Gerhard Jelinek - Schöne Tage 1914

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 1.583 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Jaqui.

  • Ich lese gerade Gerhard Jelinek - Schöne Tage 1914, Vom Neujahrstag bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges

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    Inhalt: 1914 begann mit 'schönen Tagen', wie Arthur Schnitzler in sein Tagebuch notierte. Alma Mahler richtete ihr neues Haus am Semmering ein. Selbst die tödlichen Schüsse von Sarajevo Anfang Juli hallten nicht lange nach. Kaiser Wilhelm II. ging mit seiner Yacht auf 'Nordlandfahrt'. Kaiser Franz Joseph zog nach Bad Ischl in die Sommerfrische. Der serbische Generalstabschef fuhr zur Kur nach Bad Gleichenberg. Und Baron Rothschild sah keinen Grund, seine Bankgeschäfte neu zu richten. Haben die Menschen wirklich nicht geahnt, wie sich ihr Leben innerhalb von wenigen Monaten verändern würde? Gerhard Jelinek lässt die Zeit zwischen 1. Jänner und 3. August 1914 als buntes Mosaik aus Briefen, Tagebuch-Eintragungen und Zeitungsberichten lebendig werden. Innerhalb von wenigen Stunden aber ist Schluss mit der 'guten, alten Zeit', die hier als historisches Panorama voller Unmittelbarkeit sichtbar wird.


    Ich bin zwar erst Mitte Jänner, bin aber jetzt schon restlos begeistert von dem Buch. Ich habe mich mit der Zeit des Ersten Weltkriegs nie wirklich befasst, aber wie die Ereignisse hier dargelegt werden macht es wirklich Spaß Geschichte Revue passieren zu lassen.
    Zum Beispiel wurde schon 1914 in Wien über die Möglichkeit einer U-Bahn nachgedacht, verwirklicht wurde sie erst 64 Jahre später.


    Das Buch ist dabei tageweise eingeteilt wobei jeder Tag circa zwei Seiten hat. Zu lesen ist dann was in den Zeitungen oder Tagebüchern stand oder was eben sonst an dem Tag so passiert ist. Bisher eine volle Lese-Empfehlung.

  • Mittlerweile bin ich Mitte April und ich bin nach wie vor begeistert vom Buch. Hier nur ein paar wenige Auszüge:


    Bertha von Suttner warnte ja Zeit ihres Lebens vor einem drohenden Krieg, aber keiner nahm sie wirklich ernst. Im Feber 1914 schrieb sie über die weltpolitische Situation: Nichts als gegenseitige Verdächtigungen, Beschuldigungen und Verhetzungen. Könnte genausogut ein Zitat aus der heutigen Zeit sein.


    Auch Marie Curie kommt indirekt vor. Immerhin ist sie die Entdeckerin des Radiums und für fünf Kronen pro Tiegel konnte man sich im März 1914 radioaktive Hautcreme kaufen, damit das Gesicht einen unverwüstlich reinen Teint bekommt. :breitgrins: Sachen gibts.


    Sehr schön fand ich auch folgende Stelle aus dem März. Die Monarchen aus Europa, vor allem Österreich-Ungarn, Deutschland und Italien versicherten sich zu der Zeit bei einem Treffen noch gegenseitig ihre Solidarität. Wilhelm II fuhr beruhigt nach Korfu um im Achilleon der ermordeten Sissi entspannte Tage zu verbringen. Auch die griechische Königsfamilie machte sich auf den Weg nach Korfu. Immerhin waren die Herrschaften alle miteinander verwandt, verheiratet oder verschwägert.
    Eines wird hier sehr deutlich: trotz des Säbelrasselns, dass es definitiv gab, glaubte keiner so recht an einen Krieg.


    Witzig fand ich folgende Stelle aus dem April: Die beiden Wiener Fußballklubs Austria und Rapid hatten vor Kriegsbeginn europäisches Niveau :breitgrins: Wenigstens Fußballspielen konnten wir damals besser als heute.


    Es gäbe noch zahlreiche Stellen, die man hier anmerken könnte, aber es macht echt Spaß dieses Buch zu lesen. Tag für Tag kommen wir dem Krieg näher, aber derzeit schaut es nicht danach aus, als dass die Menschen das so sehen würden.

    Einmal editiert, zuletzt von Jaqui ()

  • Ich habe das Buch nun beendet und es hat mir sehr gut gefallen. Vor allem die letzten Tage vor dem Krieg fand ich sehr spannend, denn mit den ganzen Hintergründen, die letzlich zum Ausbruch des ersten Weltkriegs führten, habe ich mich noch nicht so richtig beschäftigt.


    In diesen Berichten und Tagebucheintragungen wird ganz deutlich klar, dass das Militär diesen Krieg befürwortet und ihn sogar noch forciert hat. Nur wenige wollten ihn verhindern. Man muss aber dazu sagen, dass die wenigsten glaubten, dass er solche Ausmaße annehmen würde.


    Alles in allem ein Buch, dass ich jedem ans Herz legen kann, der sich mit dem Beginn des Krieges näher beschäftigen will.

  • Toll. Ich interessiere mich sehr für diese Zeit. Hab's mir mal bestellt.

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Aufgrund von Jaquis Begeisterung ist das Buch auch auf meinen Wunschzettel gelandet, von wo ich es von wenigen Wochen befreit habe. Ich bin zur Zeit dabei, mich näher mit dem 1. Weltkrieg zu beschäftigen und nachdem in Christopher Clarkes "Die Schlafwandler" vor allem die politischen Hintergründe erklärt wurden und in Philip Bloms "Der taumelnde Kontinent" das allgemeine Stimmungsbild in der Bevölkerung wiedergegeben wurde, wollte ich es noch etwas genauer wissen.


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    Clark, Christopher - Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog

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    Blom, Philipp - Der taumelnde Kontinent. Europa 1900-1914


    Daher habe ich mir als erstes "1913. Der Sommer des Jahrhunderts" von Florian Illies gegriffen. Ähnlich wie dieses Buch hier beschäftigt es sich damit, was in den einzelnen Monaten des Jahres 1913 geschah und wie sich die künftigen Geschehnisse vielleicht oder vielleicht auch nicht abzeichnen. Bei Illies stehen aber vor allem die Künstler und ihre Sorgen und Nöte im Vordergrund und wer sich nicht oder nur kaum mit Malern, Komponisten und Schriftstellern vom Beginn des 20. Jahrhunderts auskennt, für den artet das in Name-dropping aus, was mich etwas gestört hat.


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    Illies, Florian - 1913. Der Sommer des Jahrhunderts


    Bei "Schöne Tage 1914" fand ich eine größere Vielfalt bei den Themen, über die geschrieben wird und bei den Quellen, aus denen Jelinek schöpft. So finden neben den auch vertretenen Künstlern auch Tagebucheinträge von Politikern, Geschäftsmännern, Friedensaktivisten/Suffragetten und vielen mehr Eingang in dieses Stimmungsbild kurz vor Ausbruch des 1. Weltkriegs.


    Wie Jaqui auch hat es mich erstaunt, wie wenig die Bevölkerung an den Kriegsausbruch geglaubt hat. Auch noch nach der Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau hat der Großteil der zitierten Personen daran festgehalten, dass ein so eng miteinander vernetzes Europa (sowohl wirtschaftlich als auch politisch (die Monarchen waren alle mehr oder minder eng miteinander verwandt)) stark genug wäre, um einen Krieg zu verhindern.


    In dem Zusammenhang fand ich die Vorbemerkung von Philip Blom in seinem oben verlinkten Buch sehr interessant (und beängstigend), dass sich das Europa Anfang des 20. Jahrhunderts in den entscheidenden Punkten nicht so sehr von der Situation heute unterscheiden würde. Damals wie heute gibt es viele gesellschaftliche Umbrüche, die bei einigen für Verunsicherung und sogar zunehmender Radikalisierung führen. Damals wie heute sind die einzelnen Länder stark miteinander verbunden und die Gefahr eines europäischen Krieges wird als äußerst unwahrscheinlich eingeschätzt. Und damals wie heute könnten die zweifelhaften Ambitionen und Absichten einiger weniger ausreichen, um alles ins Chaos zu stürzen. Da bekommt man eine Gänsehaut! :entsetzt: