft auf der Insel schreibt.


    Die ersten rund 150 Seiten fand ich auch gut lesbar. Edgars Anreise nach Hiddensee, sein Herumirren und das Einarbeiten im Klausner waren interessant. Es war spannend, bekannte Örtlichkeiten und Gegebenheiten mit Edgar zusammen aufzusuchen. Allerdings sind die Beschreibungen nicht so, dass ich alles lebendig vor meinem inneren Auge sehen konnte, trotz Ortskenntnis.


    Dann jedoch, nachdem Freitag seinen Robinson getroffen hat, begann eine große Flaute, und lange konnte ich nicht erkennen, wohin das Buch eigentlich steuert, welche Entwicklung die Personen durchmachen, was das Thema ist. Die Freundschaft der beiden Männer wurde für mich nicht spürbar. Auch sonst hatte ich große Schwierigkeiten mit dem Buch. Lutz Seilers poetischer Stil liegt mir offenbar nicht. Zu lange gab es endlose Wiederholungen, kreiste alles um immer dieselben Themen - die Arbeit, die Unterbringung illegaler Gäste. Meine Vermutung, es würde auf Fluchthilfe herauslaufen, hat sich nicht bewahrheitet. Auch hatte ich hier wenig Wiedererkennungswert von Hiddenseer Gegebenheiten.


    Und der Stil: einige Stellen waren schon sehr gut, starke Bilder, originelle Vergleiche. Zum Beispiel Krusos Rede über die Täuschungen der Warenwelt (S. 359, und noch einges andere, was ich mir nicht markiert habe). Aber meistens hatte ich große Schwierigkeiten, zu verstehen, was der Autor sagen will. Ich hatte beim Lesen immer wieder das Gefühl, den Faden zu verlieren. Ich las und fragte mich plötzlich, was die Personen da eigentlich machen und wie sie darauf gekommen sind, und ob ich das alles richtig verstanden habe oder zwischendurch vielleicht etwas verpasst habe... Kein schönes Lesegefühl. Klar und deutlich ist hier kaum etwas, alles wirkt irgendwie wirr. Zu vieles wird zwischen den Zeilen nur angedeutet.


    Auch scheint mir das Buch, gerade was DDR-Erinnerungen betrifft, sehr deutlich aus heutiger Perspektive geschrieben. Manches hätte man damals anders ausgedrückt. Ich verstehe viele Andeutungen, vermute aber, dass jüngere Leute oder Menschen, die im Westen aufgewachsen sind, hiervon noch weniger verstehen. Zum Beispiel auf S. 330 unten die Bemerkung "Ochs und Esel!" Ich verstehe das (glaube ich zumindest). Konntet ihr es auch zuordnen?


    Insgesamt ist vieles unlogisch, und es wird zuviel Spannung künstlich erzeugt. Es beginnt schon am Anfang mit den höchst seltsamen Erlebnissen auf der Zugfahrt. Dann fragt der kundige Leser sich, warum Ed eine Nacht in Stralsund im Hotel übernachtet, obwohl er nachts um halb vier von Berlin losgefahren ist (das tat man i.d.R., um morgens in Stralsund zu sein und gleich die erste oder zweite Fähre zu erreichen). Man liest mehr als 100 Seiten, bis endlich mal klar gesagt wird, was eigentlich mit seiner Freundin geschehen ist, über die zuvor alle paar Seiten irgendwelche Andeutungen kamen. Viel zu langsam und bruchstückhaft erfahren wir die Geschichte von Kruso und seiner Schwester. Dann dieser Fuchs: bei Eds erster Begegnung mit ihm hat man das Gefühl, dass mit dem Fuchs etwas nicht stimmt. Was es ist, begreift man bei der zweiten Begegnung. Aber gesagt, was es ist, wird erst beim vierten oder fünften Treffen. Und warum haben die Frauen, die Ed nahekommen, keinen Namen, sondern werden mit Anfangsbuchstaben abgekürzt, während irgendwelche Kindheitsfreunde mit Vor- und Familiennamen genannt werden?


    Der Epilog mit Edgars Reise nach Kopenhagen, den Tomke so empfiehlt, ist zwar schon etwas besser als der Rest des Buches, existiert für mich aber völlig vom Buch losgelöst und hat mit dem sonstigen Inhalt kaum etwas zu tun. Obwohl hier relativ viele konkrete Fakten genannt werden, bleibt für mich dennoch zu vieles unverständlicherweise im Dunkeln. Was genau Ed bewog, diese Reise anzutreten, diese Menschen zu befragen, genau diese Fakten niederzuschreiben, und die (konzeptlose) Untersuchung genau in jenem Moment abzubrechen, habe ich nicht verstanden. Vieles erscheint auch hier beliebig. Zum Beispiel diese Episode mit der Friseuse und den abgeschnittenen Haaren: warum wird ausgerechnet das erzählt, woraus erklärt sich die Bedeutung, die das Erlebnis für Ed hat, oder as soll es beim Leser bewirken?


    Für mich hat es den Anschein, als sei der Autor einfach nicht in der Lage, klar und verständlich zu formulieren. Außerdem gefällt mir das Menschenbild nicht, das der Autor hier zeichnet, und die Atmosphäre, die er erzeugt. Es gibt wenig Lebensfreude, wenig Optimismus, Humor. Dazu die fast völlige Ignoranz gegenüber den politischen Entwicklungen (das Buch spielt im Sommer 1989 und nicht in irgendeinem!). Ich jedenfalls habe gerade auf Hiddensee ganz andere, wesentlich positivere und aktivere Menschen erlebt. (Natürlich war auch der ein oder andere "Ed" darunter.)


    Fazit: Für meine Begriffe ist Kruso kein gutes Buch. Zu viel leeres Geschwätz, keine Spannung und keine interessante Entwicklung beim Protagonisten. Warum das ein Preisträgerbuch ist, erklärt sich mir nicht. Vielleicht denke ich für so einen Schreibstil einfach zu nüchtern.


    2ratten

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    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.