Richard Flanagan - Der schmale Pfad durchs Hinterland

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    Originaltitel: The Narrow Road to the Deep North



    Zitat

    Voller Wehmut sprachen sie über die Weisheit der frühen Issa-Haikus, über den großen Buson, über das Wunder von Bashos großem Haibun Auf schmalem Pfad durchs Hinterland, das, wie Colonel Kota sagte, in einem einzigen Buch die japanische Seele zusammenfasse.
    [...]
    Auf dem Nachttisch des modernen, inzwischen verstorbenen Buddha [Kota] lag Bashos berühmtes Reisetagebuch Auf schmalem Pfad durchs Hinterland. Hashimoto schlug es dort auf, wo ein getrockneter Grashalm zwischen den Buchseiten steckte.
    Tage und Monate sind Reisende in der Ewigkeit, las er. Wie auch die Jahre, die vorüberziehen.


    Sommergras
    ist die letzte Spur
    von den Träumen der Krieger.


    ... ist eines der berühmtesten Haikus aus diesem Werk und so spielt der Flanagan mit seinem Titel und diesem Absatz wohl auf die Träume der modernen japanischen Krieger, der Soldaten, an. Sie träumten von Ruhm, Ehre, dem Sieg Japans oder zumindest einem Tod im Dienste des Kaisers. Doch dort wo Kato seinen Dienst verrichtete, starben in erster Linie die anderen. Beim Bau der „Thailand-Burma-Eisenbahn“ starben zehntausende Kriegsgefangene, darunter 2710 Australier. (Flanagans Vater überlebte.)


    Dorrigo Evans, so heißt die Hauptfigur dieses Romans, war dort ebenfalls gefangen, als Arzt und Offizier, und er hat öfter versagt als Erfolg gehabt, aber zumindest hat er versucht, seine Kameraden zu retten. Die Szenen im Lager waren harte Koste, die Beschreibungen konnte ich nicht so weg lesen, sondern musste zwischendurch tief durchatmen und versuchen sie zu ertragen. Eingefasst bzw. erzählerisch durchbrochen, wird die Zeit im Lager durch Dorrigos Leben vor und nach seiner Zeit dort, als junger Mann, verliebt in eine verheiratete Frau und später, selbst verheiratet mit einer standesgemäßen, aber ungeliebten Frau und ohne echtes Zutun eine Berühmtheit der australischen Medizin. Auch die anderen Überlebenden werden nicht vergessen, es gibt mehrere Szenen, die davon handeln, wie man es übersteht, ein Überlebender zu sein.


    „Der schmale Pfad durchs Hinterland“ beschreibt ein Leben voller „einfach weitermachen“, egal welche Schläge das Schicksal bereithält. Ich glaube ja mittlerweile, dass Flanagans Bücher von mir das Gesamturteil "nicht schön, aber eindrucksvoll" bekommen. Ich mag die Personen nicht sonderlich, es passiert nichts angenehmes, aber schreiben kann der Mann - dicht und intensiv. Den Booker-Preis bekam dieses Buch meiner Meinung nach zu Recht.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Einmal editiert, zuletzt von illy ()

  • Das Buch ist mir vor einiger Zeit schon aufgefallen. Dank deiner Rezi ist es ein gutes Stück höher auf meiner Wunschliste gerutscht :winken:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Meine Meinung
    Die Geschichte ist dicht gepackt mit Erinnerungen an andere Zeiten. Im Lager erinnern sich Dorrito und seine Kameraden an die Zeit davor. Danach erinnern sie sich an die Gefangenschaft. Diese Erlebnisse lassen sie nicht mehr los. Jeder trägt Narben davon, auf seiner Haut und auf seiner Seele. Am meisten beeindruckt hat mich der Vater, der regelmäßig die Kleider seiner Kinder neu faltete, weil die Erinnerungen an die Schläge der Aufseher, wenn man falsch gefaltet hatte, immer noch schmerzten. Auch wenn jede einzelne Geschichte schlimm war, verschwammen trotzdem die einzelnen Charaktere für mich ineinander. Sie waren für mich ein graue Masse, so, wie sie wahrscheinlich auch die Aufseher sahen.


    Dorrito scheint aus dieser Zeit mit den wenigsten Narben hervor gegangen zu sein. Das lag vielleicht daran, dass er als Arzt eine echte Aufgabe hatte. Er musste sich um seine Kameraden kümmern und auch wenn ihm das immer wieder die Unsinnigkeiten der Gefangenschaft vor Augen führte, lenkte ihn das vielleicht auch von seinem eigenen Elend ab.


    Trotzdem war er nach dem Krieg "der einsamste Mensch", wie seine Frau Ella bemerkte. Er machte alle seine Probleme mit sich selbst aus und redete mit niemandem darüber. Er lebte nie im jetzt und hier, sondern immer woanders. Dadurch distanzierte er sich von den Menschen. Sehr berührend fand ich, dass sein Verhalten auf seine Kinder abfärbte, die unbewusst in ihrem Verhalten untereinander die Beziehung der Eltern imitierten.


    Der schmale Pfad durchs Hinterland war für mich nicht einfach zu lesen. Die vielen kleinen Geschichten, die für sich alleine zu stehen scheinen und die distanzierten und auch wenig sympatischen Charaktere machten es nicht leicht, der Geschichte zu folgen. Erst zum Schluss kam alles zusammen. Dann hat mich das Gesamtbild und auch die Art Flanagans, diese Geschichte zu erzählen, voll überzeugt.
    4ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Das Buch lässt mich ein bisschen ratlos zurück, genau wie sein Hauptprotagonist Dorrigo Evans. Wer ist das? Ich konnte in meinem Kopf die verschiedenen Dorrigos nicht vereinbaren, den unsterblich verliebten jungen Soldaten, den alternden Ehebrecher und Kriegshelden, den Arzt und Kommandaten, der verzweifelt versucht, seine Soldaten im Kriegsgefangenenlager zu schützen und daran zerbricht - oder ist das des Rätsels Lösung? - und den Familienvater, der ohne zu Zögern buchstäblich durch die Flammen geht für seine Familie.

    Das ganze Buch, die ganze Geschichte war reichlich zersplittert, auch die Blicke nach dem Krieg auf die Opfer wie die Täter hat auf mich nicht wie eine zusammenhängende Geschichte gewirkt, sondern sehr episodenhaft.

    Am meisten berührt hat mich der Mittelteil und darin Darky Gardiner und zwar auf eine Weise, wie es Dorrigo Evans nie gelungen ist. Wobei dieser Teil natürlich auch der verheerendste war. Ich habe schon viele Bücher über Krieg und Kriegsgefangenschaft gelesen, aber das hier war mit eines der am härtesten zu lesenden, in dem Fall, den Mittelteil betreffend, inhaltlich.


    Es ist ein sehr gutes Buch, aber ich glaube, wir waren nicht füreinander bestimmt. Trotzdem:


    4ratten