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Jamie Morton ist sechs, als ihm Pastor Charlie Jacobs zum ersten Mal begegnet. Jacobs ist gerade als neuer Gemeindepfarrer nach Harlow gekommen, und Jamie ist das erste Gemeindemitglied, dem er über den Weg läuft. Die beiden mögen sich auf Anhieb, und überhaupt kommt mit Jacobs, seiner hübschen Frau Patsy und seinem kleinen Sohn wieder Leben und Schwung ins Pfarrhaus. Besondere Attraktion bei den Jugendgruppenstunden sind die Elektro-Basteleien des Pfarrers, mit deren spektakulären Effekten er gerne die jungen Pfarreiangehörigen unterhält. Und nicht nur das.
Doch die Idylle währt nicht lange. Nach einem verheerenden Unfall verliert Jacobs den Glauben an Gott und tritt mit dem, was in Harlow noch lange "The Terrible Sermon", also die Furchtbare Predigt, genannt werden wird, einer heftigen Abrechnung mit der Religion, zum letzten Mal vor seine versammelten Schäflein, bevor er seine Zelte abbricht.
Jahrzehnte später ist Jamie ein abgehalfterter Rockmusiker mit kaputtem Bein (Motorradunfall) und kaputter Karriere (zu viele Drogen), als er zufällig Jacobs wieder begegnet, der ihm, wie sich herausstellt, helfen kann - doch zu einem hohen Preis, wie Jamie nach einiger Zeit feststellen muss, denn Jacobs fordert eine Gegenleistung, und es ist keine, die Jamie gefällt.
Wie eigentlich immer gelingt es King schon auf den ersten paar Seiten, unglaublich viel Atmosphäre zu schaffen und sich perfekt in die Welt und Denkweise eines Kindes hineinzuversetzen. Die Kleinstadt in Maine, die Familie Morton, die kleinen Bastlertricks des Pastors werden sofort vor dem geistigen Auge lebendig, genauso später der abgewrackte Ex-Rocker auf Drogenentzug, dem man trotz all seiner schlechten Entscheidungen und Fehltritte wünschen würde, dass er die Kurve wieder kriegt.
Schon früh liegt eine unheilvolle Vorahnung über dem Ganzen, genährt durch kleine Andeutungen, dass nicht alles so harmlos und normal bleiben wird - obwohl es lange dauert, bis man wirklich zu erahnen beginnt, worin genau der Horror in diesem Buch liegen wird. Die wirklich unappetitlichen Szenen beschränkt King auf wenige Seiten, was nicht nur gut so ist, weil ich Splatterkram nicht mag, sondern weil er noch viel besser darin ist, subtilen Schrecken zu verbreiten, der gänzlich ohne Blut auskommt, schleichend und ganz allmählich.
King erzählt aber nicht nur eine horrorgespickte Lebensgeschichte, sondern rechnet auch ziemlich deutlich mit organisierter Religion, mit falschen Versprechungen, selbsternannten Wunderheilern und insbesondere dem amerikanischen Kirchenzirkus ab. Nicht umsonst spielt eine Schlüsselszene auf einer "Erweckungsveranstaltung" in einem Jahrmarktzelt.
Fesselnd und düster, mit viel Menschenkenntnis und morbider Phantasie.