Ebba D. Drolshagen - Immer noch kein Land in Sicht. Tollkühne Helden auf See

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 2.108 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Doris.

  • Ebba D. Drolshagen
    Immer noch kein Land in Sicht. Tollkühne Helden auf See
    (2014)


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Klappentext
    Ebba D. Drolshagen hat die verrücktesten Seeabenteuer des 20. Jahrhunderts zusammengetragen. Ihr außergewöhnliches Logbuch berichtet von wilden Kerlen, die in einem Stahl-Ei den Atlantik überqueren, im Jeep über die Weltmeere schwimmen und ohne Proviant über den Ozean rudern. Die sich im heimischen Wohnzimmer aus Sperrholz ihr Boot zimmern, an Deck mit Haien kämpfen und zum Entspannen kopfüber am Mast baumeln. Humorvoll und äußerst liebenswert erzählt, ist der Band nicht nur für Seebären ein Genuss.



    Man kann sich beim Lesen entspannt zurücklehnen, denn die beschriebenen Abenteuer gingen alle glimpflich aus, wenn auch mit mehr oder weniger Blessuren an Mensch und Fahrzeug.


    Den Anfang macht der Norweger Ole Brude, der sich im Jahr 1906 nach einem Schiffsunglück Gedanken über die Tauglichkeit der herkömmlichen hölzernen Rettungsboote machte. Das Ergebnis war ein geschlossenes, eiförmiges Stahlboot, 5,5 m lang und mittig 2,5 m Durchmesser. Den Härtetest machte er quer über den Atlantik und war mit drei Begleitern drei Monate unterwegs. Anfangs wurde er noch belächelt, aber inzwischen gibt es geschlossene Rettungsboote, die genau wie Brudes Ei aussehen.


    Tristan Jones hatte 1969 die Idee, den Rekord für die höchste und tiefste Segelpartie über und unter der Meereshöhe aufzustellen. Seine Ziele waren der Titicacasee und das Tote Meer. Die größten Schwierigkeiten bestanden darin, sein Segelboot an die entsprechenden Gewässer zu bringen. Beim Titicacasee war dafür ein Marsch durch den Dschungel und ins Gebirge nötig, was per LKW, zum Teil aber auch mit Hilfe von Eseln und reiner menschlicher Muskelkraft bewältigt wurde. Das Segeln selbst war dann nicht mehr so dramatisch.


    Mit einem Amphibienfahrzeug umrundete Ben Carlin ab Juli 1950 die Welt. Dabei überquerte er unter anderem den Atlantik und den Pazifik.


    Auch gerudert wurde. Bereits 1896 stellten die Norweger George Harbo und Frank Samuelsen in einem Dory, dem traditionellen offenen Fischerboot der amerikanischen Ostküste einen Rekord auf, der noch heute besteht. Sie ruderten in 55 Tagen zu den Scilly-Inseln im Südwesten Englands. An nautischer Ausrüstung hatten sie Kompass, Sextant, eine Karte, zwei Uhren und ein astronomisches Jahrbuch dabei. Das ist nicht wirklich viel. Als sie in einem schweren Sturm kenterten und beide Uhren kaputt gingen, gelang ihnen trotzdem eine zielgenaue Landung auf der winzigen Scilly-Insel.

  • Das hört sich wirklich spannend an. Abgefahrene Ideen gibt's!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Abgefahrene Ideen gibt's!


    Die werden noch viel abgefahrener! Bald setzt die Rekordjagd nach den kleinsten Booten ein, aber vorher kommt noch William Willis. Er fuhr 1954 alleine im Alter von 61 Jahren auf einem Floß aus sieben Balsaholzstämmen. Dabei legte er 12.400 Kilometer zurück, das waren 4.400 mehr als seinerzeit Thor Heyerdahl und dessen fünf Kameraden auf ihrem Floß. Willis ist der Mann, über den im Klappentext geschrieben wurde, der kopfüber am Mast hing. Er hatte unbehandelte Leistenbrüche und sorgte durch dieses "Abhängen" dafür, dass sich seine Eingeweide wieder an die richtige Stelle zurückzogen.


    Und dann also die Kleinboote. Einer der ersten war Robert Manry, der 1965 bei einer Atlantiküberquerung mit der 4,11 m langen Tinkerbelle den Rekord des kleinsten Segelbootes aufstellte, ohne sich dessen bewusst zu sein. Ohne es zu wollen oder zu forcieren, wurde er damit zum Medienstar. Später schrieb er ein Buch über seine Reise.


    Dann versuchten Tom McNally und Hugo Vihlen ein paar Mal, sich den neuesten Rekord gegenseitig abzujagen. Vihlen begann mit der 1,80 m langen April Fool, die, um überhaupt nennenswert voranzukommen, mit einem 3-PS-Motor ausgestattet war und ihn in drei Monaten über den Atlantik brachte. Dann kam McNally mit einem kleineren Boot, dann wieder Vihlen... Letzterer müsste derzeit den aktuellen Rekord mit einem 1,67 m langen Boot innehaben. Dafür hält McNally den Geschwindigkeitsrekord mit einem 1,19 m langen Boot, mit dem er von Las Palmas nach Tanger fuhr.


    Man muss sich das vorstellen: In Vihlens Fall eine Innenkabine von 150 auf 80 cm, an der höchsten Stelle 70 cm, bei extremen Temperaturen. Oft tropft Kondenswasser von der Decke, bei Sturm kann man kaum für Frischluft sorgen, ohne dass Wasser eindringt. Darin ist alles verstaut, dort wird gekocht, geschlafen und navigiert, während das Boot munter allen Wellen ausgesetzt ist.


    Robin Knox-Johnston, auch ein Segler, verglich einen solchen Törn mit einem Häftling im Gefängnis, wobei der Segler noch weniger Platz zur Verfügung hat, keinen Hofgang bekommt, sämtlichen Witterungseinflüssen hautnah ausgesetzt ist und harte Arbeit leisten muss. Und das alles ohne die Garantie, lebend davonzukommen.

  • Jetzt geht es vorerst in die Luft. Vier Segler - Vater und Sohn sowie ein Ehepaar - wollten den Atlantik mit einem Ballon überqueren, was 1958 undenkbar war. Sie haben es in Drolshagens Buch geschafft, weil ihr Passagierkorb ein Boot von 4,50 m Länge war, für den Fall, dass der Ballon notlanden musste. Nach zwei Jahren Planung konnte es endlich losgehen. Da nur einer der Fahrgäste halbwegs Kenntnisse über das Ballonfahren besaß, wurde der Start ziemlich turbulent mit zu schnellem Steigen und Sinken. Deswegen wurde überstürzt unter anderem Proviant als Ballast abgeworfen. Nach 94,5 Stunden und etwa der Hälfte der Distanz musste der Ballon in einem heftigen Gewitter notwassern, somit kam das Boot zum Einsatz. Die andere Hälfte der Route nahm 24 Tage in Anspruch, ziemlich lange für vier Personen in einem winzigen Boot, davon einer mit gebrochenem Fuß, und zu wenig Proviant. Aber sie schafften es. Keiner fuhr jemals wieder in einem Ballon.


    Und dann wird es richtig spannend. Kleine Boote sind an sich schon eine Herausforderung. Die Steigerung ist, wenn man ohne Verpflegung fährt. Das versuchte 1952 Alain Bombard. Er wollte beweisen, dass es unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, nämlich mit Regenwasser, einem geringen Anteil Meereswasser und Fischen. Obwohl ihn eine längere Trockenheit und eine vierwöchige Flaute heimsuchten, kam er mit seinem Schlauchboot in der Karibik mit immer noch versiegelten Notrationen an. In den 65 Tagen seiner Fahrt hatte er 25 kg abgenommen.


    Doch es gab viele, die an seiner Leistung zweifelten, darunter Dr. Hannes Lindemann. Er wollte Bombards Reise nachvollziehen, und das gleich zweimal. Bei der ersten Fahrt wäre er mit der Meerwasser-Variante wahrscheinlich verdurstet, hatte aber Glück mit dem Regen. Beim zweiten Versuch hatte er genügend Flüssigkeit dabei - Kondensmilch, Bier und Rotwein. Von seinem Proviant warf er schon frühzeitig einen Großteil über Bord, weil sein Boot, ein 5,20 m langes Faltboot, zu tief im Wasser lag. Danach ernährte er sich von allerlei Meeresgetier, erlitt aber furchtbare physiche und mentale Strapazen, die er durch Meditation in den Griff bekam. Über den Ablauf der Reise schrieb er ein spannendes Buch.

  • Das klingt ja alles ziemlich masochistisch :breitgrins: Aber spannend.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Für unsereins klingt das wirklich masochistisch, aber die Extremsportler würden das bestimmt anders bezeichnen.


    In dem Fall, den ich jetzt schildere, war es eher tragisch. 1966/67 segelte Francis Chichester als Erster mit nur einem Stop rund um die Welt. Das war noch nie dagewesen und versetzte selbst die Fachwelt in Erstaunen. Natürlich gab es einige, die es ihm nachtun wollten, und als die Sunday Times einen entsprechenden Wettbewerb ausrief, bekamen sie ihre Gelegenheit. Für das "Golden Globe Race" - einmal rund um den Globus ohne Zwischenstop - meldeten sich neun Segler, darunter einige Namen, die auch heute noch ein Begriff sind (jedenfalls den Segelfreunden :zwinker:).


    Die angesprochene Tragödie spielte sich um Donald Crowhurst, Vater von vier Kindern, ab. Er hatte keine Erfahrung, kein Boot und schon gar kein Kapital, fand aber einen Sponsor und verpflichtete sich, alles aus eigener Tasche zurückzuzahlen, falls er nicht siegen sollte. Von Beginn an gab es nur Schwierigkeiten, vor allem Zeitprobleme. Das Resultat war ein desolates Boot, das außerstande war, die gesamte Regatta zu bewältigen. In seiner Verzweiflung beschloss er, sich im südlichen Atlantik vor der brasilianischen Küste zu "verstecken", was damals ohne GPS noch möglich war, und sich zu gegebener Zeit unter die Heimkehrer zu mischen, die tatsächlich um die Welt gesegelt waren. Zu diesem Zweck legte er ein fingiertes Logbuch an und gab falsche Positionsangaben durch. Er hätte auch auf den Azoren landen und glaubhaft behaupten können, sein Boot wäre nicht mehr segelbar gewesen. Doch wenn schon nicht als Sieger, so wollte er wenigstens überhaupt wieder in England ankommen. In diesen fünf oder sechs Monaten steigerte er sich immer mehr in einen Wahn hinein. Irgendwann wurde sein Trimaran 1800 Meilen vor England treibend aufgefunden. Von Crowhurst keine Spur. Der letzte Eintrag in seinem Logbuch lautete: "Es ist zu Ende. Es ist zu Ende. Es ist die Gnade." Ob er einem Unfall zum Opfer fiel oder letztlich Selbstmord beging, weiß niemand. Seine Logbucheinträge lassen den Rückschluss zu, dass er in den letzten acht Tagen immer mehr der Realität entglitt.


    Von den neun Gestarteten kamen nur zwei unbeschadet ins Ziel. Es gibt von den anderen Seglern in diesem Rennen auch noch Interessantes zu berichten, aber das würde jetzt zu weit führen.


    Das soll es mal von diesem Buch gewesen sein. Ich habe nicht von allen tollkühnen Helden berichtet, wer es also selbst lesen möchte, findet noch genug Unbekanntes. Rezi folgt in den nächsten Tagen.

  • Das ist ja echt bitter!


    Crowhurst ist mir sogar schon mal untergekommen, wie mir gerade aufgeht, und zwar in einem Roman - "Die ungeheuerliche Einsamkeit des Maxwell Sim" von Jonathan Coe. Der Protagonist war total fasziniert von Crowhursts Geschichte, und ich meine, es hätte sogar ganze Kapitel gegeben, die sich der Sache widmeten.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Oh, das wusste ich noch nicht. Das muss ich mir mal ansehen. Es gibt aber noch andere, die sich damit beschäftigten.


    Ein ganzes Buch über Crowhursts Schicksal und das Golden Globe Race: "The Last Strange Voyage of Donald Crowhurst" von Nicholas Tomalin. Das steht schon weit oben auf meiner Wunschliste.
    Und dann auch eine DVD namens "Deep Water", die ich ebenfalls noch nicht habe, weil mir jemand erzählte, dass der Ländercode nicht bei deutschen Geräten funktioniert.


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links

    Kaufen* bei

    Amazon
    * Werbe/Affiliate-Link

  • Nach all den Geschichten noch ein Wort zum Buch an sich. Es dürfte auch für Leser spannend sein, die nicht explizit über Bootsreisen lesen möchten, denn Ebba D. Drolshagen schreibt nicht nur über die Fahrt, sondern klärt auch über die vielfältigen Gründe auf, die die Abenteurer angetrieben haben, sich gerade auf ihren jeweiligen Törn zu begeben. Nicht immer war es nur die Lust, auf dem Wasser zu sein, sondern die Jagd nach Rekorden, die Suche nach den eigenen Grenzen oder schlicht eine irrwitzige Idee, die nicht mehr aus dem Kopf ging. Sie erzählt humorvoll, manchmal sogar ein bisschen zu locker, hin und wieder mit einem Hauch von Ironie. Die Kapitel haben die richtige Länge, um alles Wesentliche zu berichten und dabei kurzweilig zu bleiben. Fachausdrücke bleiben fast gänzlich außen vor, beste Eignung also für Landratten.


    Wer sich anhand der Beschreibungen die einzelnen Wasserfahrzeuge nicht vorstellen kann, freut sich über einige Fotos. Und hat man das letzte Kapitel fertig gelesen, ist es noch längst nicht vorbei. Am Ende finden sich noch allerlei Tipps zum Nachlesen und Anklicken.


    Eine Empfehlung für alle Freunde von Abenteurern, Meeren und Schiffen und als Strandlektüre bei einer leichten Brise bestens geeignet.


    5ratten


  • Und dann auch eine DVD namens "Deep Water", die ich ebenfalls noch nicht habe, weil mir jemand erzählte, dass der Ländercode nicht bei deutschen Geräten funktioniert.


    Das halte ich für ein Gerücht. Region 2 funktioniert auf deutschen Playern.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen