Mal eine ganz blöde Frage: Proust ist doch schon lange tot. Und ich dachte dass das Werk dann gemeinfrei wird. Warum aber gibt es die Suche dann nicht kostenlos im Netz? Oder versteh ich das Wort gemeinfrei nur falsch?
Katrin
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Mal eine ganz blöde Frage: Proust ist doch schon lange tot. Und ich dachte dass das Werk dann gemeinfrei wird. Warum aber gibt es die Suche dann nicht kostenlos im Netz? Oder versteh ich das Wort gemeinfrei nur falsch?
Katrin
Die französische Ausgabe findest du kostenlos. Die deutschen Übersetzungen sind noch keine 70 Jahre alt.
Gruß, Thomas
Danke. Das wusste ich nicht. Ich kann leider kein Französisch.
Aber die Bib hat alle Bände.
Die französische Ausgabe findest du kostenlos. Die deutschen Übersetzungen sind noch keine 70 Jahre alt.
Hallo Klassikfreund
Nicht, dass sich welche da jetzt umsonst Hoffnung machen. Das Urheberrecht (egal ob in Deutschland, Österreich oder der Schweiz) schützt ein eigenständiges Werk (und eine Übersetzung gilt als solches) noch 70 Jahre p. m. a. - post mortem auctoris. Das heisst bei einer Übersetzung, dass nicht nur der Original-Autor sondern auch sein Übersetzer seit 70 Jahren oder mehr die Radieschen von unten bekucken müssen, bevor Jaqui so ein Werk für lau kriegt.
Grüsse
sandhofer
Echt? Das heißt alle neuen Übersetzungen von Proust sind wieder 70 Jahre geschützt? Das wusste ich nun wirklich nicht.
Vielleicht wäre Proust ein geeignetes Weihnachtsprojekt für mich?
Ich hab jetzt schon 3x die ersten 100 Seiten von "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" gelesen, aber nie die Ruhe und Zeit gehabt, um weiter zu lesen. Die Lektüre war einmal mit Anmerkungen, zweimal ohne. Der Gedanke an eine vierte Lektüre ist überhaupt kein störender, ich freu mich richtig darauf, will Madleines backen und Lindenblütentee kochen.
"Zeit und Ruhe" nicht zu haben, ist für mich als Leserin nicht bei allen Werken derartig schlimm. Ich kann vieles nebenbei lesen, ohne es als Verlust in der Leseerfahrung zu empfinden, quetsche ein paar Seiten in der Straßenbahn, vorm Einschlafen, nach dem Aufwachen in meinen Alltag - nach den 100 Seiten habe ich jedoch das Gefühl, dass ich für Proust etwas anderes will, bzw. für meine Proustlektüre etwas anderes will, ein etwas, das mich nicht permanent aus der Stimmung reißt, einen Tagesablauf, der es zulässt, Stunden am Stück zu lesen.
So will ich zumindest eine erste Lektüre zelebrieren, ich denke, dass weitere mit Anmerkungen folgen werden.
Momentan allerdings kämpft Proust mit Joyce um meine Aufmerksamkeit für ein Intensivprojekt, wobei ich mich für "Ulysses" als Leserin viel weniger gewappnet fühle.
Echt? Das heißt alle neuen Übersetzungen von Proust sind wieder 70 Jahre geschützt?
Sie sind geschützt bis zum Tod des Übersetzers und dann weitere 70 Jahre darüber hinaus, ja. Wenn, wie im Fall Proust (glaube ich - ich habe die Recherche auf Französisch gelesen), mehrere Übersetzer da sind, wo einer die Übersetzung des andern überarbeitet hat, gilt dementsprechend: Bis zum Tod aller Übersetzer und dann noch weitere 70 Jahre über den Tod des jeweils letztverstorbenen.
[hr]
Vielleicht wäre Proust ein geeignetes Weihnachtsprojekt für mich?
Das weiss ich natürlich nicht. Wenn Du die ganze Recherche meinst, und nicht nur den ersten Band (Du côté de chez Swann), reicht eine Weihnacht wohl nicht. Selbst ich, der ich relativ rasch lese, habe ein Vierteljahr daran gelesen.
Grüsse
sandhofer
Hier noch mal ein schöner Artikel aus Literaturkritik:
http://www.literaturkritik.de/…z_id=18653&ausgabe=201312
Gruß, Thomas
Hier noch eine wohlwollende Rezension zur Neuübersetzung bei Reclam:
http://www.deutschlandfunk.de/…ml?dram:article_id=278482
Gruß, Thomas
Der Deutschlandfunk bespricht sehr ausführlich den zweiten Band der Neuübersetzung. Wie schon beim ersten Band ist man nicht so ganz glücklich mit Fischers Übersetzungsleistung:
http://www.deutschlandfunk.de/…ml?dram:article_id=296768
Gruß, Thomas
Band 4 ist inzwischen neu übersetzt und wird recht positiv im Deutschlandradio Kultur besprochen:
http://www.deutschlandradiokul…ml?dram:article_id=322068
Zitat:
Ein Beispiel für ungezählte: "La lune était maintenant dans le ciel comme un quartier d'orange pelé délicatement quoique un peu entamé", heißt es im Original, bei Keller/Laemmel: "Der Mond stand jetzt am Himmel wie ein Orangenschnitz, der behutsam abgeschält, aber dabei doch etwas verletzt worden war" und bei Fischer: "Der Mond stand inzwischen am Himmel wie eine sorgfältig geschälte, aber etwas abgebissene Spelte einer Orange." Fragen über Fragen tun sich auf: Kann man Orangen "abschälen"? Ist das Orangenstück wirklich "verletzt"? Oder "abgebissen"? Oder nicht eher "angebissen" oder "eingeritzt"? Und was ist eine "Spelte", ein Wort, das der Duden gar nicht kennt? Ein Druckfehler vielleicht? War "Spalte" gemeint?
Kann hier mal jemand mit besseren Französisch-Kenntnissen den Original-Satz recht wörtlich übersetzen? Bin auch überrascht, dass es das Wort "Spelte" nicht gibt, ich dachte immer, dass sei ein ein Stückchen von der Orange oder Mandarine. Wurde bei mir in der Familie auch verwendet (kann mich aber auch täuschen). Welcher Satz ist denn jetzt besser gelungen? Vom Lesen finde ich Fischer verständlicher.
Gruß, Thomas
Zitat:
[...] Und was ist eine "Spelte", ein Wort, das der Duden gar nicht kennt? Ein Druckfehler vielleicht? War "Spalte" gemeint?
Ich hoffe, Rainer Moritz vom Deutschlandfunk hat diese Frage nicht im Ernst gestellt. Sonst müsste ihm mal jemand beibringen, dass es so etwas wie das Grimm'sche Wörterbuch gibt. Dass es das sogar on-line gibt. Und dass das ein für Literaturwissenschafter unverzichtbares und allgemein bekanntes Arbeitsinstrument ist. Und dass, was für Literaturwissenschafter gilt, auch für Literaturkritiker gilt...
Edith hat einen Tippfehler korrigiert.
Ei, ei, ei, dass dem hochangesehenen Moritz dieser Faux-Pas unterläuft ...
Danke für die schnelle Aufklärung, dafür liebe ich dieses Forum! Was wären wir hier ohne Dich.
Gruß, Thomas
Habe beim "literarischen Mittagessen" mit meinem Kollegen über den oben zitierten Satz von Proust diskutiert. Im Deutschen würde man eine Orange mit der Sonne und nicht dem Mond assoziieren. Auch solche unscharfen Konturen sind beim Mond doch eher ungewöhnlich. Mein Kollege (gelernter Germanist) ist zum Schluss gekommen, dass Proust vermutlich zu viel Rotwein beim Verfassen des Satzes getrunken hatte. Eine Überlegung, die man nicht von gleich von der Hand weisen sollte, wie ich finde.
Gruß, Thomas
Im Deutschen würde man eine Orange mit der Sonne und nicht dem Mond assoziieren. Auch solche unscharfen Konturen sind beim Mond doch eher ungewöhnlich. Mein Kollege (gelernter Germanist) ist zum Schluss gekommen, dass Proust vermutlich zu viel Rotwein beim Verfassen des Satzes getrunken hatte.
Wenn, dann der Übersetzer. Im Französischen ist der Mond weiblich. Zusammen mit der "Spelte" (obwohl das Französische "quartier" einfach "Viertel" heisst, also Proust wohl einen Viertelmond gesehen hat - den ich übrigens auch schon in Orange gesehen habe, ohne was zu trinken), gibt das durchaus interessante Assoziationen. Obwohl ... Proust war schwul...
Ich habe noch mal länger über die obige Übersetzung nachgedacht und auch ein wenig in frz. Wörterbüchern recherchiert. Die Wortkombination "etwas abgebissen" (im Sinne von ein wenig abgebissen) ist schon sehr merkwürdig. M.E. müsste es dann "angebissen" (wie von einer Maus) heißen. Bei "abgebissen" funktioniert diese Zusammensetzung nicht. Dann gefällt mir die Verletzung, die beim Schälen entstanden ist als Bild wesentlich besser. Da ist die Orange dann ein klein wenig ausgefranst. "Etwas abgebissen" verstehe ich nicht und halte es für kein gutes Deutsch. Bei Fischer geht im Satz auch der Zusammenhang zwischen dem Schälen und der dann entstehenden ausgefransten Form verloren. Ich denke schon, dass es im Original wie bei Keller übersetzt gemeint ist.
Interessant wäre auch wieso Fischer "maintenant" mit "inzwischen" anstatt mit "jetzt" übersetzt. Ist das nicht sehr frei interpretiert?
Am Ende schlägt sich Moritz dann wohl doch auf die Seite der traditionellen Übersetzung. Da passt es ganz gut ins Bild, dass man "Spelte" eben nicht mehr bei Grimm nachschlägt.
Gruß, Thomas
In der neuen Reclam-Übersetzung ist gerade der 6. Band erschienen, den Proust selber nicht vollenden konnte und es somit Diskussionen über die Anordnung der Textteile gibt. Reclam fügt nun eine weitere Lösung hinzu:
http://www.deutschlandradiokul…ml?dram:article_id=358160
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Schöne Grüße, Thomas
[...]der 6. Band [...], den Proust selber nicht vollenden konnte
Bedeutet das demnach, "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" ist ein Fragment? Ich bin immer von der (vermutlich falschen) Darstellung ausgegangen, Proust habe die "Recherche" noch gerade beenden können und sei kurze Zeit darauf gestorben.
Vielleicht wäre Proust ein geeignetes Weihnachtsprojekt für mich?
Ich habe mir den Proust für die Herbst- und Winterzeit vorgenommen. Mal schauen, obs was wird. :smile:
Bedeutet das demnach, "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" ist ein Fragment?
Ja.
Wieder was gelernt, danke.