Deutscher Buchpreis 2017

Es gibt 43 Antworten in diesem Thema, welches 7.497 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Jaqui.

  • Danke. Salzmann mit ihrem Debütroman auf der Shortlist. Na, wenn das nicht eine Auszeichnung ist. Und bei Suhrkamp herausgegeben. Da hat sich der Verlag was getraut und wird gleich belohnt.

  • Gestern gab es einen Vorgeschmack auf die Shortlist. Thomas Lehr hat sein Buch exklusiv vorgestellt, auch wenn er am Samstag ebenfalls, dann aber deutlich kürzer, dieses nochmals im Frankfurter Literaturhaus vorstellen wird. Thomas Lehr könnte der Robert Musil des 21. Jahrhunderts werden. Sprachlich ist er äußerst vielfältig unterwegs, das Buch wimmelt von intellektuellen Anspielungen. Mit 640 Seiten ist es aufgrund der komplexen Struktur alles andere als ein Leichtgewicht, wie auch die Leserrezensionen auf Amazon zeigen. Gewinnt solch ein Buch den Deutschen Buchpreis? Ich kann es mir nicht vorstellen, auch wenn mit Frank Witzel ebenfalls schon mal ein schwer verkäufliches Buch gewonnen hat. Seinerzeit hat mich seine Lesung am meisten unterhalten.


    Das Buch "Schlafende Sonne" spielt an einem einzigen Tag im August 2011. Dennoch behandelt es das ganze 20. Jahrhundert. Wie in einem Museum mit vielen Räumen, in dem man beim Raumwechsel Kunstwerke aus anderen Epochen sieht, wandert man hier durch die Kapitel und kann auf der Zeitachse ganz woanders sein. Es ist der persönliche Blick des Autors, der sich in diesem Band geschichtlich auf das Ende des Kaiserreichs und das Ende der DDR konzentriert. Es werden zwei weitere Bände (in einigen Jahren) folgen, die andere Ereignisse behandeln. Jedes Buch wird aber für sich selbständig lesbar sein, es gibt keine Cliff-Hanger. Die Hauptfigur ist eine Frau, 1970 in der DDR geboren, die etwa 60% der Redeanteile hat. Den Rest teilen sich vor allem zwei Männer. Auch die Textarten wechseln, der Autor konnte das in den zwei ausgewählten Lesestellen nur andeuten.

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()


  • Thomas Lehr könnte der Robert Musil des 21. Jahrhunderts werden.


    Ich hoffe nicht. Ich las "42" aus beruflichen Gründen. Durch das ganze Buch hindurch hatte ich den Eindruck, dass Lehr dem Leser zeigen wollte, wie schlau er doch ist und wie intellektuell er sich ausdrücken kann. Die reine geistige Onanie.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Diesen Eindruck vermittelt das neue Buch aber nicht. Lehr gestand auch zu, dass er sich vieles erst im Laufe des Schreibens erarbeitet hat.

  • Ich muss ergänzen: _auf mich_ machte es nicht den Eindruck, dass er mit seiner Intellektualität glänzen wollte. Dazu ist der Text einfach gut gemacht. Gerade die Lesung wirkte trotz komplexer Konstruktionen flüssig und leicht verfolgbar. Die Texte tragen aber eine gewisse Schwere mit sich wie man es auch bei Musil fühlt. Musil ist einer der Hausgötter Lehrs, bei mir gehört er ja nicht dazu, sondern eher Proust und Mann. Mich würden nun die Kapitel interessieren, in denen es erotische Stellen gibt, wie hat er das umgesetzt. Das könnte interessant sein.

  • Wenn man Lehr aus dem Rennen nimmt, dann sind auf dem Papier die Favoriten Menasse (Hauptstadt-Roman macht sich im Ausland immer gut) und Franzobel (hochgelobt im Lit. Quartett). Ich werde nach Samstag berichten.

  • Wenn ich mich recht erinnere, war Lehrs Frauenbild in "42" recht sexistisch.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • BigBen, diese Diskussion führt noch dazu, dass ich mir das Buch _doch_ noch kaufe. :grmpf::zwinker:

  • Thomas Lehr war im August Gast im Literarischen Colloquium Berlin. Die Sendung wurde - wie immer - dann etwas später im DLF ausgestrahlt. Das hat mich schon sehr überzeugt. Obwohl man merkte, dass der Text sehr dicht ist, klang es in den Lesungsteilen flüssig und intelligent. Das Buch habe ich mir sofort gekauft. Allerdings wird es etwas Lesezeit kosten, die ich im Moment nicht habe (bin grade im Ausland). Werde mich also damit bis zum Winter gedulden müssen. Aber in jedem Fall ist es außergewöhnlich und in der Flut der Neuerscheinungen, die ja doch vielfach austauschbar sind, mal wieder ein echtes Ereignis, auch im Hinblick auf die literarische Verarbeitung des 20. Jahrhunderts.

  • Ich frage mich langsam, wie relevant der deutsche Buchpreis ist, wie relevant die Bücher.


    Am letzten Wochenende habe ich mich mit Buchpreisblogger Frank Rudkoffsky unterhalten. Er meinte, dass das Bloggen über diese Bücher keinerlei Auswirkungen habe auf seinen Blog. Nicht mehr, nicht weniger BesucherInnen.


    Fraglich, ob die Verkaufszahlen davon sonderlich hochgepuscht werden. Auch die Feuilleton-AutorInnen sagen häufig, dass es keine oder geringe Auswirkungen auf die Zahlen habe. Ein Preis als Statussymbol zum sich selbst beweihräuchern also?

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Die Veranstaltung in Frankfurt war nach einer Minute ausverkauft. Also das Interesse ist schon da. Vielleicht nicht die typischen Blogleser.

  • Das Siegerbuch Der Turm hat sich mit mehr als 750.000 Exemplaren verkauft, das überrascht selbst mich. Heutzutage stehen da keine stilistisch anderen Titel drauf. Also Relevanz kann man diesem Theater nicht absprechen, auch wenn jeder von uns weiß, dass es das eine beste Buch nicht geben kann.

  • Ich denke, der Turm war wegen seines Themas und wegen des Autors (es war ja nicht sein erster Roman) ein außergewöhnlicher Erfolg. Soviel werden andere Preisträger nicht erreichen. Wenigstens ab der Shortlist werden die Bücher sicher sehr viel stärker vom klassischen Feuilleton und von Funk und Fernsehen wahrgenommen als andere. Keiner kann sich dann noch erlauben, einen Roman zu übergehen, der auf der Shortlist steht. Das wirkt sich schon aus. Buchpreis-Blogger lese ich allerdings auch nicht.

  • Das schwierige Witzel-Buch hatte aber auch 40.000 Vorbestellungen - und dieser Titel verkaufte sich gemäß meines Buchhändlers nicht so doll.


  • Das schwierige Witzel-Buch hatte aber auch 40.000 Vorbestellungen - und dieser Titel verkaufte sich gemäß meines Buchhändlers nicht so doll.


    Ja, aber zwischen Witzel und Tellkamp sieht man einen großen Unterschied. Und der Witzel hätte sich ohne Buchpreis wahrscheinlich nur fünftausendmal verkauft.


    Der Preis hat schon eine große Wirkung.


  • Was sind denn "typische Blogleser"?


    Diejenigen, die Blogs lesen. Offenbar nicht die selben, die den Deutschen Buchpreis verfolgen.

  • Ja, aber zwischen Witzel und Tellkamp sieht man einen großen Unterschied. Und der Witzel hätte sich ohne Buchpreis wahrscheinlich nur fünftausendmal verkauft.


    Der Preis hat schon eine große Wirkung.


    Sage ich ja die ganze Zeit. Selbst Witzel hat große Verkaufszahlen.