Oliver Sacks ~ Das innere Auge: Neue Fallgeschichten
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Originaltitel: The Mind's Eye
Erscheinungsjahr: 2011
Verlag: Rowohlt
Seiten: 288 (gebunden)
Klappentext:
«Ich wuchs in einem Haushalt voller Ärzte und medizinischer Gespräche auf – mein Vater und meine älteren Brüder waren Allgemeinärzte und meine Mutter Chirurgin. Viele Unterhaltungen bei Tisch drehten sich zwangsläufig um medizinische Themen, es ging aber nie nur um ‹Fälle›. Ein Patient mochte als Beispiel für diese oder jene Erkrankung erwähnt werden, doch in den Gesprächen meiner Eltern wurden Fälle immer zu Biographien, Geschichten über das Leben von Menschen, die auf Krankheit oder Verletzung, Stress oder Unglück reagierten. So war es vielleicht unvermeidlich, dass auch ich Arzt und Geschichtenerzähler wurde. (…) Als ich mit der Veröffentlichung von Fallgeschichten begann, 1970 zunächst mit Migräne, erhielt ich Briefe von Menschen, die ihre persönlichen Erfahrungen mit neurologischen Erkrankungen verstehen oder kommentieren wollten. Diese Korrespondenz ist in gewisser Weise eine Erweiterung meiner Praxis geworden. Daher sind einige der Menschen, die ich in diesem Buch beschreibe, Patienten; andere haben mir geschrieben, nachdem sie eine meiner Fallgeschichten gelesen haben. Ihnen allen bin ich dafür dankbar, dass sie bereit waren, ihre Erfahrungen mitzuteilen, denn sie erweitern die Grenzen unserer Vorstellung, und es wird sichtbar, was sich oft hinter Gesundheit verbirgt: die komplexen Funktionen und die erstaunliche Fähigkeit des Gehirns, sich angesichts neurologischer Probleme, die wir anderen uns kaum vorstellen können, an Beeinträchtigungen anzupassen und sie zu überwinden – ganz zu schweigen von dem Mut und der Stärke, den inneren Kraftquellen, die die Betroffenen mobilisieren können.»
Der Autor:
Oliver Sacks, geboren 1933 in London, praktiziert als Neurologe und ist der Autor von zehn Büchern, darunter «Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte» und «Awakenings, Zeit des Erwachens». Er lebt in New York City und ist Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Columbia University. Mehr Infos auf seiner Homepage.
Meine Meinung:
Völlig spontan und ohne Erwartungen habe ich dieses Buch erstanden, weil mich medizinische Themen interessieren und mir der Name Oliver Sacks schon einmal über den Weg gelaufen ist.
In diesem Buch schildert Sacks wieder neurologische Fälle aus seiner Berufspraxis - einerseits handelt es sich um seine Patienten, andererseits um Informationen aus Zuschriften von Betroffenen. Zum Beispiel lernen wir eine Pianistin kennen, die plötzlich die Fähigkeit verliert, Noten zu lesen und Gegenstände zu erkennen, und einen Schriftsteller, der nach einem Schlaganfall seine Lesefähigkeit, nicht jedoch sein Schreibvermögen verliert. Außerdem erzählt Sacks selbst von seiner "Gesichtsblindheit", die es ihm unmöglich macht, Gesichter selbst ihm wohlvertrauter Personen wiederzuerkennen, und schließlich schildert er im Kapitel "Augenträgheit: Ein Tagebuch" seine Melanomerkrankung, die seine Sehfähigkeit stark einschränkt.
Dabei schildert Sacks diese Fälle zwar mit einer Menge medizinischer Sachkenntnis, was für einen Laien von Zeit zu Zeit anstrengend ist, aber er betrachtet seine Patienten dabei immer sehr respekt- und fast liebevoll als ganze Persönlichkeit. Interessant fand ich die Vielzahl an Sehstörungen, die ihre Ursachen meist im Hirn und nicht im Auge selbst haben, und wie die Betroffenen mit ihrer Erkrankung umgehen, Kompensationseigenschaften entwickeln oder auch ihre Vorteile in bestimmten neurologischen Ausfällen sehen. Leider gibt es in den meisten Fällen keine Heilung.
Als unangenehm empfand ich diese Unmengen an Fußnoten, die sich oftmals über eine halbe Seite erstrecken (trotz kleiner Schriftart), die oftmals wieder andere, gerade zum Thema passende Fallbeispiele beschreiben, oder Literaturhinweise auf Veröffentlichungen von Forschern - oder von Sacks' eigenen Büchern - beinhalten. Das stört den Lesefluss sehr stark. Manche Schilderungen fand ich persönlich auch zu zäh und langatmig, so dass ich zum Ende hin einige Seiten quergelesen und überblättert habe. Hier und da hätte eine Straffung dem Buch gut getan.
Mit einem sehr schönen und treffenden Schlusssatz beendet Sacks seine Ausführungen:
ZitatWenn es tatsächlich einen grundlegenden Unterschied zwischen Erfahrung und Beschreibung, zwischen direktem und vermitteltem Weltwissen gibt, wie kommt es dann, dass die Sprache so wirkungsmächtig ist? Sprache, diese zutiefst menschliche Erfindung, kann ermöglichen, was im Grunde nicht möglich sein sollte. Sie kann uns alle, auch die blind Geborenen, in die Lage versetzen, mit den Augen eines anderen zu sehen.