Giuseppe Tomasi di Lampedusa - Der Gattopardo (Leopard)

Es gibt 53 Antworten in diesem Thema, welches 11.732 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Nymphetamine.

  • Hallo Leserunde! :winken:
    Ihr habt doch nichts dagegen, dass ich mich euch noch anschließe? Ich habe das Buch gestern aus der Bib geholt, leider auf schwedisch und in der alten Fassung mit nur einem sehr kurzen Vorwort und wenigen Erklärungen versehen.


    Das 1. Kapitel habe ich fast durch. Mein erster Eindruck ist positiv: ein schöner, gut lesbarer Stil, der es mir ermöglichte, in das Buch trotz fehlendem Hintergrundwissen (Sizilianische Geschichte - hatten die so was auch? :zwinker: ) gut hereinzukommen.
    Ein - nehme ich an - wichtiges Thema wird schon bei dem Gespräch zwischen Fabrizio und dessen Neffen angesprochen. Tancredi sagt (ungefähr, ich übersetze aus dem Schwedischen): "Wenn alles beim Alten bleiben soll, müssen wir alles ändern." Ich reagierte auf den Satz anfangs ebenso verwundert wie der Prinz, aber auf den folgenden Seiten wird es ja etwas genauer beleuchtet.
    Einige unterhaltsame Stellen habe ich auch schon gefunden: Bei dem Gespräch über die anstehende Beichte (aber erst am Samstag! :breitgrins: ) fuhr mir ein Lächeln übers Gesicht. Allerdings frage ich mich, ob da nicht auch mehr hintersteckt, ob dort vielleicht auch Kirchenkritik zu finden ist. Ich denke da an Vater Pirrones Ausspruch: "Solange Ihr Eure Sünden nicht bereut und mir zeigt, dass Ihr das tut (...)". Ist es wirklich in Ordnung, wenn die Sünden erst vergeben werden, wenn der Kirchenvertreter von der Reue des Sünders überzeugt ist? Vielleicht ist (oder war) das ja einfach katholische Lehre und Lampedusa beschreibt nur etwas Selbstverständliches, aber ich sehe darin zumindest auch das Potential zu Kritik an der katholischen Kirche.


    Zitat von "Nymphetamine"

    Zumindest hatte ich den Eindruck das Fabrizio trotz aller Eskapaden doch sehr an seiner Frau hängt, und sie auch liebt.

    Naja, "auf seine Art" vielleicht. Das macht ihn mir aber nicht sympathischer. Er hat sein Leben schön eingerichtet, bekommt bzw. nimmt sich, was er will, und die anderen haben sich ihm anzupassen. Stell' dir aber mal seine Reaktion vor, wenn jemand anderes (z. B. seine Frau mit einem jüngeren Mann) das (also tun, was er/sie will) auch machen würde... Nein, nein, von dieser Art von Liebe halte ich nicht viel.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Saltanah
    Wie du schon richtig bemerkt hast: "Auf seine Art" ob man diese Art nun mag oder nicht bleibt natürlich dahingestellt. In heutigen Zeiten sagt's der Mann wenigstens nicht, oder besser gesagt, versucht es so lange wie möglich vor seiner Frau geheim zu halten das er zu seinem "Nüttchen" geht. Und gebeichtet wird auch nicht danach. Oder an Samstagen und gesetzlichen Feiertagen. Ach ja, und hätte es die Frau gemacht so hätte er ihr verziehen. Da bin ich mir ganz sicher, zumindest nach der lektüre von Teil 3.


    Man kann jene Geschehnisse von damals nicht mit heutigen gleichsetzen. Zb. die spätere Szene in der der Pater an Statten des Töchterchens die sich anbahnende Ehe ,mit dem feschen Jüngling, mit Fabrizio besprechen soll weil Scham und Zier sie davon abhalten. Um es plump zu sagen, dieses Buch hat einen herrlich überspitzt spießigen Charme. Zwar das Strenge Standes-Korsett einer südamerikanischen Fernseh- Telenovela (Das recht zu Lieben) aber weit von der bonbonfarbenen Optik einer Vom Winde Verweht Schnulze entfernt. Aber all dies ist nur Beiwerk. Hauptcharakter ist und bleibt don Zione der, finde ich, eine recht interessante Wandlung durchgemacht hat. Ein Mann der so ein strenges Regiment in seinem eigenen Haus fährt und auch sonst immer streng auf die Etikette bedacht ist (vor dem Essen warten alle stehend auf den Hausherren). Jemand der auch als Fürst von Salina in der Öffentlichkeit für Prinzipien, Strenge und Zielstrebigkeit bekannt ist wirft auf einmal alles über den Haufen. Entscheidender Moment, glaube ich, war das bewusste nachsinnen über Bestechung und Korruption als legitimes Mittel zum Erhalt und der Mehrung von Macht. Äusserlich mag zwar alles noch seinen gewohnten Gang nehmen, aber in seinem Innersten hat er sich schon mit dem König abgefunden und ist Vollendes auf Umbruch und Offensive eingestellt. Sein Schlüssel dazu ist natürlich Tancredi.
    di Lampedusa beweist auch bis zum Ende von Teil 3 wieder leisen Humor (wenn nicht schon gar Situationskomik) und Sinn für schöne Bilder. Nur den kleinen Schnitzer auf Seite 106 kann ich ihm nicht ganz verzeihen. Was hat ein Überschallflug um 1860 zu suchen? Mir ist schon klar das der Autor in einer modernen Sinnbildlichkeit geschrieben hat aber es stört etwas die schöne Optik. (am Anfang wollte ich Tomasi die Korrektheit abstreiten aber der erste Überschallflug fand am 14.10.1947 statt Der Stoff aus dem die Helden sind) :breitgrins:


    Ca
    NtM

  • Hi, das mit dem Übersschallflug hat mich fast vom Sofa geworfen :breitgrins::rollen:


    Überhaupt denke ich manchmal, so eine schöne bildhafte Sprache (wie er z.B. den Regierungswechsel beschreibt, mit dem Regen und der Sonne zu Beginn des III Teils), und dann die plumpen, modernen Gedankengänge. Ihh, das beißt sich.


    Ich denke, so richtig warm werden mit diesem Buch, kann man erst bei der Zweitlektüre, denn ich weiß immer noch nicht worauf Lampedusa hinaus möchte.

  • Hallo


    Ich weis zwar auch noch immer nicht ganz was er mit dem Buch bezweckt aber ich hab schon so ne Vorstellung. Vor allem in Anbetracht dessen, das dass Buch eigentlich nur Momentaufnahmen beinhaltet und sich somit , bruchstückhaft, nicht nur der Wandel von Land und Politik sondern auch von den Menschen nachvollziehen lässt. Nicht nur der Adel sondern , andeutungsweise (das Gespräch mit dem Organisten), auch der einfache Mensch von der Straße, die einfachen Bevölkerung, ist in jener Zeit starken Umbrüchen unterworfen. Und Opfer wird es nicht nur auf der Seite der Bauern geben...


    Ca
    NtM

  • @Nymphetamine:
    Natürlich sind die Zeiten heute andere, was aber nichts daran ändert, dass der Prinz seine Frau durch sein (normales?) Verhalten verletzt. Du machst mich mit deiner Aussage, er hätte im gegenteiligen Fall seiner Frau verziehen, sehr gespannt auf den 3. Teil. Bisher kann ich das nicht nachvollziehen.


    2. Teil:
    Eine großartige Landschaftsbeschreibung zu Anfang. Dieses ausgedörrte, ausgeblichene Land und darüber die unerbittliche Sonne - wow! (Die versöhnt mich auch etwas mit der hier (Schweden) noch monatelang anhaltenden Kälte. Lieber frieren als das.)


    Die Aufständischen sind gelandet und haben die königliche Armee besiegt, die Bilder des Herrschers sind ausgewechselt, die Jesuiten vertrieben, aber sonst hat sich noch nichts geändert. Es sei denn, man sieht die bisher unbekannte Freundlichkeit des Prinzen als etwas grundlegend Neues. Ich deute sie vorerst als kleine Schwäche seinerseits, der er bestimmt schnell wieder entwächst.


    Tancredi:
    Ach je, ein echter Held :rollen: ! Läuft auch Wochen später noch mit dem mittlerweile überflüssigen Augenlappen rum. Na ja, er ist ja wirklich noch jung und ich versuche, nachsichtig ihm gegenüber zu sein, was er mir durch sein Verhalten aber nicht leicht macht. Typisch genug sein Verhalten beim Abendessen - Gehirn beim Anblick der schönen Angelica an der Garderobe abgegeben (der Prinz auch? da könnte ich mir einen beginnenden Konflikt vorstellen) - aber was ich ihm nicht verzeihen kann, ist der Diebstahl der Pfirsiche! Die erste, kleine aber vielversprechende Ernte der neuen Veredlungen, und er klaut sie einfach. Und zwar nicht nur einen oder zwei sondern alle! :grmpf: Spätestens hier hätte er sich ordentliche Probleme mit mir eingefangen.


    Werde gleich mal das 3. Kapitel lesen (und Ausschau nach den Überschallfliegern halten).

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Also ich bin jetzt auch bei Teil 3 angelangt. Abgesehen von den wirklich etwas nervenden Sternchen bei denen man irgendwie dann doch nachblättert finde ich das Buch ganz gut. Ich finde es gibt einen ganz guten Einblick in den damaligen Adel und auch in die Zeit allgemein in der es Spielt. Der Stil liest sich wirklich gut. Ein bissl verwirrend sind ab und an die vielen Namen aber solagne man sich noch die der Hauptfiguren merken kann :zwinker: Die Figuren an sich sind mir nicht wirklich sympatisch was ich aber nicht schlimm finde da die Geschichte mir trotzdem gefällt. Gerade weil es ein Thema behandelt mit dem ich mich bisher nicht wirklich befasst habe. Ich bin mal sehr gespannt wie es weiter geht.

  • Hallo!


    Ich habe - nachdem ich mein Parallelbuch beendet habe - nun das Buch wieder aufgegriffen und habe Kapitel II beendet. Ich muss feststellen, dass mir das Buch zunehmend besser gefällt. Sinn und Zweck hab ich noch nicht wirklich erfasst, ich denke aber, dass neben den Bestandsaufnahmen der damaligen politschen Situation auch der Verlust der Macht der Adelsgeschlechter ein Thema ist. In einigen Situation spürt Fabrizio, dass er nicht mehr DIE Macht, die Willkür und das Ansehen hat, wie er es von zeit her gewohnt ist.


    Bei seiner Ankunft in Donnafugata muss er hören, dass don Calogeros Vermögen beträchtlich zugenommen hat und schon bald so reich wie Fabrizio ist. Dann der Auftritt bei der Abendeinladung - don Calogeros im Gesellschaftsanzug - Fabrizio nur im Gehrock und dann zieht noch seine Tochter Angelica alle Aufmerksamkeit auf sich und Concetta fristet ein Mauerblümchendasein ....[/i]

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Ahoi


    Erinnerungen und nichts anderes sind die Fragmente die uns de Lampedusa in seinem Buch präsentiert. Und das ist etwas was man nie vergessen sollte. Verdutzt waren wir über einen Überschallflug mitten im feierlichsten Moment. Konstatiert über den Geburtsort Pater Pirrones´ den man heute bequem mit einem Bus erreichen kann , prunkvolle Räumlichkeiten die anno 1943 von einer Bombe in Schutt und Asche gelegt werden oder Das Liederbuch des Hauses Salinas das auf wundersame weise ,nach einem Luftangriff, zu Tage gefördert wird. Unter diesen Gesichtspunkt betrachtet fungiert nicht Fabrizio sondern Guiseppe als Erzähler und ,das darf ich ohne umschweife hinzufügen, als ein sehr guter noch dazu. Die anfängliche Spießigkeit in den ersten beiden Teilen wird recht schnell durch leise Ironie abgelöst und verleiht dem Südländer einen etwas beschwingteren Schreibstiel als seinem vielzitiertem deutschen Pendant Thomas Mann.


    In einem meiner letzten Beiträge schon erwähnt war Fabrizio voll und ganz auf den Umbruch eingestellt und hoffte mittels Tancredi an politischen Einfluss zu gewinnen. Überraschter war ich deshalb als er beschloss seinen Neffen ,politisch , fallen zu lassen und statt dessen Angelicas Vater den Vortritt zu geben. Jemanden den er nicht kontrollieren kann. Jemand der ihm nicht nur ebenbürtig ist, sondern ihn in einigen Jahren vielleicht sogar überholt haben wird.
    Aber das war eigentlich nicht das aufregendste.

    Zitat von "Kleine Bemerkungen zu Teil Fünf"

    Das aufregendste kam mit Teil Fünf. Denn hier, meine lieben Damen und Herren, zeigen sich die wahren Qualitäten eines Guiseppe Tomasi di Lampedusa. Er begeht einen radikalen Bruch und schickt sein kleines Mönchlein, Pater Pirrones, zu sich nach Hause in den kleinen Ort San Cono. Und was er dort erlebt ist mit einem Wort nur herrlich. Tomasi veranschaulicht den Zusammenschluss Siziliens nicht nur aus der Sicht der schönen und Reichen sondern lässt in einem ganzen Kapitel auch die niederen Schichten zu Wort kommen und nicht nur das. Er veranschaulicht mit solch einem Witz und einer Leichtigkeit das Unvermögen des Adels selbst einfachste Dinge zu handhaben. Aber ein Lob gebührt ihm vor allem wegen der Analogie die er zur Heirat Tancredis mit Angelica und der unverhofften Eheschließung ´Ncilinas und Sandinos herstellt.


    Zwar unscheinbar und kaum der Rede wert aber für mich ein kleines Juwel.
    War dicht davor das Kapitel gleich noch einmal zu lesen.


    Abgesehen von einem Schwülstigem Durchhänger in der Mitte fehlt dem Buch das entscheidende ETWAS. Es ist zu leicht und zu dünn. Nichts woran man sich festbeißen könnte. Wobei ja gerade das den Fragmentarischen Charme des ganzen unterstreicht und auch wieder auf seine Art der Atmosphäre zu gute kommt. Mahl sehn was sich noch ergibt, 37 Seiten hab ich ja noch.
    Ach ja habt ihr gewusst das Donnafugata heute hauptsächlich wegen der dort produzierten Spitzenweine bekannt ist??


    Ca
    NtM

  • Zitat von "Nymphetamine"

    Ach ja, und hätte es die Frau gemacht so hätte er ihr verziehen. Da bin ich mir ganz sicher, zumindest nach der lektüre von Teil 3.

    :confused: Gerade habe ich den 3. Teil gelesen, aber auch nicht den kleinsten Hinweis darauf gefunden, dass Fabrizio seiner Frau einen Seitensprung verziehen hätte. Im Gegenteil, er regt sich ja schon darüber auf, dass seine zukünftige Schwiegertochter (die zu dem Zeitpunkt noch gar nichts davon wusste) "frech kokettierte", also flirtete.
    Es ist natürlich denkbar, dass die Stelle, auf die du dich beziehst, eine der in der ersten Ausgabe weggekürzten Szenen ist. Bitte also um Erklärung.


    Ich habe von Tancredi einen anderen Eindruck als du, Nymphetamine. Du beschreibst einen viel aktiveren, zielgerichteteren Mann als ich wahrnehmen kann. In meinen Augen lässt er die Ereignisse geschehen, ohne auch nur zu versuchen, Einfluss auf sie zu nehmen. Dass Sedara reicher und einflussreicher wird - er konstatiert es, vielleicht ein bisschen traurig, unternimmt aber nichts dagegen. Dass die "Aufständischen" gewonnen haben - ja okay, es ist halt so, da war nichts zu ändern, und es gibt auch keinen Grund, dem vorigen Regime hinterherzutrauern. Es geschieht, was eben geschieht. Nur wenn in seinem Haus nicht alles nach seinem Sinn läuft, schreit er und haut mit der Fast auf - sein Knie :smile:


    Der Erzählstil gefällt mir immer besser; die leicht ironischen kleinen Bemerkungen, die immer wieder auftauchen sind ganz nach meinem Geschmack.


    Das Überschallflugzeug, Freud und Konsorten machen den Erzähler sichtbar. Der Blickwinkel ist eben doch nicht der von Don Fabrizio, wie ich anfangs annahm. Die Ereignisse werden im Nachhinein gedeutet, und ich glaube, dass dies durch die Erwähnung von Anakronismen deutlich gemacht werden soll. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ahoi


    Es tut mir leid wenn sich vielleicht irgendjemand falsche Vorstellungen gemacht hat was das Seitenspringen und andere Unzüchtigkeit betrifft. :redface: Aber die Vermutungen beziehen sich jetzt nicht auf ein Ereignis oder eine bestimmte Textpassage im Buch. Es bezieht sich auf den gesamten Teil Drei. Ein Beispiel:
    >>...und er freut sich über Tancredis Entscheidung, die in Zukunft dessen vergängliche fleischliche Befriedigung und dessen ewigen wirtschaftlichen Seelenfrieden sichern würde...<<
    Nicht nur mehr als einmal wird betont wie sehr er an Tancredi hängt, er liebt ihn sogar noch mehr als seine eigenen Söhne. Praktisch der Sohn den er nie gehabt hatte. Er freut sich wie ein Schneekönig über dessen Entscheidung weil sie die, für ihn (Salinas) ,beste Konstellation, hinsichtlich der ungewissen Zukunft birgt. Er braucht Tancredi nicht direkt den Geldkoffer in die Hand zu drücken sondern kann dies geschickt und elegant auf Umwegen, über die Sachwaltschaft don Calogeros bewerkstelligen. Gegen Ende von Teil Drei trifft er auch auf den Nämlichen und das Gespräch, vor dem er sich so sehr gesträubt hat, ist gelaufen wie am Schnürchen. (zumal die Mitgift alles überstieg was er sich, nicht nur im Namen Tancredis ,erhofft hatte) Die stille Einwilligung seiner Frau war da nur das Sahnehäubchen.
    In all diesen Zusammenhängen habe ich mich nun dazu hinreißen lassen zu behaupten das der alte Don durchaus gewillt währe einen Seitensprung seiner Frau zu verzeihen. In diesen Tagen war Zione in einer Hochstimmung wie schon lange nicht mehr so das er solch eine Begebenheit, zwar nicht wohlwollend, aber dennoch hingenommen hätte. Was sollte er auch anderes tun? Ich glaube kaum das er seine Hand gegen sie erhoben oder das er sie aus dem Haus geworfen hätte. Wohl kaum. Und man darf auch nicht vergessen das die Pardelkatze mit fortlaufender Handlung immer zahmer wird.
    Und hier kommen wir auch schon auf die Agilitätshuldigungen meinerseits zu sprechen. Jene beziehen sich nämlich auf den Fabrizio in den ersten beiden Teilen bzw. sogar noch davor. Wie creative schon richtig bemerkt hat. Wir sehen einen Don dessen Machtbereich immer mehr eingeengt und beschnitten wird. Das Buch dokumentiert, wie schon einmal geschrieben, den Anfang vom Ende. Natürlich wird er träge, gibt sich Phantastereien hin und findet sich am Ende sogar mit dem allgegenwärtigen Tod ab. Aber bis es so weit war, also bis zum Anfang von Lampedusas Erzählung, war er , nicht nur physisch, groß und mächtig. So ist es natürlich nicht verwunderlich das er über weite Strecken der Geschichte in die Rolle des Reaktionärs gedrängt wird.


    Und was die Knie-Schlägereien betrifft. :rollen:
    Hier hat sich wieder Lampedusas kleines Ironie -Teufelchen gemeldet. Und im übrigen war auch dies eine jener Szenen die meine Vermutungen stützten. einen zur Versöhnung und einen als Zeichen der Liebe
    Das mit dem Flirten ist ebenfalls einen Schmunzler wert, da der Don sich auf Seite 104 bei gaaanz andere Ansichten ertappt. :breitgrins:


    Mit lieben Grüßen
    NtM

  • Zitat von "Nymphetamine"

    Das mit dem Flirten ist ebenfalls einen Schmunzler wert, da der Don sich auf Seite 104 bei gaaanz andere Ansichten ertappt.


    Eben, eben. Was er macht oder machen will, ist natürlich "ganz was anderes". Was aber eine "seiner" Frauen, ob Gattin, Tochter oder Quasi-Schwiegertochter macht, steht auf einem anderen Blatt. Für diese gelten andere Regeln.


    "Das Buch beschreibt den Anfang vom Ende" schreibt Nymphetamine. Das sehe ich teilweise so, ebenso, dass er zu Anfang der Geschichte "nicht nur physisch groß und mächtig" ist. Ich hatte aber schon bei der ersten Schilderung des langsam verfallenden Gutes und der Beschreibung der Bilder anderer Besitzungen, die z. T schon vor längerer Zeit in andere Hände gefallen sind, den Eindruck, dass da schon etwas am Geschehen ist und die neue politische Situation diese Entwicklung unterstützt und beschleunigt. Auch ganz zu Anfang des Buches, als der Don im Vollbesitz seiner Kräfte steht, wirkt er auf mich nicht sehr aktiv. Er akzeptiert schweigend, dass er von seinen Untergebenen betrogen wird, sieht gelassen zu, wie sein Reichtum immer weiter schwindet, macht aber nichts dagegen. Das Potential dazu nätte er, nutzt es aber nicht.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ahoi


    Saltanah
    Ich habe nicht behauptet das für IHN, den Don, andere Rechte gelten als für seine Frau oder sonst wen. Die Ironische Anspielung meinerseits soll lediglich die Abstraktheit deines "Flirtens", auf der vorhergehenden Seite unterstreichen. Mit einem Wort:
    Es war von mir nur witzig und nicht böse gemeint. :rollen: Er regt sich in dem Bezug nur künstlich über das "Flirten" auf da er der Jungen Generation die Unbeschwertheit, bzw. die Unbeschwertheit vor einigen Generationen, neidet und insgeheim nachtrauert. Vielleicht habe ich mich auch einfach nur fallsch ausgedrückt. :redface:



    Darüber hinaus möchte ich nur eine kleine Warnung in die Runde werfen. Denn wer sich einen ´guten´ Eindruck des Buches bewahren will sollte Teil Acht NICHT lesen. Er ist zwar nicht schlecht, obwohl ich noch immer an der Zweckhaftigkeit zweifle, aber er hat schon etwas unbefriedigendes an sich.


    Zitat von "Kleine Bemerkungen zu Teil Acht"


    Es fehlt irgendwie der Abschluss. Der Zweck ist mir schon klar, zumindest dämmert er mir. Aber leider scheint die Umsetzung etwas missglückt zu sein. Tragisch ist die Verhasstheit bezüglich des alten, und längst begrabenen, don Fabrizios die bei Tancredi und Concetta an den Tag tritt. Und das Ende der Dynastie Salina mittels Beseitigung des armen Bendicós zu symbolisieren scheint mir auch nicht ganz schicklich. Oder??
    Da muss sich wohl jeder selbst seine Meinung bilden.
    Ein wirklich gutes und interessantes Buch aber leider mit einem recht unrühmlichen Ende. Schade.



    Mit besten Grüßen
    NtM

  • Zitat von "Nymphetamine"

    Ich habe nicht behauptet das für IHN, den Don, andere Rechte gelten als für seine Frau oder sonst wen.


    So habe ich es auch nicht aufgefasst. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass zu der damaligen Zeit "selbstverständlich" :rollen: andere Regeln für Männer und Frauen galten, und suchte nach Belegen, dass auch der Prinz diese Einstellung vertrat. Ich wollte nicht andeuten, dass du so denken würdest.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • :rollen: Ich verstehe im Moment nur "Bahnhof" :elch:


    Allerdings stecke ich noch im dritten Teil, und kann deshalb den Äußerungen von Nymphetamine nicht folgen.
    Was ich sehe, ist, dass die Stellung der Adligen sich verkehrt. Der Pardelkatze werden die Krallen gestutzt, aus Freiheit und Wildheit wird ein Schmusekätzchen. Don Fabrizio dreht sich geschickt im Wind. Vielleicht komme ich heute wieder mal zum Lesen, letzte Woche hatte ich leider weniger Zeit und Lust :winken:

  • Saltanah
    Sorry mein Fehler , alles vergeben und vergessen. :elch:
    Aber der Ansatz , den du verfolgst ,ist insofern recht interessant da ich kaum ´aktive´ Zeichen solch einer Machtbeanspruchung seitens Fabrizios feststellen konnte. Meist waren es die andern die ihn zu dem machten was er war. Oder auch ´nicht mehr´ war.


    Ca
    NtM

  • Hallo Zusammen!


    Von einem Seitensprung von der Frau des Dons habe ich nichts gelesen. Ich verstehe nicht, wie du Nymphetamine zu deiner Annahme gekommen bist?
    Allerdings habe ich sehr viele Bilder gefunden (Zitat von Saltanah)

    Zitat

    Eine großartige Landschaftsbeschreibung zu Anfang. Dieses ausgedörrte, ausgeblichene Land und darüber die unerbittliche Sonne - wow!

    Das war der Regierungswechsel :zwinker: , nur mal so nebenbei gesagt, und nicht wie Nymphetamine behauptet

    Zitat

    Zwar das Strenge Standes-Korsett einer südamerikanischen Fernseh- Telenovela (Das recht zu Lieben) aber weit von der bonbonfarbenen Optik einer Vom Winde Verweht Schnulze entfernt. Aber all dies ist nur Beiwerk.


    Die Ameisen im Gras hatten einen hohen Wert von Bedeutung.


    Ich finde dieses Buch alles andere als leicht zu lesen, man muss höllisch aufpassen, ansonsten bekommt man den wirklichen Inhalts des Buches gar nicht mit. Und genau dieses Springen des Autors, auch wenn es ein Fragment ist, mag ich nicht. Es hat keinen einheitlichen Stil, und liest sich wie eine Zusammenreihung von Vielen, mal verschnörkelt, mal modern, mal aus dieser Sicht, dann aus einer anderen, gar das personifizierte Sizilien spricht :rollen:
    Mit Th. Manns Sprachgewalt hat das für mich nichts zu tun, auch wenn di Lampedusa freizügiger ist :zwinker:

  • Also gerade die vielen Episodenhaften Eindrücke sind es was mir so gut gefällt.
    Momentan bin ich mitten im 6. Teil. Der Fünfte teil ist momentan mein Liebster. Ich fand ihn sehr erfrischend.
    Mir gefällt das Buch auch immer besser - obwohl ich die Figuren immer weniger mag *g*

  • @Heidi Hof
    Gratulation du hast es eindeutig geschafft. Ich steh im Wald, sprich ich kann dier nicht ganz folgen. :rollen: Was haben Brasilianische Ferseh-Telenovelas mit einem Sizilianischen Regierungswechsel zu tun? Ich glaube wir beide schreiben ein wehnig aneinander Vorbei. :zwinker:


    mfg
    NtM

  • Der 4. Teil machte auf mich über weite Strecken den Eindruck einer Pastorale. Es hat lange eine spielerische Leichtigkeit, die so in den anderen Kapiteln nicht zu finden war. Der "Sankt Martins-Sommer" (Sommer im November - das hat mich umgehauen), der mit seinem schönen Wetter die Lebensgeister wieder aufleben lässt, nach dem unerträglich heißen, 6 Monate währenden eigentlichen Sommer und den folgenden Stürmen, und so widmet man sich der Liebe und genießt den idyllischen Frieden.
    Dieser wird erst gegen Ende unterbrochen, als der Prinz das Angebot bekommt,

    Zitat

    Senator zu werden.

    Seine Antwort darauf scheint mir bedeutsam für die Deutung seines Charakters wie auch für das "Ziel" des Buches. Als dieses sehe ich präliminär die Schilderung von Sizilien, dessen Landes-"Charakter", personifiziert durch den Prinzen. Leider weiß ich sehr wenig über Italien und gar nichts über die Sicht anderer auf Sizilien bzw der Sizilianer auf sich selbst. Mir scheint Lampedusa auch über sein zeitgenösisches Sizilien zu sprechen, wenn er den Prinzen sagen lässt, die größte Sünde eines Sizilianers sei es, etwas zu tun. Und den unglaublichen Stolz der Sizilianer ("Wir sind Götter") beklagt, dessen Resultat eine Trägheit ist, die jeden Verbesserungsversuch im Keim erstickt.


    Zu dem Stil:
    "Sprachgewalt" würde ich es nicht nennen, aber eine gelungene Sprachbeherrschung attestiere ich ihm allemal. Die anakronistischen Wendungen sind mMn bewusst eingestreut, um deutlich zu machen, dass nicht nur von dem Sizilien vor 100 Jahren gesprochen wird, sondern dass Lampedusa auch sein jetziges Land mitbeschreibt. Ich kann mich natürlich irren.


    @Heidi:
    Deine Sätze zu dem Regierungswechsel und den Ameisen im Gras habe ich nicht verstanden. Was meinst du damit?

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo Zusammen!


    Meine erste Hürde waren ja die ersten beiden Seiten von Teil I.. Ich habe das Gefühl, dass Ihr das übersprungen habt:

    Zitat

    Die Frauen erhoben sich langsam, und das wippende Zurückweichen ihrer Röcke entblößte die mythologischen Neckedeis, die langsam auf dem milchigen Untergrund der Majolikafliesen zum Vorschein kamen.


    Das habe ich dreimal lesen müssen, bis ich es endlich verstand, und dann auch wusste wo der Hase lang läuft. Dass jeder Satz, sei er auch so unscheinbar, etwas vermittelt, zur Handlung und zur Intention des Autors gehört.


    Zum Regierungswechsel:


    Dritter Teil, die erste Seite:

    Zitat

    Der Regen war gekommen, der Regen war gegangen; ... , auf den mißtrauischen Gesichtern Hoffnung.


    S. 112 im III Teil


    Zitat

    ..., die Ameisen vermochte nicht aufzuhalten.

    bis S. 113


    Di Lampedusa schreibt brav: " Als der einiger Assoziationen, die zu präzisieren nicht angebracht wäre, ...


    Und im fünften Teil zum Schluss, bekommt Sizilien eine Stimme.


    Diesen wunderschönen Landschaftsbeschreibungen sind keine reinen nostalgieschen Beschreibungen, der Autor erzählt damit (Metaphorik).


    @ Nymphetamine


    Kann sein, dass wir aneinander vorbei reden, meine Beispiele habe ich den Eindruck, gelten bei dir als schnulzig und Beiwerk. So habe ich das aufgefasst ...