Persuasion aka Anne Elliot aka Verführung

Es gibt 71 Antworten in diesem Thema, welches 2.116 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von b.a.t..

  • Zumindest bei uns in A(bsurdistan) haben wir nächstes Wochenende ein verlängertes. Der 15. August ist Mariä Himmelfahrt.


    HoldenCaulfield und ich haben uns über Persuasion unterhalten und gemeint, es bietet sich an im Rahmen des Jane Austen Projektes hier gemeinsam noch einmal zu lesen.


    Ich würde mich freuen, wenn wir einige Mitstreiter:innen dazu begeistern könnten.

  • Ich habe mal mein Buch hervorgekramt


    Jane Austen - Persuasion


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    wobei die ISBN stimmt, mein Cover aber komplett anders aussieht.


    Es ist die ungekürzte Version von Dover Thrift Editions von 1997

    und sieht aus wie unten



  • So ein schönes, blumiges Cover wie Eure jeweiligen Ausgaben hat meine nicht, sie ist aber auch schon über 20 Jahre alt:


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    Es handelt sich um die Übersetzung von Ursula und Christian Grawe.

  • Ich kann nun endlich mit Persuasion beginnen. Ich freu mich schon und wird wohl wirklich ein verlängertes Lesewochenende für mich, aber was ist schon Zeit :)


    Die Protagonistin musste ja auch lange auf ihren Helden warten.

  • Der Anfang ist gemacht! Ich bin mittlerweile bei Chapter 4 angelangt und meine Abneigung gegen den englischen Snobismus ist wieder erwacht :)


    Das Gesellschaftssystem war ja in unseren Breitengraden auch sehr fragwürdig, aber die Traditionalisten halten das ja bis heute hoch.


    Ich finde aber Jane Austens ironische Sicht auf die Gepflogenheiten sehr erfrischend. Mit viel Witz erklärt sie die familiären Verhältnisse und Standesdünkel von Sir Walter, gleichzeitig auch seine wirtschaftliche Inkompetenz und Weltfremdheit und anscheinend auch sein Mangel an Intelligenz. Leistung wird nicht honoriert, sondern nur die Abstammung. Menschen, die durch Leistung reüssieren sind suspekt, weil potenzielle Gegner, die Rang und Reichtum der Althergebrachten übertrumpfen könnten. Das Individuum zählt nicht.

  • b.a.t.

    Ich habe wieder festgestellt, wie sehr ich Annes Familie verabscheue :lachen: Und wie sehr es mich stört, das Anne sich immer so stark zurücknimmt. Sie tut mir sehr leid mit ihrem Vater und den überaus selbstsüchtigen Schwestern.

    Ich muss sagen, das ich ihren Vater nahe zu verachte. Einerseits hat er alles Geld durchgebracht, aber besteht nach wie vor auf seinem Adelsstand und das er etwas Besseres sei... ist aber nicht in der Lage seine Familie zu versorgen. Ohne Anne wäre er absolut aufgeschmissen.

  • Ich habe bis einschließlich Kapitel 3 gelesen und kann Eure Eindrücke zu Annes Familie nur teilen. Diese Mischung aus Dummheit und (unbegründetem) Stolz bei Sir Walter Elliot ist schwer zu ertragen, ebenso dass er die Welt nur so sieht, wie er sie sehen will. Das finde ich insbesondere in Bezug auf Elizabeth bezeichnend: obwohl sie älter ist als Anne (und ja auch durchaus so beschrieben wird, vor allem in ihrer Funktion als Herrin von Kellynch Hall) hält er es bei ihr durchaus noch für möglich, dass sie aufgrund ihrer Schönheit eine gute Partie erzielt, während er Anne einfach abgeschrieben hat.


    Besonders gut gefallen hat mir die Passage, in der erläutert wird, warum Lady Russell eine Ehe mit Sir Walter nicht in Betracht gezogen hat:

    Zitat

    Daß Lady Russell bei ihrem gefestigten Alter und Charakter und ihrer finanziellen Unabhängigkeit an eine zweite Ehe nicht dachte, bedarf keiner Entschuldigung in den Augen der Öffentlichkeit, die eher dazu neigt, unvernünftige Entrüstung zu zeigen, wenn eine Frau tatsächlich wieder heiratet, als wenn sie es nicht tut; [...]. (S. 7)

    Hier spielt Jane Austen gekonnt mit den Moralvorstellungen der Gesellschaft und benennt den finanziellen Charakter der Ehe, der in ihren Romanen ja immer wieder eine große Rolle spielt.

  • Ach ja, und die Betonung der Äußerlichkeiten durch Sir Walter ist gleichzeitig auch bezeichnend für seinen oberflächlichen Charakter, nicht nur bezogen auf seine Familie, sondern auch bei seinen Urteilen über die Seeleute. Es sagt ja nun eben nichts über die Person aus, wie alt oder jung sie aussieht, und sein eigenes (vergleichweise gutes) Aussehen nützt ihm ja nun auch nichts.

  • Überhaupt werden ja Äußerlichkeiten sehr betont. Es wird ja gerade bei der Beschreibung von Anne im Gegensatz zu ihrer älteren Schwester Elizabeth sehr stark betont, das sie verwelkt ist. - Was ich immer noch krass finde, wenn man bedenkt das sie 27 ist und nicht 100 ;) - Natürlich ist mir klar, das ihr Alter damals eine andere Bedeutung hatte, aber in Anbetracht dessen, das sie im Grunde eine privilegierte adlige Stellung inne hat, die nur davon getrübt wird das sie eine ziemlich fürchterliche Familie hat, und Liebeskummer hatte...


    Natürlich hat Austen immer großen Spaß daran, gerade auch die Familienmitglieder ihrer Heldinnen überspitzt darzustellen. Aber hier sind sie ja nahezu Bösewichte. Da ist eine Mrs. Benett zwar nervtötend, aber wenigstens im Grunde dennoch in der Lage ihre Töchter zu lieben. Während ein Sir Walter einzig und allein sich selbst liebt. Das merkt man finde ich auch daran, das er einzig Elizabeth überhaupt als einigermaßen ebenbürtig behandelt - weil sie ihm ähnlich ist.

  • Steht in der deutschen version wirklich verwelkt? Austen ist da subtiler sie schreibt "her bloom vanished early".


    Mir fällt auf, ich hab noch nie ein Austen Buch in einer deutschen Version gelesen. Mrs. Croft ist ja auch als alte Dame dargestellt und die ist jünger als ich :) Gerade mal 38 als noch a "jungs Diandl"


    Aber mit 27 noch nicht abgesichert und ohne Einkommen wird es schwer zur damaligen Zeit. Austen selbst hatte ja das Glück, dass sich ihre Romane damals schon verkauften.


    Ich bin bei Kapitel 7 angelangt und die Crofts waren gerade zum Gegenbesuch bei den Musgroves. Captain Wentworth, wie es der Zufall will war vom enfant terrible Dick Musgrove positiv beschrieben worden in einem seiner wenigen Briefe an seine Eltern, bevor er starb.


    Die Verhältnisse und Verbindungen der Leute untereinander sind schon sehr stark konstruiert finde ich.

  • b.a.t.
    Das Dick auch mal unter Captain Wentworth gedient hat, ist aber insofern nicht verwunderlich, da er ja wohl in der Marine so ein bisschen rumgereicht wurde. Und soo riesig war die Marine damals jetzt auch wieder nicht. Allerdings fand ich es im Grunde total unnötig, das es Dick überhaupt gab bzw. das Wentworth ihn irgendwie kannte. Immerhin ist der Sohn eh total unbeliebt gewesen und tot. Daher ist es eigentlich total irrelevant ob ihn irgendjemand kannte. Außerdem sind ja eh alle von Wentworth total hin und weg. Das war dann echt too much.


    - Ja wie gesagt mir ist vollkommen klar, das 27 damals in den Kreisen in denen sich Austen bewegt hat, etwas ganz andres war. Aber trotzdem. Anne hat keine harte Arbeit zu verrichten. Sie muss nicht Schuften um ihr Leben zu bestreiten. Daher glaube ich eher nicht ,das sie schon super alt aussieht ;)

  • Gestern habe ich es noch bis zu Kapitel 10 geschafft. Das dürfte ungefähr ein Drittel des Buches sein. Tagsüber war es relativ stressig im Büro, aber ich hoffe, dass ich morgen am Feiertag noch mehr Lesezeit bekomme.


    Die typische Jane Austen "Krankheit", die ja eigentlich eine Zeiterscheinung ist, dass Leute nicht miteinander offen kommunizieren. Gefühle, Gedanken und Wünsche werden nur angedeutet. Der Patriarch entscheidet über Glück oder Unglück.


    Captain Wentworth ist wie Anne nicht in der Lage, die Lage einzuschätzen. Dazu kommen noch gekränkte Eitelkeiten.


    Die Schwester Mary ist auch sehr oberflächlich und egozentrisch. Ihr krankes Kind kümmert sie nicht so sehr, wie die Neugier, dass sie beim Essen bei ihren Schwiegereltern etwas verpassen könnte. Abgesehen davon, dass Kindererziehung im Kleinkindesalter ausschließlich von Frauen zu bewältigen war ist der Vater des verletzten Kindes auch nicht sehr empathisch.