Nora Krug - Heimat: Ein deutsches Familienalbum

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 790 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Zuerst war ich ein wenig skeptisch. Ein Buch, das "Heimat" heißt und auch noch "deutsch" im Titel trägt. Ein patriotisches Buch über Deutschland? Nein, ganz und gar nicht. Wie negativ Heimat mittlerweile besetzt ist, ist eigentlich schade, wo dieses Wort doch auch Geborgenheit und Vertrautheit ausdrücken kann. In diesem Buch sucht die deutsche Autorin, die in New York lebt, nach ihrer Heimat. Sie beschreibt ihren Weg, den sie gegangen ist, all die Recherchen, die sie geleistet hat, um der Frage nachzugehen: War mein Großvater ein Nazi? Eine Frage, die sich sicherlich jeder Mensch, in der zweiten Nachkriegsgeneration schon gestellt hat.

    Um dieser Frage einen leichten Zugang zu gewähren, ist das gesamte Buch mal mit echten mal mit gemalten Bildern illustriert. Alleine diese Illustrationen machen das Lesen schon zu einem wahren Erlebnis. Aber auch der Inhalt ist sehr interessant und bietet einen tollen Zugang zu der Thematik des Nationalsozialismus. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie dieses Buch bei Kindern und Jugendlichen funktionieren kann. Daneben wird sich immer wieder mit dem Thema "Was ist Deutsch?" auseinander gesetzt, aber auf eine - wie ich finde - nicht verherrlichende Art, sondern aus einer recht neutralen Perspektive, indem eine deutsche Auswanderin sagt, was ihr im Ausland fehlt: Brot, bspw. Dinge, die man sicherlich selbst schon mal vermisst hat, wenn man länger im Urlaub außerhalb von Deutschland war.


    Ich bin sehr begeistert von diesem Buch und als ich gesehen habe, dass das Buch für den deutschen Jugendliteraturpreis 2019 nominier ist, dachte ich mir: Zu Recht!

  • Das klingt nach einer gelungenen Annäherung an das Thema.


    Ich finde es auch schade, dass der Begriff inzwischen so von unschönen Strömungen besetzt ist. Im Grunde ist Heimat ja durchaus was Positives, ein Ort, an dem man sich zugehörig und zu Hause fühlt.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Meine Meinung:


    Was ist eigentlich "Heimat"? Im ersten Moment bin ich immer noch verwundert, weshalb Nora Krug sich eigentlich für diesen Titel für ihr Buch entschieden hat. Denn es geht um ihre Familiengeschichte. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der NS Zeit und der Frage, waren in ihrer Familie Täter und wenn ja, in wie fern? Was hat ihre Familie über die Shoah gewusst?

    Aber eine Antwort findet sich dann doch auch im Buch. Heimat ist, wo sich das Herz zu Hause fühlt ist die Antwort, die Noras Vater dazu findet. Aber gleichzeitig ist die Antwort vielleicht, Heimat ist, wo Familie ist.
    Die Autorin stellt sich viele Fragen, die ich mir auch immer wieder stelle. Doch im Gegensatz zu ihr, habe ich bisher wenige bis keine Antworten bekommen. Auch, weil ich sie eigentlich viel zu spät wirklich gestellt habe. Und daher keine mehr erhalten kann. Ich glaube auch deshalb hat mir "Heimat" so gut gefallen. Nora Krug stellt unbequeme Fragen, stöbert in Archiven. Ihre Gefühle zu dieser Suche sind irgendwo zwischen Begeisterung und Scham angesiedelt und allem was sich dazwischen noch so findet. Geschichte anhand einer Familie, gleichzeitig in der Hoffnung, nichts all zu schlimmes zu finden.

    Die Zeit der NS Diktatur ist in vielen Deutschen Familien eine Leerstelle geblieben. Emotionale Fragen, die nicht immer beantwortet werden. Erst vor wenigen Wochen habe ich wieder gemerkt, das mein Vater bei meiner Meinung fast wütend wurde. Weil ich in Frage gestellt habe, wie nach dem Krieg und auch noch heute, mit einigen unbequemen Wahrheiten über die Frage nach einer Täterschaft an der Shoah und weiteren Verbrechen gegen die Menschlichkeit umgegangen wird.

    Nora Krug hat eine besondere Art gefunden sich ihren Fragen zu stellen. Es ist eine Reise in die Familiengeschichte, immer auch eingeordnet in dem, was an anderen Orten gleichzeitig passierte.

    Kollagen, Zeichnungen, Fotos, Erinnerungen aus Gesprächen mit Verwandten und Zeitzeug:innen, Einsicht in Dokumente aus Archiven... Ein Buch dessen Zugang nicht nur Bildreich und Lebendig erzählt, was Krug über ihre Familie herausfindet. Sondern so ganz neben bei zeigt welche Fragen man stellen könnte, und auch wie und wo sie sich beantworten lassen könnten.


    "Heimat" hat in mir persönlich weniger die Frage nach Heimat ausgelöst, sondern mehr noch die Fragen lauter werden lassen, die ich nach wie vor habe. Vor allem im Bezug auf die Familienmitglieder die ich nie kennen gelernt habe. Gleichzeitig ist es leider kaum noch möglich die meisten meiner Fragen je beantworten zu können. Denn es gibt niemanden mehr, der das könnte.

    Diese Leerstellen machen mir durchaus zu schaffen.


    Nora Krug hat eine sehr persönliche Reise zu ihrem ersten Buch verarbeitet und mich damit tief beeindruckt. Es ist eine emotionale Achterbahn die sie auch Visuell ausgestaltet hat. Das macht es wirklich einem besonderen Zugang zu Geschichte, aber auch zu Emotionen und sehr persönlichen Erinnerungen.


    Ein Highlight über das ich sicher noch länger nachdenken werde. Eine Reise auch in meine eigenen Erinnerungen, ohne das ich das erwartet hätte.


    5ratten

  • Avila

    Ich fand die Einschübe über die Dinge, die man im Ausland vermisst die so gefühlt typisch Deutsch sind irgendwie amüsant. Vor allem so Sachen wie, der extra aus Deutschland importierte Uhu oder der Leizordner :lachen: und selbstverständlich das Brot.

  • Freut mich sehr, dass Dir das Jokerbuch so gut gefallen hat. Es wandert immer höher auf meinem Wunschzettel :herz:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen