Maggie O'Farrell - Hamnet/Judith und Hamnet

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 247 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

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    Der elfjährige Hamnet ist verzweifelt. Eben noch hat seine Zwillingsschwester Judith fröhlich mit ihm und den kleinen Kätzchen gespielt, doch jetzt geht es ihr gar nicht gut. Er will unbedingt helfen, doch alle Erwachsenen im Haushalt scheinen wie vom Erdboden verschluckt. Sein Vater, ein aufstrebender Dichter und Dramatiker, ist sowieso die meiste Zeit in London, aber wenn doch nur die Mutter nach Hause käme, die sich mit Heilpflanzen und Krankenpflege auskennt.


    Als Agnes von ihrem Heilkräuter- und Bienengarten nach Hause kommt, findet sie ihre Tochter schon kaum noch ansprechbar vor, und was Hamnet bereits geahnt hat, wird zur schrecklichen Gewissheit. Wie eine Löwin kämpft Agnes um das Leben ihres Kindes und ahnt nicht, dass es ihr Sohn sein wird, den sie begraben muss, der Vater wird ihn gar nicht mehr lebend sehen.


    Dass Hamnet stirbt, ist kein Spoiler, sondern wird bereits im Vorspann angesprochen und ist auch historisch belegt. Anhand der Namen wird vielleicht schon der eine oder die andere gemerkt haben, dass es hier nicht um eine gewöhnliche und auch nicht um eine erfundene Familie geht. Der abwesende Familienvater, der keine Lust hatte, das Handschuhmachergeschäft seines jähzornigen Vaters zu übernehmen, wird als DER Dichter in die englischsprachige Literaturgeschichte eingehen und heißt natürlich William Shakespeare - obwohl der Name im ganzen Buch kein einziges Mal genannt wird.


    "Hamnet" ist kein herkömmlicher historischer Roman, dafür sorgen schon die glasklare Sprache und die Erzählung im Präsens, aber auch, dass auf ausschweifende Schilderungen der historischen Umstände verzichtet wird. Man ist sehr dicht bei den Figuren, in ihrer persönlichen Lebenswelt zwischen Kräutergarten, Marktplatz und den beiden aneinandergebauten Häusern, in denen drei Generationen zu Hause sind, beileibe nicht immer ohne Konflikte. Der Familienpatriarch neigt zur Gewalt, seine Frau kommt nicht immer gut mit der Schwiegertochter zurecht, die so anders ist als die meisten Hausfrauen und Mütter ihrer Zeit. Agnes, die einen ganz besonderen Blick auf die Welt hat und unter einer Stiefmutter zu leiden hatte, die die Kinder ihres Mannes aus erster Ehe nie wirklich akzeptiert hat, fühlt sich oft missverstanden und von ihrem Mann alleingelassen. Der ist zwar durchaus ein liebevoller Ehemann und Vater, doch seine große Leidenschaft gilt dem Schreiben und vor allem dem Theater, dem er sich in London so viel besser widmen kann als zu Hause in Stratford-upon-Avon.


    Maggie O'Farrell fühlt sich ganz wunderbar in die verschiedenen Charaktere ein und erzählt zunächst parallel aus der Gegenwart, in der die Pestilenz traurigen Einzug gehalten hat, und rückblickend von Agnes' Lebensweg, später laufen alle Fäden dann in der Erzählgegenwart zusammen und sie schildert sehr bewegend, wie die einzelnen Familienmitglieder - sehr unterschiedlich - mit dem Verlust umgehen.


    Die Autorin werde ich mir auf jeden Fall merken, für mich steht sie schon nach diesem Buch in einer Reihe mit Sarah Moss oder Hannah Kent (auch wenn ich mich zunächst in den Stil ein bisschen einlesen musste). Mein letztes Highlight für 2022!


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Meine Meinung

    Hamnet ist eine dicht gewebte Erzählung, in der viele Personen zu Wort kommen. Zum einen Hamnet selbst. Der geht mit wachen Augen durchs Leben und sieht so mehr als die meisten Menschen in seiner Umgebung. Er ist ein aufgeweckter Junge, aus dem Größeres werden könnte als seine Herkunft und vor allem sein Großvater ihm erlauben. Als seine Schwester ernsthaft erkrankt, tut er alles in seiner Macht stehende, um ihr zu helfen. Aber seine Möglichkeiten sind begrenzt und weil er alleine im Haus ist, ist er mit der Situation überfordert.


    Die zweite Erzählerin ist Agnes, die Mutter von Hamnet und Judith. Ihre Gedanken reichen von der Vergangenheit in die Gegenwart. Ich habe erfahren, wie sie ihren Mann kennengelernt hat und wie sie in die Konventionen der damaligen Zeit gezwängt wurde, aus denen sie nur teilweise mit ihrem Garten und ihren Bienen ausbrechen konnte.


    Ihr Mann ist zu dieser Zeit weit weg in London, wo er es wiederum geschafft hat, sich den Plänen seines Vaters zu entziehen und das zu tun, was er liebt. Anfangs hatte ich den Eindruck, als ob genau das ihn und Agnes auseinander gebracht hat. Denn während er in London seinen Traum lebt, fühlt sie sich in Stratford wie manchmal wie eine Gefangene. Auch in ihrem Schmerz bleiben die Eheleute alleine und zerbrechen fast daran bis sie erkennen, dass sie das Gleiche fühlen.


    Ich wusste von Anfang an, dass die Geschichte nicht gut ausgehen würde. Trotzdem habe ich gemeinsam mit den Figuren gehofft, dass es anders werden würde. Vielleicht würde die Seuche, die von der Autorin fast wie eine weitere Person beschrieben würde, doch einen anderen Weg nehmen. Dem war nicht so. Aber trotz des traurigen Ausgangs bleibt Hamnet für mich ein wunderbares Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen kann.

    5ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Anfangs war ich mir auch noch nicht so sicher, ob es mir gefällt, an den "modernen" Stil musste ich mich erst mal gewöhnen. Aber dann hat es mich echt gepackt und ich bin gespannt auf weitere Bücher der Autorin.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • So spanend das ihr beide das Buch so mochtet. Ich kam damit überhaupt nicht klar und habe es dann sogar abgebrochen. Ich hatte total Probleme mit der Erzählperspektive.

    Es kommt nicht oft vor, dass wir so auseinander liegen. Ich kann deine Probleme verstehen, hätte ich mich das Buch zu einem falschen Zeitpunkt erwischt, wäre es mir vielleicht ähnlich gegangen. Normalerweise brauche ich mehr Ruhe in einer Geschichte.


    Valentine war Hamnet das erste Buch, das du von der Autorin gelesen hast?

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.