Sue Monk Kidd - Die Erfindung der Flügel

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    Inhalt
    Die elfjährige Sarah, wohlbehütete Tochter reicher Gutsbesitzer, erhält in Charleston ein ungewöhnliches Geburtstagsgeschenk – die zehnjährige Hetty »Handful«, die ihr als Dienstmädchen zur Seite stehen soll. Dass Sarah dem schwarzen Mädchen allerdings das Lesen beibringt, hatten ihre Eltern nicht erwartet. Und dass sowohl Sarah als auch Hetty sich befreien wollen aus den Zwängen ihrer Zeit, natürlich auch nicht. Doch Sarah ahnt: Auf sie wartet eine besondere Aufgabe im Leben. Obwohl sie eine Frau ist. Handful ihrerseits sehnt sich nach einem Stück Freiheit. Denn sie weiß aus den märchenhaften Geschichten ihrer Mutter: Einst haben alle Menschen Flügel gehabt …


    Meine Meinung
    Sarah Grimké (1792-1873) kämpfte gemeinsam mit ihrer Schwester gegen die Versklavung der Schwarzen und gegen die Unterdrückung der Frauen. "Die Erfindung der Flügel" erzählt ihre Geschichte und die der Sklavin Handful, die Sarah zu ihrem elften Geburtstag als Geschenk erhielt. Sie weigerte sich zuerst, das Geschenk anzunehmen, wird aber dazu gezwungen. Sarah brachte Handful das Lesen und Schreiben bei, zwischen den Mädchen entwickelte sich eine Art Freundschaft, die allerdings dadurch getrübt wurde, dass "Sarah immer diejenige ist, die in den Nachttopf scheisst, und Handful, diejenige, die ihn leeren muss."
    Sarah versuchte für ihre Sklavin einzutreten, stiess aber immer wieder auf Grenzen, weil sie eine Frau war. Ihr Traum vom Studieren wurde von ihrem Vater und ihren Brüdern verspottet, so das Sarah nach einem anderen Sinn in ihrem Leben suchte. Den fand sie zuerst bei den Quäkern, einer Religionsgemeinschaft, die die Sklaverei verurteilte, später setzte sie sich für die Schwarzen und die Frauen ein.
    Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Sarah und ihrer Sklavin Handful erzählt. Das Leben der Sklaven war hart, Sarahs Mutter war streng, brutal und ungerecht mit den Sklaven, liess sie Auspeitschen oder unmenschliche Qualen erleiden. Ständig drohte das Arbeitshaus, in dem Sklaven willkürlich gefoltert wurden.
    "Die Erfindung der Flügel" gibt einen Einblick in das Leben der Sklaven, sie schufteten bis zum Tod, ohne Hoffnung, ohne irgendeine Aussicht auf Besserung. Wurden sie schwanger, waren auch ihre Kinder zu diesem unfreien Leben verurteilt. Das Buch zeigt aber auch die andere Seite, die Seite der Farmer, die nicht unbedingt einverstanden waren mit der Sklaverei, aber zu geizig und geldgierig waren, um freiwillig zu verzichten, andere, wie die kleine Missus, die unbarmherzig von diesen Menschen profitierten, und sich dabei einredeten, ihre Sklaven hätten es gut, die jedes Gelächter der Sklaven nutzten, um ihr Gewissen zu beruhigen.


    "Die Erfindung der Flügel" erzählt über das reale, harte und ungerechte Leben. Es ist selbstverständlich keine leichte Unterhaltung, kein Wohlfühlbuch, in dem das reiche Mädchen dem armen Sklaven kurz mal das Lesen beibringt und alle sind für immer glücklich. Sue Monk Kidd hat ein grossartiges und wichtiges Buch geschrieben, das ich jedem nur empfehlen möchte.


    5ratten

  • Danke für die Rezi, das klingt nach einer interessanten Lektüre!


    Allerdings:



    Das Buch zeigt aber auch die andere Seite, die Seite der Farmer, die nicht unbedingt einverstanden waren mit der Sklaverei, aber zu geizig und geldgierig waren, um freiwillig zu verzichten, andere, wie die kleine Missus, die unbarmherzig von diesen Menschen profitierten, und sich dabei einredeten, ihre Sklaven hätten es gut, die jedes Gelächter der Sklaven nutzten, um ihr Gewissen zu beruhigen.


    ist dieses Verhalten so verständlich, dass es heute auch noch an zahlreichen Stellen vorkommt. Also eigentlich immer.
    Heute mittag habe ich in eine "Planet Wissen"-Sendung gezappt, in der es ums Stalking ging. Ein ehemaliges Stalkingopfer war Studiogast - ich habe die ganze Geschichte nicht mitbekommen; - und dieses Stalkingopfer wurde offenbar nach einem Vorfall von einem völlig Fremden, den sie 3 min kannte, für mehrere Tage in seine Wohnung mitgenommen (damit der Stalker sie nicht findet).


    Wer macht so etwas heute?
    Wer traut sich das, wer hat keine Angst, dass das angebliche Opfer nachts die Einbrecherbande holt oder sich mit selbst mit wertvollen Gegenständen oder Daten davon schleicht.


    Es ist doch das alte Lied: Man könnte so viel tun, wenn es nicht gegen übliche Vorstellungen, die eigene Bequemlichkeit oder die eigenen Ängste sprechen würde.
    Früher konnte man sich nicht vorstellen, ohne Sklaven zu leben, heute hat man aber immer noch reichlich Tabus, die noch nicht mal gegen die eigene Bequemlichkeit sprechen (Anfreunden mit Flüchtlingen oder nur Menschen einer "niedrigeren Schicht" wäre ein Beispiel).
    Aber wer gibt Menschen, die es nötig haben, Obdach im eigenen Haus, wer gibt das, was er übrig hat, direkt weiter, wer kommt ohne Billigarbeitskräfte aus?
    Der letzte Punkt ist mMn ein großes Problem, da gerade die Billigarbeitskräfte auf Dienstleistungen weiterer Billigarbeitskräfte angewiesen sind (wer im Discounter arbeitet, kann meist auch nur dort kaufen).
    Man könnte natürlich auf alles Mögliche verzichten und faire Produkte kaufen. Aber den damit einhergehenden Verzicht, der einen noch weiter von Besserverdienern entfernen würde (weil man auf Freizeitvergnügen, ggf. Auto etc.) verzichten muss) steht dem entgegen.


    Wer tatsächlich in einer Welt aufwuchs, in der man sich als bessergestellte Frau nicht selbst anziehen und frisieren muss/ kann (?) und für alles Sklaven hat, kann sich vermutlich tatsächlich nur in Ausnahmefällen ein Leben ohne Sklaven und auch noch mit Gleichberechtigung vorstellen - zumal, wenn man als Frau selbst schon eine Art "Untermensch" ist.


    LG
    von Keshia

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

  • zum Zitat
    (Ja - wieder mal ein Beispiel dafür, dass es der Status Quo ist, der von den meisten Menschen als "normal" (im wörtlichen Sinne..) empfunden wird - und dass es immer nur eine Minderheit von Leuten ist, die sich ihre eigenen Gedanken über Moral und Wahrheit macht. Das ändert sich anscheinend nie.)
    ________________


    Wie erwähnt sind ja Sarah (und ihre Schwester Nina) Grimké historische Figuren - man sollte im Buch nicht die Anmerkungen hinten verpassen, in denen die Autorin erklärt, was in ihrem Buch historisch und was fiktiv ist.
    Die Schrift einer der beiden Schwestern war wohl auch der Anstoß für Harrier Beecher-Stowes "Onkel Toms Hütte"..


    Ein wichtiges, gut lesbares Buch mit stimmig dargestellten Charakteren. Die Darstellung erscheint glaubhaft - es wird dabei weder zusätzlich "auf die Tränendrüse gedrückt" noch irgendetwas verharmlost.


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Das Buch ist wirklich wunderschön und bleibt sicher eines meiner liebsten Bücher!
    Es vermittelt eine bunte Palette an Gefühlen und die geplante Verfilmung würde ich mir unbedingt ansehen wollen.


    Die einzelnen Charaktere haben solch individuelle Züge, dass sie problemlos zum Leben erwachen und bis auf Nina, die als nahezu perfekter Mensch dargestellt wird, wirken alle so authentisch und echt wie ich es selten erlebt habe.
    Besonders schön ist, dass nicht nur die zwei Schwestern die Hauptrolle spielen, sondern auch Hetty, ihre Mutter und die anderen so viel Raum bekommt – es hätte zu schnell eine Darstellung der mutigen Heldentaten „weißer Frauen“ werden können, ohne den unfassbaren Mut, den eisernen Willen und die Stärke der versklavten Menschen zu würdigen.


    Die Stimmung in dem Buch wird durch im Grunde nebensächliche Begebenheiten passend verstärkt. Dabei sind es so simple Sätze, die mich innehalten haben lassen. Zum Beispiel „Draußen rüttelte der Wind an der Birke. Ihr Rauschen und ihr Geruch drangen durch das offene Fenster.“ (S. 445), nachdem es zu einer hitzigen Diskussion gekommen war.


    Ich muss zugeben, dass ich erst durch das Nachwort erfahren habe, dass der Großteil auf wahren Begebenheiten beruht und die Grimké-Schwestern tatsächlich so berühmt-berüchtigt waren.


    [...] es wird dabei weder zusätzlich "auf die Tränendrüse gedrückt" noch irgendetwas verharmlost.


    Das kann man gar nicht genug hervorheben. Für diese Balance war ich wirklich dankbar!


    5ratten

    Es geschah kurz nach Anbruch des neuen Jahres, zu einem Zeitpunkt,

    als die violetten und gelben Blüten der Mimosenbäume rings um die Ambulanz

    aufgesprungen waren und ganz Missing in Vanilleduft gehüllt war.


    Abraham Verghese – Rückkehr nach Missing