Max Korn - Talberg 1977

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    Titel: Talberg 1977
    Autor: Max Korn


    Allgemein:

    384 S.; Heyne Verlag, 2022


    Reiheninfo:

    1. Talberg 1935

    2. Talberg 1977

    3. Talberg 2022


    Zitat von Amazon

    Inhalt:

    Maria lebt allein im Wald. Sie hat zwei Ehen hinter sich, ihr erste Gatte war ein Choleriker, der zweite ein Säufer. Beide sind lange tot. Die Leute aus dem Dorf halten sie für eine Hexe, der man besser aus dem Weg geht. Wenn jemand stirbt, gibt man der Hexe die Schuld. Doch niemand ahnt ihr wahres Geheimnis – und wie gerne der Tod ihr zur Hand geht.


    Meine Meinung:

    Ich finde es schwierig. Schwierig deshalb weil mir der Roman einerseits wieder sehr gut gefallen hat. Andererseits fiel mir dennoch auf, das der Autor sich einiger Klischees bedient, die sich gezielt auf Sinti und Roma beziehen und ich fand das sehr problematisch. Die Reproduktion von Klischees und Vorurteilen in einem Band, bei dem es im Grunde unnötig war, das Ganze überhaupt in die Handlung zu integrieren... Klar, eine bestimmte Verknüpfung mit Band 1 war gewollt. Aber wenn ich vergleiche dazu ziehe, passte in Band 1 das Ganze zumindest noch in die Zeit und es wurde auch deutlicher aus welchem Blickwinkel erzählt wird und weshalb dann bestimmet Ansichten eine Rolle spielen.


    In Talberg 1977 wurden diese Trennungen unscharf und ich finde, das der Autor sich in den Klischees verfangen hat. Sinti und Roma werden einerseits auf ihre Außenseiterrolle reduziert - soweit so noch historisch Korrekt, wir wissen das die Diskriminierung weiterhin besteht - aber das Problem ist meiner Meinung nach, das der Autor sich dann auf Mythen bezieht, a la hellseherische Fähigkeiten, und hinterlistiges Verhalten... Es besteht aber ein Unterschied zwischen dem Aufzeigen von Vorurteilen und deren Reproduktion. Meiner Meinung nach ist es Max Korn nicht gelungen, diesen Unterschied zu machen. Und das beschäftigt mich daher nun mehr, als die eigentliche Handlung ...

    Alltagsrassismus fängt dort an, wo wir ihn als Normal empfinden und ein Autor das Ganze wie selbstverständlich in eine spannende Geschichte integriert und vermutlich sogar noch denkt, das er so toll ist, weil er eine Minderheit mit einbezogen hat.


    Dennoch möchte ich auch über die eigentliche Geschichte schreiben und den Grund, weshalb ich das Buch subjektiv betrachtet eigentlich erstmal ziemlich gut fand.

    Talberg ist kein Ort an dem man länger verweilen möchte, dennoch zieht keine der alleingesessen Familien weg. Was vielleicht auch mehr über die ganzen Dynamiken des Ortes aussagt. Die Düstere Atmosphäre wird scheinbar der Umgebung zu geschrieben. Aber wenn man sich die Menschen anschaut, sieht man, sie selbst verursachen ein Klima von Unbehagen und dem Gefühl des Gefangenseins. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, das hier immer wieder Menschen verschwinden, Morde nicht richtig aufgeklärt und die eigentlichen Geheimnisse nicht aufgedeckt werden. Dieser Aspekt ist definitiv eine der Stärken der bisherigen Reihe.

    Die Verbindungen zu Band 1 sind schnell hergestellt, auch wenn ich fand, das es zu Beginn etwas verwirrend war, wie Maria als Hauptfigur noch mal damit verknüpft wurde. Die Personen aus Band 1 werden eher beiläufig erwähnt, es ist sinnvoll das Ganze in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Dazu ist vieles zu sehr mit einander verknüpft und ich finde, es wird sonst doch eher verwirrend. Die Ereignisse aus Band 1 hängen wie ein Damoklesschwert über allem. In Talberg wird einem die Seele vergiftet... das ist im Grunde die Botschaft. Es ist aber nicht der Ort... es sind die Menschen die das tun. Sie vergiften die Luft zwischen den Nachbarn.

    Maria als Hauptfigur fand ich ziemlich interessant und ich hätte tatsächlich gerne mehr über sie und ihre weiteren Geheimnisse gelesen.

    Sie ist vielschichtig angelegt und einiges was sie tut, ist aus meiner Perspektive heraus ganz schön verstörend. Wenn man dazu dann aber die Talberg- Gemeinschaft näher betrachtet hatte sie aus ihrem Blickwinkel heraus kaum eine andre Wahl um sich selbst zu schützen.


    Josef, dessen Erzählperspektive etwa ab der Hälfte einsetzt, fand ich dagegen teilweise anstrengend zu lesen. Er ist einfach so ich bezogen und ich fand das er zu eindimensional erzählt wurde. Eine bestimmte Person und deren Verhalten war dabei durchaus der große Knalleffekt der Geschichte, gleichzeitig konnte mich das Motiv nicht so richtig überzeugen. Das liegt daran, das Korn meiner Meinung nach zu wenig darauf eingeht, weshalb Menschen so werden, wie sie als Erwachsene sind. Ich finde er hat sich hier einfach so ein bisschen darauf ausgeruht, das man halt alles irgendwie erbt. Das dabei aber weit komplexeres passiert und das eben nicht alles einfach in den Genen festgelegt wird, ignoriert man hier halt mal.


    Gut gefiel mir, das man nur als Leser*in die volle Wahrheit kennt. Welche Schlüsse z.B. die Polizei am Ende zieht, hängt auch damit zusammen, das gar nicht das gesamte Bild vorliegt. Im Grunde liest man vor allem darüber, wie Geheimnisse bewahrt werden können und wie geschickt jemand falsche Fährten legt. um diesen Punkt auch zu garantieren.


    Ich flog nur so durch die Seiten, hatte kaum Zeit und Ruhe mir zu überlegen, weshalb ich beim Lesen immer wieder ein unangenehmes Gefühl hatte. Erst mit etwas mehr Distanz konnte ich mir darüber klarer werden. Ich bin ehrlich gesagt ziemlich sicher, das es dem Autor nicht mal groß aufgefallen ist. Viele Menschen die rassistische Begriffe und Vorurteile reproduzieren tun dies nicht automatisch aus Böswilligkeit, sondern aus der Normalisierung heraus. Gerade was Sinti und Roma betrifft ,habe ich den Eindruck das wir als Gesellschaft immer noch ziemlich hinter her hinken und Stereotype nach wie vor nicht aufgebrochen wurden.

    Ich bin ganz ehrlich. So an sich ohne meine objektive Stimme ein zu beziehen, hat mir der Roman eigentlich richtig gut gefallen. Es war spannend und geheimnisvoll. Ich mag die düstere Atmosphäre. Gleichzeitig fühle ich mich auch zunehmend unwohl, das mir das Buch eben trotz allem so gut gefallen hat.


    Ende

  • Schade, dass der Autor nicht ohne die Klischees auskommt. Wenn er so spannend zu schreiben vermag, hätte es die wahrscheinlich nicht gebraucht, um das Buch mitreißend zu gestalten, oder?

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen