Anne Jacobs - Das Gutshaus. Glanzvolle Zeiten

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    Die Mauer ist gefallen und Franziska Kettler zieht alles zurück in ihre alte Heimat. Sie ist eine von Dranitz und musste in den Wirren des Krieges das Familienanwesen verlassen. Doch die Sehnsucht blieb und nachdem sie nun Witwe ist und keine Mauer sie mehr hindert, macht sie sich auf den Weg in ihre alte Heimat. Was wird sie dort erwarten?


    Ich mag den Schreibstil von Anne Jacobs und da mich die Bücher um die Tuchvilla begeistert haben, war es klar, dass ich auch dieses Buch lesen muss. Doch konnte mich „Das Gutshaus“ nicht so fesseln wie das Geschehen um die Tuchvilla und die Familie Melzer.


    Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen, einmal zu Zeiten des 2. Weltkrieges und einmal um die Zeit kurz nach dem Mauerfall. Auch Tagebucheinträgen von Franziskas Schwester Elfriede sorgen für ein umfassendes und ziemlich erschütterndes Bild.


    In Franziskas Familie wird keine Kontakt mehr gepflegt, ihr Mann ist verstorben und die Tochter meidet ihre Mutter. Die Enkelin Jenny ist inzwischen ungefähr zwanzig Jahre alt und Franziska hat sie nur zweimal gesehen. Dabei ist Franziska in dem Bewusstsein groß geworden, dass die Familie alles ist. Geblieben sind nur Erinnerungen an glanzvolle Zeiten und an ihre große Liebe Walter Iversen. Also nutzt sie die Chance, die sich ihr nach dem Fall der Mauer bietet und fährt los. Aber es hat sich einiges verändert in den Jahren, die sie nicht dort war. Nichts ist mehr so glanzvoll, wie es die Erinnerung ihr vorgaukelt. Das Gut wurde vereinnahmt und beherbergt jetzt einen Konsum. Die Schatten der Vergangenheit holen Franziska wieder ein. Sie erinnert sich plötzlich wieder an lang verdrängte Begebenheiten.


    Franziska möchte ihr Gut zurück und es wieder in den Zustand versetzen, den sie vor Augen hat, wenn sie zurückdenkt. Aber die Dranitzer sind natürlich nicht begeistert. Mir hat es gut gefallen, dass Franziska in ihrer Enkelin eine Verbündete findet, die sie tatkräftig unterstützt.


    Aufgrund der Beschreibung konnte ich mir Gut Dranitz gut vorstellen, sowohl zu den glanzvollen Zeit als auch im heruntergekommenen Zustand. Aber auch die Charaktere sind sehr gut gezeichnet. Besonders Elfriedes Schicksal hat mich berührt.


    Eine interessante und berührende Familiengeschichte.


    4ratten


    Titel leicht angepasst. LG, Valentine

    Einmal editiert, zuletzt von Valentine ()

  • "Das Gutshaus" Band 1 - Glanzvolle Zeiten - von Anne Jacobs, die auch die Trilogie um die Tuchvilla erfolgreich schrieb, erschien als tb im Blanvalet-Verlag, 2017.


    Für mich ist die Autorin Anne Jacobs Neuland, Das Gutshaus das erste Buch, das ich von dieser Autorin gelesen habe. Stilistisch eingängig, gut zu lesen, sprach mich das Thema sehr an, da es auch hier (wie bei Ulrike Renks Ostpreußensaga) um ein Gutshaus geht, das in wechselvollen Zeiten des 20. Jahrhunderts den 2. Weltkrieg überdauerte.


    Die Hauptprotagonisten sind Franziska Kettler, geb. von Dranitz, die einst in dem Gutshaus aufgewachsen ist und gegen Kriegsende vor der roten Armee fliehen musste sowie ihre Enkelin Jenny, die eines Tages als 24jährige Frau den Entschluss fasst, ihre Oma zu besuchen, die sie kaum kennenlernen konnte.


    Der Roman basiert auf zwei Zeitebenen und Handlungssträngen: Zum einen die Zeit ab 1939 und die Kriegsjahre auf Gut Dranitz, zum anderen die Zeit ab 1990, also kurz nach dem Fall der Mauer und der "Wende", die das Ende der DDR bedeutete...


    Franziska ist es erst 1990 möglich, nach Mecklenburg-Vorpommern zu fahren, um nachzusehen, ob das Guts- und damit ihr Elternhaus noch steht: Konfliktpotential zwischen Ossis und Wessis, hier personifiziert durch den Bürgermeister Pospuscheit, kennzeichnen die Schwierigkeiten, die Franziska mit dem Wiedererwerb des Gutes hat: Ihre Familie ist 1945 enteignet worden, das Land wurde von den Sowjets unter den Bauern aufgeteilt. Während viele andere Besitztümer restlos zerstört wurden, gleicht es einem Wunder, dass das Haus noch stand: Jedoch ist es sehr reparaturbedürftig, und dieser Aufgabe nehmen sich im weiteren Romanverlauf Franziska und Jenny, die die Erben der von Dranitz sind, an...


    Eine weitere Hauptprotagonistin des Romans ist Elfriede von Dranitz, deren Tagebucheinträge das Leben auf dem Gut wie auch die politische Lage in den Kriegsjahren recht überzeugend wiederspiegeln: Tragischerweise war sowohl sie als auch Franziska, ihre ältere Schwester, in einen Major, Walter Iversen, verliebt.


    Sehr aussagekräftig sind auch die Sichtweisen des früheren Stellmachers Karl-Erich Schwadtke und seiner Frau Mine, die früher Hausmädchen auf Gut Dranitz war und Franziska von Kindesbeinen an kennt. In großen Teilen ist der Roman eine Erzählung über das alte Gutshaus, das die Zeiten überdauerte - und eine Familien- und Liebesgeschichte derer von Dranitz. Durch Rückblenden in die Tagebücher "Friedchens" enthüllt sich die Dramatik, die die Kriegsjahre und politische Unsicherheit wie auch die Einstellung der Bewohner zu Hitler gut darstellen. Am meisten gefiel mir hier der Großvater Dranitz, dessen Meinung ich mich absolut anschließe. In den Kapiteln, die nach der Wende spielen, gelingt es Anne Jacobs, die mentalen Unterschiede zwischen "Ossis" und "Wessis" realistisch zu beschreiben: Ich fand es mitunter recht köstlich, da ich es genau so ebenfalls erlebt habe (und ich war zweimal in der DDR, als es sie noch gab....). Den Untertitel "Glanzvolle Zeiten" finde ich historisch gesehen eher irreführend: Die Zeit nach 1939 war keinesfalls glanzvoll - ganz im Gegenteil, dies hätte evtl. für die 1920er Jahre zugetroffen....


    Fazit:


    Ein sehr flüssig und unterhaltsam zu lesender Roman über eine adelige Gutsfamilie in Mecklenburg-Vorpommern im wechselvollen und kriegerischen 20. Jahrhundert, deren Schicksal viele Gutsbesitzer in den östlichen Gebieten teilten. Eine Familie, die durch den 2. Weltkrieg alles verlor - jedoch eine Erbin sich für den Erhalt des 150jährigen Gutshauses nach der Wende einsetzt und - zurückkehrt. Die Liebe überdauerte ebenfalls und ohne den Klappentext hätte ich das Ende, das so nicht vorhersehbar war, noch besser gefunden: Ein stimmiger, runder Schluss ohne Cliffhanger, jedoch mit einer Vorfreude auf den 2. Band dieser geplanten Trilogie. Von mir gibt es eine Wertung von 4* und 90° auf der "Histo-Couch".


    4ratten

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Nach der Wende kehrt Franziska Kettler, geborene von Dranitz und die letzte Überlebende dieser Sippe, zurück zum Gutshaus in Mecklenburg-Vorpommern. Nichts hat sie von dort gehört in den Jahren des zweigeteilten Deutschland, doch - O Wunder - das Haus steht noch. Dass man sie dort nicht unbedingt (zurück)haben will, war zu erwarten. Dennoch, es gibt immer noch solche, die sie "Frau Baronin" nennen.


    Und es gibt viele, viele Erinnerungen, solche an die Familie und solche an andere liebe Menschen, ganz besonders an einen. Und bald sind es nicht nur die Erinnerungen, sondern auch neue Verpflichtungen, die Franziska im Osten halten - sie hat das Gutshaus zurückerworben. Und sie ist nicht mehr allein - ihre Enkelin Jenny samt Nachwuchs hat sich zu ihr gesellt, auch ein Novum in ihrem Leben. Denn auch im Westen waren Franziskas Familienbande nicht gerade eng geflochten.


    Viele Geheimnisse, kleinere und ein richtig großes, werden nach und nach enthüllt. Doch der Leser braucht einen langen Atem, denn Autorin Anne Jacobs kommt sehr langsam in die Pötte, ich würde sogar so weit gehen, die Entwicklungen als umständlich zu bezeichnen. Keine Einzelheit wird ausgelassen, die Autorin ist definitiv keine Freundin der Übersichtlichkeit. Dabei bleiben so einige Zusammenhänge bzw. Umstände, die durchaus auch von Interesse gewesen wären, auf der Strecke.


    Zudem entsteht in mir der Eindruck, dass sie mit den "Ossis" bzw. den frischgebackenen Bundesbürgern teilweise hart ins Gericht geht - und ich bin selbst Wessi und kein unkritischer. Doch das hier war mir definitiv des Guten zu viel. Recht viele Klischees finden Eingang in die eigentlich durchaus interessante und spannende Geschichte. Ein bisschen kommt es mir vor wie die Vorlage zu einer Soap Opera, zu einer dieser Serien, deren Staffeln bald auf DVD zu erwerben sind. Spekuliert die Autorin vielleicht auf die Nachfolge von Christine Brückners "Poenichen"-Reihe, der sie aber aus meiner Sicht nicht das Wasser reichen kann?


    Bisher jedenfalls nicht, denn dies ist erst der Erste von drei angekündigten Bänden. Und trotz meiner ja nicht gerade spärlichen Kritik überlege ich durchaus, am Ball zu bleiben, denn wie gesagt: der eigentliche Plot hat durchaus Charme.
    3ratten