Anne Reinecke - Leinsee

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    Gebundene Ausgabe: 368 Seiten

    Verlag: Diogenes; Auflage: 1 (28. Februar 2018)

    Sprache: Deutsch

    ISBN-10: 3257070144

    ISBN-13: 978-3257070149


    Inhaltsangabe:


    Karl ist noch nicht einmal 30 und hat sich schon als Künstler in Berlin einen Namen gemacht. Er ist der Sohn von August und Ada Stiegenhauer, ›dem‹ Glamourpaar der deutschen Kunstszene. Doch in der symbiotischen Beziehung seiner Eltern war kein Platz für ein Kind. Nun ist der Vater tot, die Mutter schwer erkrankt. Karls Kosmos beginnt zu schwanken und steht plötzlich still. Die einzige Konstante ist ausgerechnet das kleine Mädchen Tanja, das ihn mit kindlicher Unbekümmertheit zurück ins Leben lockt. Und es beginnt ein Roman, wild wie ein Gewitter, zart wie ein Hauch.


    Autoreninfo:


    Anne Reinecke, geboren 1978, hat Kunstgeschichte und Neuere deutsche Literatur studiert und für verschiedene Theater-, Film- und Ausstellungsprojekte sowie als Stadtführerin gearbeitet. "Leinsee" ist ihr erster Roman. Für das Manuskript wurde sie mit einem Stipendium der Autorenwerkstatt Prosa des Literarischen Colloquiums Berlin ausgezeichnet. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Berlin.


    Meine Meinung:


    Titel: Ein neuer Stern am Autorinnenhimmel...


    Versprochen bekam ich seitens des Verlages (Klappentext), dass es sich bei diesem Roman um ein Debüt handelt, das Aufsehen erregen wird, geliefert bekam ich so viel mehr.


    In der Geschichte geht es um den Mittzwanziger Karl, dessen Eltern gefeierte Kunststars sind. Als sein Vater stirbt, kehrt er nach langer Abwesenheit heim und was ihn da erwartet, damit hat er selbst nie gerechnet.


    Durch die Handlung führt uns ein auktorialer Erzähler, der uns Karl und seine Umgebung näher bringt.


    Karl ist als Figur schon etwas Besonderes. Am Anfang weiß man noch nicht so recht was mit ihm anzufangen, da er sich direkt in der Einstiegsszene übergibt und generell zu viel trinkt. Doch je mehr man über ihn erfährt, desto mehr Verständnis hat man für ihn. Ich konnte mich gut in seine Lage hineinversetzen und mit ihm mitfühlen.


    Ebenfalls nicht unerwähnt lassen möchte ich die Figur der Tanja. Auch wenn man nicht sonderlich viel über sie erfährt, so macht sie den Leser doch aber neugierig auf sich. Besonders gefallen hat mir wie gut sie Karl tut und das wo sie zu Beginn der Handlung gerade einmal acht Jahre alt ist.


    Das Besondere an dem Roman ist zudem, dass jedes Kapitel mit einer Farbe überschrieben ist, die dann später in der Handlung auftaucht. Dabei sind das keine normalen Farben wie rot, grün oder blau, sondern Farben wie föhnblond, geranienrot oder nebelgrau.


    Kunst spielt in der Handlung zwar eine Rolle, liegt aber nie im Fokus.


    Ansonsten besticht das Geschriebene vor allem durch überaus gelungene Sätze, die lange im Gedächtnis bleiben. Ich habe selten ein Buch voll so schöner Worte und Formulierungen gelesen. Ich bin ja ein Fan von sprachlichen Bildern und die bekommt man geboten.


    Hier mal ein Beispiel: "Das Laken, mit dem sie den Vater bedeckt hatten, trug rechtwinklige Linien, wo es gefaltet gewesen war, ein schöner Kontrast zu der unregelmäßigen Form darunter, fand Karl." (S. 21) oder "Aufregung kroch seine Wirbelsäule hoch, wie eine Ameisenstraße, in den Nacken und dann in den Kopf hinein, bis an die Schädeldecke." (S.81)


    Diesen geschriebenen Appetithappen habe ich innerhalb von zwei Tagen regelrecht inhaliert.


    Fazit: Wer eine besondere Geschichte sucht, der ist hier genau richtig. Ich kann nur eine absolute Leseempfehlung aussprechen. Auch wenn das Lesejahr 2018 noch recht jung ist, so zählt dieses Buch bereits jetzt zu meinen Highlights.


    Bewertung: 5ratten und :tipp:

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Ein interessantes Debüt


    Der Künstler August Stiegenhauer hat sich das Leben genommen. Seine Frau Ada, eine ebenfalls gefeierte Künstlerin, liegt nach einer schweren Gehirn-OP mit wenig Überlebenschancen im Krankenhaus. Beider Sohn Karl, der sich ebenfalls in der Kunstwelt einen Namen gemacht hat, lerne ich auf der Zugfahrt zu seinem Elternhaus nach Leinsee kennen. Ein junger Mann, der nie die Liebe seiner Eltern erlangen konnte, früh ins Internat abgeschoben wurde und mir einen sehr einsamen Eindruck macht, dessen Eltern immer nur um sich selbst kreisten, steht nun in einem Haus voller Erinnerungen. Konsequent verbrennt er den gesamten Hausrat nach dem Tod der Mutter um sich wieder seiner Kunst zu widmen und vielleicht zu sich selbst zu finden.

    Neben Karl taucht plötzlich die 8-jährige Tanja auf, die ihn ab jetzt stückweise begleitet, ihn zu inspirieren scheint. Seine Freundin Mara Schlüter, der ehemalige Vertraute seiner Eltern Torben Behning genannt Buddy Holly, Galerist Maximilian Raiken und wenige weitere Protagonisten tauchen immer wieder in Karls Leben auf. Bis zum Schluss kommt er mir fremdbestimmt und einsam vor.


    Die meisten Personen bleiben für mich blass, anstrengend, und nicht allzu sympathisch. Ich kann ihre Handlungen teilweise nicht verstehen oder nachvollziehen. Alles ist mir etwas zu abstrakt. Alle leben in ihrer eigenen Welt zu der ich keinen rechten Zugang finde.

    Trotzdem werde ich immer aufs Neue verblüfft. Sei es durch Tanja, die auf die absurdesten oder liebevollsten Ideen kommt, sei es durch Karl, der sich plötzlich befreien will und seinen Kunststil ändert. Die von ihm erschaffenen Skulpturen habe ich direkt vor Augen und sie verleiten mich, ebenfalls einen Blick hinein zu tun.


    Vor allem aber ist es die farbige Ausdrucksweise der Autorin, die mich stark beeindruckt und fasziniert hat. Sie schafft es mit wenigen Worten so vieles auszudrücken, bringt vieles direkt auf den Punkt. Ihre bildhaften Beschreibungen werden mir immer wieder ins Gedächtnis kommen und präsent bleiben. Die poetischen Farbüberschriften der einzelnen Kapitel gefallen mir sehr gut und ich habe beim Lesen des Textes schon darauf gewartet, dass ich sie dort wiederfinde.

    Gewürzt mit einer Prise Sarkasmus und einer Prise Humor liest sich das Buch leicht und locker weg. Trotzdem ist es eine Geschichte, die ich auf mich wirken lassen musste um mich darauf einlassen zu können.


    Alles in allem ein interessantes, sprachlichgeniales Debüt von einer Autorin, von der ich unbedingt mehr lesen möchte.

    4ratten:marypipeshalbeprivatmaus: