Anthony Powell - Eine Frage der Erziehung/A Question of Upbringing

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  • In einem Punkt muss ich Saltanah recht geben (und ich habe es schon mehrfach geschrieben): Jenkins (der Erzähler) wirkt unbeteiligt, hat keine Persönlichkeit, tritt nicht in Erscheinung, obwohl er mitten im Geschehen ist. Er hat auch keinen Standpunkt, muss sich beispielsweise die Antwort, welche Sprache zu sprechen sei, überlegen, kommt auf kein Ergebnis, was er entgegnen soll. Das stört mich auch.


    Kann es sein, dass das womöglich Absicht von Powell ist, ihn so konturlos darzustellen, weil er (wie so mancher in dem Alter) weder Fisch noch Fleisch ist und selber noch nicht so genau weiß, wer er eigentlich ist? Ich bin gespannt, ob sich da noch mehr Persönlichkeit herauskristallisiert, eventuell auch erst in den Folgebänden.


    Zitat

    das zweite erschreckend, ja, teilweise auch nervig weil ich mich - im Unterschied zu Hafermilch - schon über die Leute aufgeregt habe.


    Die sind größtenteils bescheuert, aber ich finde die Darstellung ziemlich amüsant. Ich muss mich ja gottlob nicht "in echt" mit denen herumschlagen :breitgrins:


    Trotzdem war auch ich nicht böse um den Schauplatzwechsel im dritten Kapitel, der bringt etwas frischen Wind hinein.



    und mehr als Hohlspiegel seiner Beobachtungen fungiert.


    "Hohlspiegel" ist schön ausgedrückt ;)


    Zitat

    Und diese Art des Humors mit dem ständigen Understatement und uneigentlichen Sprechen muss man mögen. Ich liebe allgemein den englischen Humor, auch bei Dickens und z.B. in Stevenson/Osbournes "Die falsche Kiste", aus der mein Nickname stammt. Aber ich habe die Erfahrung machen müssen, dass einige Freunde, denen ich den letztgenannten Roman empfahl, überhaupt nicht verstanden, was ich daran lustig finde.


    Das kommt mir doch irgendwie bekannt vor! :breitgrins: Gerade bei britischem Humor (Stephen Fry liebe ich zum Beispiel über alles!) könnte ich oft platzen vor Lachen, während sich andere verwundert die Augen reiben, was genau denn da jetzt witzig gewesen sein soll ...



    Hier wie dort gibt es detaillierte, manchmal vielleicht sogar etwas langatmige Beschreibungen von Abendessen, Ausflügen und Tee- oder Kaffeekränzchen, und damit aber auch vom Zustand der jeweiligen Gesellschaft und Machtverhältnis innerhalb einer Gruppe.


    Ich mag sowas ja gerne und finde das überhaupt nicht langweilig, weil sich gerade in solchen scheinbar belanglosen Situationen oft das Wesen der Menschen sehr deutlich zeigt.


    Hafermilch: keine Sorge, wir machen weiter! :smile:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • So, ich bin auch noch da. Leider hatte ich wenig Lesezeit und bin daher erst mit Kapitel 2 durch.


    Dass der Roman nicht allen gefällt, kann ich gut verstehen. Die umständliche Ausdrucksweise, die verschachtelten Sätze und ein Ich-Erzähler der äußerst farblos bleibt, kann einem schon den Lesespaß verderben. Einen leichten Durchhänger hatte ich im 2. Kapitel, da ich mit dem Verhalten der vorkommenden Personen so meine Probleme habe. Deren Sorgen möchte ich haben. :rollen:


    Die interessanteste Figur ist für mich Farebrother, der sein Licht sehr unter den Scheffel stellt. Ich würde ihn eher sparsam, als geizig beschreiben. Seine Beziehung zu Templer gleicht eine Symbiose, wobei ich mir nicht wirklich im Klaren bin, wer hier der Symbiont und wer der Wirt ist.
    Erstaunlich finde ich seine Einschätzung von Peter, aber er kennt ihn ja auch besser als wir.


    Welche Rolle Lady Reith in der Beziehung zu Babs und Stripling einnimmt, ist etwas verschwommen. Zumindest kann man sagen, dass sie ihr Leben in vollen Zügen genießt.


    Kann es sein, dass das womöglich Absicht von Powell ist, ihn so konturlos darzustellen, weil er (wie so mancher in dem Alter) weder Fisch noch Fleisch ist und selber noch nicht so genau weiß, wer er eigentlich ist? Ich bin gespannt, ob sich da noch mehr Persönlichkeit herauskristallisiert, eventuell auch erst in den Folgebänden.


    So langsam bekommt man einen kleinen Eindruck von Jenkins Charakter. Als Farebrother ihn nach seiner Beurteilung Striplings fragt, hätte er irgend etwas entgegnen können, doch er hielt sich zurück, um nicht als doppelzüngig zu gelten.
    Er ist noch jung, ihm fehlt die Lebenserfahrung. Er hat es mal so ausgedrückt, kein Junge mehr aber auch noch kein Mann. Schade, dass man nichts über seinen Hintergrund erfährt, aber vielleicht müssen wir uns damit abfinden, dass wir durch ihn nur Einblick in die Gesellschaft erhalten, aber nicht in sein Familienleben.

  • Ich könnte mir vorstellen, dass noch was kommt zu seiner Familie. Bisher ist der Hintergrund ja wirklich recht vage.

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    Leonard Cohen





  • Was mir bis zum Ende des 3. Kapitels sonst noch ins Auge gefallen ist: Dubuisson hält sich ja für einen ganz tollen Hecht, weiß alles, kann alles, kennt sich mit allem aus, und natürlich ist auch keiner geeigneter als er, wenn Jenkins seine französischen Sprachkenntnisse zu erproben wünscht :rollen: Solche Leute ertrage ich allerhöchstens, wenn sie einen gewissen Charme haben, der Dubuisson aber abgeht.


    Sind Euch auch die Länder-Stereotypen aufgefallen? Die Engländer, die Franzosen, die Schweden, die Norweger sind so und so ... das zog sich immer wieder durch das 3. Kapitel. Ich frage mich gerade, wie ernst Powell das meint. Entspricht das seinen Ansichten oder zieht er da Engstirnigkeiten durch den Kakao?


    Auf jeden Fall durch den Kakao gezogen wurde

    . Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass das eins der Kinder war. Das war bestimmt wieder ein kindischer Erwachsenenstreich :spinnen:


    Jenkins und


    Und was eigentlich völlig unwichtig ist, ich mich aber schon frage, seit er erstmals aufgetaucht ist, war das Wort "bum" (also der Name des Hundes) damals auch schon in der Bedeutung "Hintern" gebräuchlich? :breitgrins:

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    Leonard Cohen






  • Was mir bis zum Ende des 3. Kapitels sonst noch ins Auge gefallen ist: Dubuisson hält sich ja für einen ganz tollen Hecht, weiß alles, kann alles, kennt sich mit allem aus, und natürlich ist auch keiner geeigneter als er, wenn Jenkins seine französischen Sprachkenntnisse zu erproben wünscht :rollen: Solche Leute ertrage ich allerhöchstens, wenn sie einen gewissen Charme haben, der Dubuisson aber abgeht.


    Da gebe ich dir recht. Dubuisson errinnert mich an einem Freund von mir, der ebenfalls Experte zu (fast) allem ist. Allerdings hat er Charme und Humor und kann vor allem über sich selber lachen, Eigenschaften die Dubuisson fehlen.



    Sind Euch auch die Länder-Stereotypen aufgefallen? Die Engländer, die Franzosen, die Schweden, die Norweger sind so und so ... das zog sich immer wieder durch das 3. Kapitel. Ich frage mich gerade, wie ernst Powell das meint. Entspricht das seinen Ansichten oder zieht er da Engstirnigkeiten durch den Kakao?


    Ich denke, letzteres. In diesem Kapitel stellt er sich selbst als Prototyp des verklemmten Engländers dar, der in seiner Überkorrektheit eine falsch adressierte Liebeserklärung nicht einfach abbricht, sondern gnadenlos durchzieht, um die Gefühle der Dame nicht zu verletzen. Diese Szene hat mich herrlich amüsiert.



    Und was eigentlich völlig unwichtig ist, ich mich aber schon frage, seit er erstmals aufgetaucht ist, war das Wort "bum" (also der Name des Hundes) damals auch schon in der Bedeutung "Hintern" gebräuchlich? :breitgrins:


    Mir war nicht bekannt, dass "bum" für Hintern steht, danke für die Info. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass es etwas mit dem Namen auf sich hat, war aber zu faul zum Recherchieren. :breitgrins:


    Ich glaube Jenkins bis jetzt wenig greifbare Persönlichkeit liegt daran, dass er zu diesem Zeitpunkt noch seinen Platz im Leben gesucht hat. Er hat Freunde, ist bei den Aktivitäten aber immer nur dabei und nicht mittendrin. Durch seine introvertierte Persönlichkeit beschränkt er sich auf das Beobachten - das merkt man auch an seinem Umgang mit Frauen. Da er unsicher ist, kommt seine "Verliebtheit" zu Jean im Zug in einem sicheren Abstand von ihr zu tragen.


  • In diesem Kapitel stellt er sich selbst als Prototyp des verklemmten Engländers dar, der in seiner Überkorrektheit eine falsch adressierte Liebeserklärung nicht einfach abbricht, sondern gnadenlos durchzieht, um die Gefühle der Dame nicht zu verletzen. Diese Szene hat mich herrlich amüsiert.


    Ich fand auch die Reaktion der Dame herrlich :lachen:


    Zitat

    Mir war nicht bekannt, dass "bum" für Hintern steht, danke für die Info.


    Mag sein, dass das eher im Amerikanischen gebräuchlich ist.


    Zitat

    Ich glaube Jenkins bis jetzt wenig greifbare Persönlichkeit liegt daran, dass er zu diesem Zeitpunkt noch seinen Platz im Leben gesucht hat. Er hat Freunde, ist bei den Aktivitäten aber immer nur dabei und nicht mittendrin. Durch seine introvertierte Persönlichkeit beschränkt er sich auf das Beobachten


    Das ist auch meine Einschätzung. Ich gehe davon aus, dass wir ihn in den späteren Bänden noch besser kennenlernen.

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  • gelesen: 3. Kapitel


    Länderstereotypen sind allgegenwärtig und speisen sich aus wahren Eigenschaften. Deshalb finde ich die diversen Anspielungen amüsant und ich denke, sie waren so / ironisch gemeint.


    Jenkins Verliebtheiten kann ich leider nicht mehr ernst nehmen und verbuche sie unter hormonelle Wallungen. Dass er die Liebeserklärung durchzieht, ist das eine, aber sich nachher einzubilden jetzt in Madame Debuisson verliebt zu sein, ist mehr als albern.


    Interessant finde ich 2 Dinge:
    2) Immer ist Onkel Giles präsent Ständig wird er beiläufig erwähnt. Ich denke, dass wir noch viel mit ihm "zu tun" haben werden.
    2) Widmerpool belebt Jenkins Schilderungen auf ganz erstaunliche Weise. Die ganze La-Grenadière-Episode wird erst mit Auftauchen Widmerpools lebendig, findet ihre Höhepunkte in der Unterhaltung über Jenkins und seine Mitschüler, in seinem diplomatischen Einsatz und schließlich in der Wandkritzelei. Als er abgereist ist, ist die Luft raus; da konnte auch die Szene zwischen Madame Debuisson und Jenkins kaum etwas ändern.


    Widmerpool finde ich eh spannend: Er ist ein Anwanzer! Seit sich das herauskristallisiert hat, finde ich ihn unsympathisch; vorher mochte ich ihn in seiner ganzen Verschrobenheit und hatte eher Mitleid mit ihm. Mir ging gleichfalls ein Seifensieder auf, als Jenkins die Erkenntnis trifft, Widmerpool strebe nach Macht.


  • Jenkins Verliebtheiten kann ich leider nicht mehr ernst nehmen und verbuche sie unter hormonelle Wallungen. Dass er die Liebeserklärung durchzieht, ist das eine, aber sich nachher einzubilden jetzt in Madame Debuisson verliebt zu sein, ist mehr als albern.


    Könnte aber auch unter hormonelle Wallungen fallen. Schließlich weiß er noch nicht so richtig, was Verliebtsein eigentlich ist.


    Zitat

    2) Immer ist Onkel Giles präsent Ständig wird er beiläufig erwähnt. Ich denke, dass wir noch viel mit ihm "zu tun" haben werden.


    Denke ich auch.


    Zitat

    Widmerpool finde ich eh spannend: Er ist ein Anwanzer! Seit sich das herauskristallisiert hat, finde ich ihn unsympathisch; vorher mochte ich ihn in seiner ganzen Verschrobenheit und hatte eher Mitleid mit ihm.


    Er war mir schon am Anfang nicht so irre sympathisch, hat mir aber auch eher leid getan, weil er immer außen vor zu sein schien und belästert wurde, aber jetzt, wo man merkt, wie er wirklich tickt, mag ich ihn auch nicht mehr. Er scheint es richtig zu genießen, wenn er irgendwo Strippen ziehen und sich wichtig fühlen kann Dass man ihm für die Schlichtung des Streits zwischen den Skandinaviern keine Anerkennung gezollt hat, gefiel ihm ja gar nicht.

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    Leonard Cohen





  • Könnte aber auch unter hormonelle Wallungen fallen. Schließlich weiß er noch nicht so richtig, was Verliebtsein eigentlich ist.


    Außerdem will er verliebt sein. Seine Erfahrungen mit Frauen mögen sich auf schwärmerische Distanz beschränken, aber er kann mit Fug und Recht behaupten, die Höhen und Tiefen der Liebe ausgekostet zu haben. Dass seine Gefühle nicht echt und nur Illusion waren, gibt er in der Rückschau sogar offen zu.


  • Außerdem will er verliebt sein. Seine Erfahrungen mit Frauen mögen sich auf schwärmerische Distanz beschränken, aber er kann mit Fug und Recht behaupten, die Höhen und Tiefen der Liebe ausgekostet zu haben. Dass seine Gefühle nicht echt und nur Illusion waren, gibt er in der Rückschau sogar offen zu.


    Ja, das ist mir auch aufgefallen: Er zieht die Verliebtheit in Jean selbst in Zweifel! (Die hab ich ihm eh nicht abgenommen.) Ob er verliebt sein will, weiß ich nicht recht, er schreckt ja vor der Vormachtstellung der Gefühle zurück. Aber er will jetzt auf jeden Fall einmal dieselben Erfahrungen machen wie Templer.
    Ich denke, wenn er sich wirklich in eine Frau verliebt, bekommen wir das mit, er wird ganz anders davon erzählen.


    Nochmal zu Widmerpools sexueller Orientierung: Der flippt so aus, als er hört, dass Templer in London ein Mädel flachgelegt hat. Ist das nun Eifersucht, weil er scharf auf Templer ist oder neidet er ihm dessen Erfahrung?


  • Nochmal zu Widmerpools sexueller Orientierung: Der flippt so aus, als er hört, dass Templer in London ein Mädel flachgelegt hat. Ist das nun Eifersucht, weil er scharf auf Templer ist oder neidet er ihm dessen Erfahrung?


    Ob Widmerpool homo- oder heterosexuell ist, erschließt sich mir auch noch nicht so ganz.

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  • Ich finde die Idee von einigen hier sehr spannend, dass Jenkins so wenig Profil hat, weil er ja noch "in der Mache" ist. Allerdings bin ich nicht so sehr davon überzeugt, dass er später wirklich zum hervortretenden Handelnden wird. Denn auch seine Jugendfreunde und -bekannte sind noch nicht ausgereift, aber viel präsenter in ihren Meinungen und Taten. Von Jenkins liest man eigentlich nie eine Meinung, die er wirklich jemandem anderen gegenüber äußert. Er ist da extrem vorsichtig und formuliert immer so, dass keiner ihm einen Strick daraus drehen kann. Das setzt sich auch in dem Uni-Kapitel 4 fort, wo Jenkins ebenfalls wieder wie ein äußerer Planet um die Sonne Stringham kreist, mit den wichtigeren Planeten Quiggin, Sillery und einigen Planeten der Mittelklasse. Ich bin gespannt, ob Stringham auch in den anderen Bänden so eine große Rolle spielen wird oder ob das Konzept vielleicht so ist, dass jeder Band eine andere zentrale Gestalt hat. Was mir gefällt, ist, dass alle Personen sehr differenziert beobachtet werden; Natürlich wirken einige lächerlicher als andere, aber alle werden doch auch in ihrer Menschlichkeit gesehen. Quiggin hat z.B. auf der universitären Ebene eine gewisse Ähnlichkeit mit Widmerpool, aber auch ihm gegenüber empfindet Jenkins Scham, wenn er sich herablassend verhält oder auch nur herablassend von ihm denkt.


    Ich habe nun noch ca. 20 Seiten bis zum Ende des ersten Bandes.


  • Ich habe nun noch ca. 20 Seiten bis zum Ende des ersten Bandes.

    dito :smile:


    Ich habe mir überlegt, dass Jenkins deshalb so unbeteiligt und ohne Standpunkt bleibt, damit die Distanz zur beschriebenen Gesellschaft gewahrt bleibt und er sie somit indirekt kritisiert. Allerdings kann man meiner Meinung nach eine bestimmte Haltung einnehmen und trotzdem - eben dann direkt - Kritik üben. Aber vielleicht ist dies die englische Art und vielleicht ist dies die so viel zitierte feine Ironie.


    Interessant finde ich, wie sich so langsam die Charaktere bilden. Langsam kristallisiert sich heraus, welche Lebenswege Templer und Stringham einschlagen. Bei Jenkins ist es noch nicht klar, aber ich finde zwei Aspekte bemerkenswert: Erstens sein Interesse an (vermeintlich) einfachen Leuten und zweitens seine Affinität zur Literatur. Ich könnte mir vorstellen, dass Members noch eine größere Rolle spielen wird.


    Mit einer Sache kann ich mich nicht anfreunden, nämlich dass einige Begebenheiten offen bleiben. So zum Beispiel der Streit zwischen den beiden Skandinaviern. Da ging es bestimmt nicht um die beiden Mädchen und das ominöse Wort, das Örn auf dem Tennisplatz fallen ließ, war vermutlich so etwas wie "Motherfucker".
    Ich hatte noch ein Beispiel für eine offene Begebenheit, aber mir fällt es gerade nicht ein.
    Na ja, das ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass wir einen Ich-Erzähler vor uns haben, der nicht besonders neugierig ist und eher passiv im Hintergrund bleiben möchte.


  • Ich hatte noch ein Beispiel für eine offene Begebenheit, aber mir fällt es gerade nicht ein.


    Nach der Einnahme eines gepflegten Tees, eine leichte Mahlzeit eingeschlossen, ist es mir wieder eingefallen und sogar ein weiteres :breitgrins::


    1) Was hat es mit der geheimnisvollen Nachbarschaft von Members und Quiggin auf sich? Ich rate mal, wir werden es niemals erfahren.


    2)Wir erfahren durch Sillery etwas über den familiären Hintergrund der Tee-Besucher - nur nicht bei Jenkins!!! Das hat er einfach mal weggelassen, obwohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass Sillery auch Jenkins einem Interview unterzogen hat. Ich finde, da wird vorsätzlich alles verschwiegen, was den Erzähler näher kennen und damit auch einschätzen und damit auch beurteilen lässt - und genau das will er offensichtlich vermeiden!

    Einmal editiert, zuletzt von louzilla ()


  • Ich finde die Idee von einigen hier sehr spannend, dass Jenkins so wenig Profil hat, weil er ja noch "in der Mache" ist. Allerdings bin ich nicht so sehr davon überzeugt, dass er später wirklich zum hervortretenden Handelnden wird.


    Dass er plötzlich zum "Macher" mutiert, glaube ich auch nicht. Ich bin gespannt, ob er in den Folgebänden etwas schärfer gezeichnet wird. Es gibt ja durchaus Menschen, die in der Pubertät sehr zurückhaltend sind und sich später erst "finden".


    Zitat

    wo Jenkins ebenfalls wieder wie ein äußerer Planet um die Sonne Stringham kreist, mit den wichtigeren Planeten Quiggin, Sillery und einigen Planeten der Mittelklasse.


    Schöner Vergleich! Diese Teegesellschaften bei Sillery fand ich irgendwie schräg. Meint Ihr, dass es sowas heute noch gibt oder würde man dann Bevorzugung (oder Schlimmeres) unterstellen?



    Aber vielleicht ist dies die englische Art und vielleicht ist dies die so viel zitierte feine Ironie.


    Es ist schon so, dass man in England (gerade in gewissen Kreisen) seine Meinung nie direkt äußert, sondern das eher verklausuliert tut und sozusagen "über Bande" spielt. Da können Bemerkungen fallen, die für uns völlig harmlos, ja sogar elegant wirken, aber eigentlich ganz heftige Beleidigungen sind.


    Zitat

    Interessant finde ich, wie sich so langsam die Charaktere bilden. Langsam kristallisiert sich heraus, welche Lebenswege Templer und Stringham einschlagen.


    Die am Ende verkorkste Spazierfahrt war typisch Templer, oder? Und auch Stringham zeigte sich ganz "in character", so unwohl wie er sich da gefühlt hat (ich konnte es ihm nachfühlen ...) Interessant, dass Stringham keine akademische Karriere verfolgen will, obwohl seine Mutter ja nicht so angetan scheint. Bei seiner Sprachgewandtheit hätte ich das fast erwartet.


    Zitat

    Mit einer Sache kann ich mich nicht anfreunden, nämlich dass einige Begebenheiten offen bleiben.


    Ja, das ist ein bisschen schade. Bei Örn vs. Lundquist war ich sogar noch bereit zu glauben, dass es ein Eifersuchtszoff war, aber dass die Geschichte um Members' und Quiggins Wohnort nicht aufgelöst wurde, fand ich auch nicht so schön. Ich habe ja darauf getippt, dass sie aus einem eher nicht so guten Viertel stammen und keiner das erfahren soll, woraufhin Sillery erst recht darauf herumreitet (der ist auch ein komischer Typ, oder?)


    Ich bin mittlerweile fertig und fand Jenkins' Beobachtung interessant, dass manche Menschen nur für eine gewisse Zeit im Leben eines anderen eine Rolle spielen und man unweigerlich auseinanderdriftet, oft unbewusst. Das war ein ziemlich reifer Gedanke für einen Jungen in seinem Alter. Bei der letzten Episode mit Stringham wurde das aber auch gut verdeutlicht. Die beiden leben in verschiedenen Welten, nachdem Stringham seine Stelle angetreten hat, und irgendwie passen diese Welten nicht mehr zueinander, was beide wohl im Grunde ihres Herzens auch wissen, obwohl sie den Schein zu wahren versuchen.


    Dass sich Jenkins dann lieber mit Onkel Giles trifft, fand ich ganz witzig. Sonst ist ja der Onkel derjenige, der sich nur meldet, wenn er den anderen gerade braucht, und jetzt braucht eben Jenkins einen Lückenbüßer.


    Das Ende war mir ein bisschen zu offen, ich hätte mir mehr Abschluss erhofft, für den Augenblick zumindest. Aber vielleicht ist der Romanzyklus eigentlich als ein großes zusammenhängendes Ganzes zu verstehen, in dem sich episodenhafte Kapitel aneinanderreihen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Diese Teegesellschaften bei Sillery fand ich irgendwie schräg. Meint Ihr, dass es sowas heute noch gibt oder würde man dann Bevorzugung (oder Schlimmeres) unterstellen?


    Klar gibt es das! Halt in anderer Form. Zum Beispiel in meinem beruflichen Umfeld...:rollen:
    Dieser Sillery ist furchtbar. Leider gibt es solche Menschen wirklich. Deren Lebensinhalt ist es ausschließlich, in die Leben anderer einzugreifen. Die g...n sich dran auf, andere wie die Puppen tanzen zu lassen und über Schicksale zu entscheiden. Widerlich. Wenn ich so jemandem begegne, nehme ich schnellstmöglich Reißaus.




    Die am Ende verkorkste Spazierfahrt war typisch Templer, oder? Und auch Stringham zeigte sich ganz "in character", so unwohl wie er sich da gefühlt hat (ich konnte es ihm nachfühlen ...) Interessant, dass Stringham keine akademische Karriere verfolgen will, obwohl seine Mutter ja nicht so angetan scheint. Bei seiner Sprachgewandtheit hätte ich das fast erwartet.


    Ich finde sogar, dass seine Mutter die einzige Vernünftige in der Familie ist (entgegen Stringhams Einschätzung). Das ist mir insgesamt aufgefallen - ein Uni-Abschluss schien nicht (so wie heute) Usus oder sogar ein Muss in den "besseren" Kreisen zu sein. Da hatte ich eine ganz andere Vorstellung.

  • Ich hinke euch leider sehr hinterher und befinde mich noch am Anfang des 3. Kapitels.


    Das trifft es vielleicht sogar noch besser!


    Das wird es wohl sein. Allerdings bezweifle ich, dass er bisher viel Kontakt zu Altersgenossinnen gehabt hat. Vielleicht reizt ihn aber auch Jeans Verhalten, die ihn links liegen ließ. Von daher ist seine Verliebtheit ungefährlich für ihn.


    Dass er Widmerpool gerade in der französischen Pension wiedertrifft, hat mich erst erstaunt, aber solche Zufälle gibt es eben. Wie er dann ringt, ja nur das Richtige zu machen. Widmerpool muss er doch vorgekommen sein, wie ein unschlüssiger Trottel. Wäre denn eine kleine Entschuldigung mit dem Vermerk nun nur noch Französisch zu sprechen so unpassend gewesen.


    Was mir im nachhinein noch aufgefallen ist, er war zwar Gast bei seinen Freunden, doch diese scheinen ihn nie besucht zu haben. Oder fand er es nur der Erwähnung nicht wert.
    In Bezug auf seinen Onkel verwendete er einmal einen walisischen Ausdruck. Ob seine Familie von dort stammt, und er einfach zu weit ab vom gesellschaftlichen Geschehen lebt?


  • Ich hinke euch leider sehr hinterher und befinde mich noch am Anfang des 3. Kapitels.


    Macht nichts, ich geb' weiterhin meinen Senf dazu :zwinker:.



    Was mir im nachhinein noch aufgefallen ist, er war zwar Gast bei seinen Freunden, doch diese scheinen ihn nie besucht zu haben. Oder fand er es nur der Erwähnung nicht wert.
    In Bezug auf seinen Onkel verwendete er einmal einen walisischen Ausdruck. Ob seine Familie von dort stammt, und er einfach zu weit ab vom gesellschaftlichen Geschehen lebt?


    Genau das ist der Punkt! Zu weit ab vom gesellschaftlichen Geschehen kann er nicht sein, er ist mitten drin, sonst wäre er nicht in der Lage, uns so detaillierte Einblicke in diese zu gewähren. Aber er verschweigt uns systematisch alles, was ihn selbst unmittelbar betrifft! Du hast recht, solche Einladungen beruhen auf Gegenseitigkeit und irgendwo muss er sch ja auch aufgehalten haben zwischen seinen Besuchen und dem Aufenthalt auf La Grenadière.


  • Ich hinke euch leider sehr hinterher und befinde mich noch am Anfang des 3. Kapitels.


    Da dümple ich auch noch rum. Gestern abend wollte ich das Kapitel im Bett zu Ende lesen, aber bei der unendlich langweiligen Tennisbeschreibung fielen mir die Augen zu. So so, Örn (der als Norweger eigentlich ein Ørn sei sollte, aber der Ich-Erzähler meinte ja selbst, er habe den Namen nie geschrieben gesehen) sagt irgendetwas unnettes zu Lundquist? Wie spannend, wenn man nicht einmal andeutungsweise erfährt, was (das war Ironie). Überhaupt ist das Verhältnis zwischen den beiden sehr angespannt? Aha - und was soll ich mit der Information???


    Ein Ich-Erzähler, über den ich nichts weiß, erzählt mir was von Leuten, über die er nichts weiß. Klasse, ich bin begeistert. :rollen:


    Alles in diesem Buch hängt in der Luft; es ist nirgends verankert, weder räumlich noch zeitlich. Uns wird zwar erzählt, sie befänden sich gerade in Frankreich, aber das wird doch nicht gestaltet. Und wann spielt das ganze? Mitte der Zwanziger müsste es sein, aber deutlich wird das kaum.

    Wir sind irre, also lesen wir!