Laurie Penny - Fleischmarkt

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  • Laurie Penny - Fleischmarkt


    Untertitel: Weibliche Körper im Kapitalismus
    Verlag: Edition Nautilus
    Erstausgabe (D): 2012
    Seiten: 128
    Originaltitel: Meat Market. Female Flesh under Capitalism
    Originalausgabe: 2011


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    Klappentext:


    »Man erwartet von uns, dass wir selbstbewusst auftreten und sexuell allzeit verfügbar wirken, aber wir sollen uns schämen und werden geächtet, wenn wir Arroganz, Ehrgeiz oder erotisches Verlangen zeigen.« Laurie Penny, angry young woman und Star der englischen Bloggerszene, legt den Finger auf die Wunde. Der Spätkapitalismus brandmarkt den Körper von Frauen im Wortsinne er brennt sein Markenzeichen ein. Fleischmarkt versucht, einige der Strategien aufzuzeigen, mit denen Frauenkörper entmachtet und kontrolliert werden. In Kapiteln zu Sexualität, Prostitution, Essstörungen, Konsum und Hausarbeit etwa werden Faktoren dargestellt, die für den Handel mit dem weiblichen Fleisch als sexuelles und soziales Kapital von Bedeutung sind. Laurie Penny kennt die Theorien ihrer Vorkämpferinnen, aber sie berichtet von der Front der heutigen Verwerfungslinien und Grabenkämpfe: Riot, don t diet! Fleischmarkt ist ein Stück feministischer Dialektik, das den Körper der Frau als sexuellen Stützpunkt des kapitalistischen Kannibalismus offenlegt.


    Meine Meinung:


    "Feminismus besteht darauf, dass vorgeschriebene Geschlechterrollen eine Tyrannei darstellen und dass niemand, egal ob trans, cis, männlich, weiblich oder intersexuell gezwungen sein sollte, ihnen zu entsprechen, um seine oder ihre Identität, Daseinsberechtigung oder menschlichen Wert zu beweisen."


    Noch immer werden Feministinnen in der öffentlichen Wahrnehmung angefeindet und entsexualisiert. Feminismus ist Bedrohung - insbesondere für die Weiblichkeit. Doch ist es wirklich so? Woher kommt diese Angst, dass Frauen zu einem neuen Selbstbewusstsein gelangten? Woher diese Angst, dass Frauen auch mal Nein sagen, sie zu größerem Selbstvertrauen finden könnten?


    Laurie Pennys Buch "Fleischmarkt" ist manchmal ein sehr persönliches Buch, denn die Autorin erzählt von ihrer Zeit als Burlesquetänzerin und der erfolgreichen Bewältigung ihrer Essstörung. Andererseits ist es aber auch ein Buch, das sich an alle Menschen richtet, die der Ansicht sind, ein menschlicher Körper sollte nicht als Kapital angesehen werden.


    Um den Körper als Kapital geht es in "Fleischmarkt" auch. Frauen, die schön sein müssen in einer Welt, in der junge Mädchen an Essstörungen leiden, um bei Germanys Next Topmodel auftreten zu dürfen. Eine Welt, in der unterwürfige Weiblichkeit mehr geschätzt wird als selbstbewusste Frauen, die dann allzu schnell als "Mannweib" gelten. In einer Welt, in der Frauen nicht nur wegen bestimmter Geschlechtsmerkmale als Frau gelten sollten.


    Laurie Penny geht nicht nur auf die verschiedenen Arten der Marginalisierung des weiblichen Körpers ein, sondern lässt auch die Themen Sexarbeit und Transsexualität nicht aus. Sie scheut auch nicht vor Kritik an verschiedenen Strömungen des Feminismus und benennt auch hier die Probleme und unnötigen Grabenkämpfe. Beispielsweise die Ansicht, Frauen erhielten nur dann Anerkennung als vollständig, selbstbestimmte, menschliche Wesen, wenn sie einer Arbeit mit gleichem Lohn und gleichen Chancen nachgingen.


    "Frauen sind Menschen, egal, ob sie bezahlt oder unbezahlt sind, ob sie als Geschäftsführerin Vollzeit arbeiten oder als Mutter, ob wir uns selbst finanzieren, von Familienmitgliedern unterstützt werden oder staatliche hilfe bekommen - alle Frauen sind Menschen, so wie alle Menschen Menschen sind."


    Die Kritik am "zeitgenössischen Pseudo-Feminismus" hält an. Alles drehe sich um die Kraft des Ja (ja zu Konsum, Organsmen, untergeordnete Arbeiten, Schokolade usw.). Doch was ist mit dem Nein? Könnte unsere Gesellschaft es ertragen, wenn wir Nein sagten? Nein zum Körperkult zum Beispiel? Was, wenn wir uns weigern, schön und brav zu sein? Nein sagen zur Entmachtung und Kontrolle unserer Körper durch Kapitalismus.


    Laurie Penny ist eine britische Journalistin, Autorin, Bloggerin und Feministin. Sie schreibt für The Independent, The Guardian, The Times und den New Statesman. Mit "Fleischmarkt" wurde sie bekannt und das zu recht. Das Buch öffnet die Augen all' denen, die bereit sind eine neue Sicht auf den Feminismus zu wagen. Ein starker Feminismus. Einer, der den Blick öffnet auf die Zusammenhänge zwischen Kapitalismus und sexueller Unterdrückung.


    Ein wichtiges Buch.


    5ratten & :tipp:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • In Fleischmarkt analysiert Laurie Penny den weiblichen Körper und die Frau im Kapitalismus. Grundthese ist, dass Kapitalismus, Gesellschaft und ein Großteil der Männer Angst vor starken Frauen haben und daher versuchen, Frauen durch bestimmte Mechanismen zu kontrollieren. Ich schreibe deswegen “Großteil der Männer”, da Penny sehr treffend erklärt, dass auch viele Männer unter dem gesellschaftlichen Optimierungswahn und dem Kapitalismus leiden.
    Dreh- und Angelpunkt ist immer der weibliche Körper, sei es in der Werbung, in Erwartungshaltungen oder der Überzeugung, dass Frauen nur mit Einsatz ihres Körpers und ihrer weiblichen Reize beruflichen Erfolg haben können. In vier Kapiteln widmet sich Penny also der Sexualisierung der Frau durch Kapitalismus und Gesellschaft schon im Mädchenalter, der Form der Kontrolle durch Essen, deren letztliche Folge Essstörungen sind, der Verdinglichung des weiblichen Körpers, sowie schließlich der Verbindung von Frauen und Haushalt.


    Besonders im Kopf geblieben ist mir das zweite Kapitel, in dem Penny sich dem Phänomen der Essstörungen widmet. Ihrer Meinung nach ist „Dünnsein zu propagieren…eine ideale Methode, um starke Frauen zu kontrollieren, die an der Schwelle zur Selbstbefreiung stehen“ (S. 54). Sie erklärt, wie sich Magersucht auf die Persönlichkeit und das Alltagsleben von Betroffenen auswirkt, schöpft dabei aus ihrer eigenen Erfahrung als Magersüchtige, und untermauert so ihr Argument. Magersucht schränke einen derartig ein, dass man in der Konsequenz an nichts anderes mehr denken kann als an (nicht-) essen. Am Ende des Kapitels fordert sie, dass die Gesellschaft „den Hunger der Frauen anerkennen“ muss, und zwar in jeder Beziehung, nicht nur auf das Essen bezogen.
    Doch auch wenn Penny aus ihrer Erfahrung mit dieser Krankheit bestimmte Punkte gut abstrahiert, mit einer Textpassage habe ich dennoch meine Probleme: „Ich war keine besondere und zerbrechliche Prinzessin. Ich war ein dummes, selbstmordgefährdetes Kind und habe meiner Familie fast das Herz gebrochen.“ (S. 57) Dieser Abschnitt vermittelt das Gefühl, man könne sich für oder gegen eine Essstörung entscheiden – was aber definitiv nicht der Fall ist. Ebenso wenig, wie man sich für Krebs entscheidet, hat meine eine Wahl pro oder contra Essstörung. Davon ab ist ihr persönliches Zeugnis ein eindringliches Beispiel dafür, wie stark der Einfluss der Gesellschaft auf dieses Krankheitsbild sein kann. Das Phänomen der Essstörungen allein auf eine sexistische Gesellschaft zu schieben ist zu kurz gedacht, aber die gesellschaftlichen Aspekte dürfen auch nicht vor persönlichen Aspekten oder Prädispositionen zurückstehen.


    Im weiteren Verlauf des Buches kritisiert Penny zudem die bigeschlechtlichte Normierung, die auch bei Feministinnen weit vertreten sei, und damit alle Geschlechter dazwischen auslasse. Dass auch diese sexuellen Identitäten unter den einengenden Vorstellungen und Erwartungen einer kapitalistischen Gesellschaft leiden, führt sie u.a. im dritten Kapitel aus. Trotz allem liegt der Schwerpunkt des Buches auf dem weiblichen Körper.
    Die Sexualiesierung von jungen Mädchen Penny ebenso kritisch auseinander wie die Verbindung von Haushalt, Körper und Scham: „Frauen…fühlen sich schuldig für den Zustand ihrer Wohnungen und Häuser, ebenso wie wir uns schuldig für den Zustand unserer Körper fühlen. Wir schämen uns, wenn der Eindruck entsteht, wir hätten irgendwie die Kontrolle verloren und wären des Frauseins, wie es gesellschaftlich interpretiert wird, nicht würdig.” (S. 94)


    Dieses 126 Seiten dünne Buch ist für jede/n geeignet, der/die sich für den Zusammenhang von Sexismus, Kapitalismus und Feminismus interessiert. Vor allem auch Eltern von Töchtern lege ich dieses Buch ans Herz, weil es die offensichtlichen und versteckten Mechanismen der Gesellschaft aufdeckt, die trotz allem Strebens nach Gleichberechtigung nach wie vor vorherrschen, und Frauen schon vom Kindesalter an in bestimmte Schubalden stecken und in bestimmte Bahnen lenken wollen.


    4ratten

  • Ich folge Laurie Penny bereits auf verschiedenen Plattformen und bin von ihr sehr begeistert. "Fleischmarkt" habe ich seltsamerweise tatsächlich bisher nicht gelesen. Das ändert sich gerade. Mir hilft es tatsächlich vor allem selbst mal auszuformulieren, was mir persönlich wichtig ist, was sich ändern muss und auch zu verstehen und was das eigentlich mit dem Kapitalismus zu tun hat. Dabei fiel mir selbst auch auf, das mir dieser Zusammenhang gar nicht so klar war, obwohl die Argumente von Penny dann doch sehr einleuchtend sind.